Berlin. Ausländer warten oft Monate auf einen Visum-Termin in einer deutschen Botschaft. Die Corona-Pandemie hat die Lage noch verschärft.

Die Pandemie trennt Menschen: Die Tochter von der Mutter, weil Reisen nicht möglich sind. Die Kinder von den Großeltern, weil sie zur Risikogruppe zählen. Und auch Menschen im Ausland, die zu ihren engsten Verwandten in Deutschland ziehen wollen, versetzt der Corona-Ausnahmezustand in ein ungewisses Ausharren. Ein Ausharren im Krisengebiet. Nicht selten sind es Frauen auf der Flucht, die zu ihren Ehemännern nach Deutschland wollen.

Doch allein einen Termin bei einer deutschen Botschaft zu ergattern, dauert oftmals Monate. Teilweise warten Ausländer und Flüchtlinge sogar länger als ein Jahr, bis sie ein Termin in einer Vertretung der Bundesrepublik bekommen, um eine Zusammenführung mit engen Verwandten in Deutschland zu beantragen. Zum Beispiel in Pakistan, Serbien, Albanien und Marokko. Dasselbe gilt für Afghanen, die in Indien ein Visum für Familienzusammenführung in Deutschland stellen wollen. Die Angaben gehen aus der Antwort des Auswärtigen Amtes auf Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Auch Eltern von minderjährigen Flüchtlingen brauchen ein Visum

Ausländer müssen ein Visum in der deutschen Botschaft in ihrem Heimatland beantragen, um zu ihren engsten Verwandten nach Deutschland zu reisen. Das gilt beispielsweise für Eltern von minderjährigen Flüchtlingen und Ehepartnern eines Geflüchteten, der bereits einen Aufenthaltstitel in Deutschland hat. Doch auch Ausländer, die zu ihren deutschen Ehepartnern wollen, benötigen ein Visum von der Botschaft in ihrem Heimatland.

In derzeit zwölf Ländern beträgt die Wartezeit mehr als ein halbes Jahr. In Iran und Tunesien liegen die Terminvergabe derzeit 32 beziehungsweise 28 Wochen in der Ferne. In Nigeria beträgt die Wartezeit für Familienangehörige 48 Wochen, in Bosnien und Herzegowina 36 Wochen.

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    Corona behindert die Arbeit der Visastellen erheblich

    Das Auswärtige Amt erklärt die „teils sehr langen Wartezeiten“ mit den Beschränkungen durch die Corona-Pandemie. Der Ausbruch des Virus habe „leider die Arbeitsfähigkeit der Visastellen erheblich“ beschränkt. „Einige Visastellen mussten sogar mehrfach für längere Zeiträume geschlossen werden, darunter die Botschaften in Teheran, Kiew, Kairo, Islamabad und Manila.“

    Die Linkspartei kritisiert den Umgang der Bundesregierung mit der Terminvergabe für Familienzusammenführungen. Die Wartezeiten in den Botschaften und Konsulaten seien „unerträglich lang, in manchen Ländern schlicht inakzeptabel“, sagte die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut unserer Redaktion.

    Und die Linke weist darauf hin, dass die Wartezeiten bereits vor der Pandemie sehr lange und teilweise Monate betragen hätten. So belegen Angaben der Bundesregierung von Anfang 2020, dass auch schon vor Corona und Lockdown oftmals Wochen und Monate bis zu einer Terminvergabe vergingen. Hinzu kommt dann noch die Zeit für die Bearbeitung der Visa. Auch das kostet Zeit.

    Für Fachkräfte gibt es Fristen, für Familienangehörige nicht

    Zeit, in der Menschen im Exil etwa in Nahost oder Zentralasien ausharren. In denen Schutzsuchende getrennt sind von ihren engsten Verwandten. Und die Linksfraktion kritisiert, dass in anderen Fällen einer Warteschlage per Gesetz Grenzen gesetzt sind.

    „Es ist in meinen Augen eine nicht akzeptable Ungleichbehandlung, wenn bei der Terminvergabe an begehrte Fachkräfte eine gesetzliche Frist von längstens drei Wochen gilt, engste Familienangehörige aber häufig mehr als ein halbes oder sogar ein Jahr warten müssen, um überhaupt einen Nachzugsantrag stellen zu können“, sagte Politikerin Akbulut.

    Im Auswärtigen Amt soll nun ein eigenes Amt die Arbeit der Auslandsvertretungen beschleunigen. In Brandenburg an der Havel hat das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten seine Arbeit aufgenommen. Die Behörde startet mit knapp 80 Mitarbeitenden. Laut Außenministerium soll die Belegschaft bis zum Jahr 2025 auf bis zu 1000 wachsen.

    Die Angestellten kümmern sich um die Verteilung von Hilfsgütern in Krisengebieten und verwalten die deutschen Liegenschaften im Ausland. Auch um die Visa-Vergabe soll sich das neue Amt kümmern. Allerdings nur beim Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland. Nicht bei Familienangehörigen, die zu ihren Verwandten nach Deutschland wollen. Das bleibe in der Hand der Botschaften, teilt das Auswärtige Amt auf Nachfrage mit. ​