Washington. Trump versucht weiter alles um Joe Biden als Präsidenten zu verhindern. Dabei soll ihm Vize Mike Pence helfen - das kann der aber nicht.

Donald Trump hat eine besondere Art, in seinem engsten Umfeld für Schluckauf und Schweißperlen zu sorgen. Bei öffentlichen Kundgebungen sagt der Präsident seit vier Jahren regelmäßig halb scherzhaft im Ton, dass er diesen und jenen „nicht mehr ganz so sehr mögen wird”, wenn die betreffende Person (Abgeordnete, Minister, Top-Berater etc.) die Dinge nicht in seinem Sinne zurechtbiegt.

Unmittelbar vor der entscheidenden Kongress-Sitzung, die am Mittwoch Joe Biden aller Voraussicht nach als 46. US-Präsidenten bestätigen wird, gilt Trumps Vorwarnung ausgerechnet seinem Vizepräsidenten.

Trump scheint die eigene Verfassung nicht zu kennen

Mike Pence, der die Zusammenkunft von Repräsentantenhaus und Senat ab 19 Uhr deutscher Zeit leiten wird, soll nach der Erwartung Trumps etwas bewerkstelligen, das ihm die Verfassung überhaupt nicht zugesteht.

Der für lückenlose Loyalität zu Trump, andere sagen hündische Ergebenheit, bekannte Politiker aus Indiana soll die offizielle Annahme von Bidens Wahlsieg im „electoral college” in letzter Minute verhindern und so die Amtseinführung des Demokraten am 20. Januar hintertreiben. So hat es Trump dem 61-Jährigen laut „New York Times” einzuflüstern versucht.

Bei einem Auftritt kurz vor der Stichwahl zum Senat ihn Georgia sagte Trump am Montagabend am Flughafen von Dalton: „Ich hoffe, dass unser großartiger Vizepräsident sich für uns einsetzt. Er ist ein großartiger Kerl.” Und wenn nicht? Siehe oben. „Wenn er sich nicht einsetzt, werde ich ihn natürlich nicht ganz so sehr mögen.”

Problem dabei: Pence' Ermessensspielraum kommt ungefähr dem eines Hollywood-Schauspielers gleich, der bei den „Oscars” den Umschlag öffnet. Er verliest den Preisträger, er bestimmt ihn nicht. Heißt konkret: Unter Pence' Federführung werden die Umschläge mit den Ergebnissen der Sitzung des „electoral college” vom 14. Dezember geöffnet und - von Alabama bis Wyoming - für alle 50 Bundesstaaten verlesen. Nicht mehr.

Pence, so sieht es das Protokoll vor, hat dann offiziell den Sieg Bidens nur noch zu bestätigen. Juristisch wasserdicht wurden die Resultate laut Verfassung vorher durch die Gouverneure und Parlamente der Bundesstaaten. Normalerweise ist diese im Fernsehen live zu sehende Prozedur nach gut einer Stunde vorbei. Diesmal nicht.

Entscheidende Senatswahl in Georgia hat begonnen

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