Berlin. Die EU-Kommission plant ein neues Gesetz gegen Kindesmissbrauch. Doch der Datenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnt vor Fehlalarmen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnt, dass ein EU-Gesetzesvorhaben im Kampf gegen Kindesmissbrauch zu zahlreichen Fehlalarmen und falschen Beschuldigungen führen könnte. Es geht um eine geplante Ausnahmeregelung für sogenannte nummernunabhängige Messenger-Dienste, zum Beispiel den Facebook-Messenger, mit der Facebook und andere Unternehmen erlaubt werden soll, die Inhalte, die Nutzer verschicken, weiterhin systematisch zu überprüfen.

Viele Dienste tun das jetzt schon – doch ab 21. Dezember gibt es dafür keine Rechtsgrundlage mehr, denn über die Dienste verschickte Inhalte fallen dann unter das digitale Fernmeldegeheimnis.

Datenschutzbeauftragter Kelber warnt vor falschen Verdächtigungen

Die EU-Kommission hat deshalb im Sommer einen Gesetzesvorschlag gemacht, um Facebook und Co. auch weiterhin das Filtern von Nachrichten zu erlauben. Doch der gehe viel zu weit und beschränke wichtige Grundrechte, sagt der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. „Kindesmissbrauch ist ein abscheuliches Verbrechen, das weder online noch in der realen Welt hinnehmbar ist“, sagte der SPD-Politiker dieser Redaktion. Doch die Methoden der Bekämpfung müssten gesetzlich konkret geregelt und verhältnismäßig sein.

Der Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber warnt vor vielen Fehlalarmen durch das neue Gesetz gegen Kindesmissbrauch.
Der Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber warnt vor vielen Fehlalarmen durch das neue Gesetz gegen Kindesmissbrauch. © Reto Klar | Reto Klar

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Der Entwurf der Europäischen Kommission bleibe aber sehr allgemein bei der Frage, wann und in welcher Weise das Durchsuchen von Nachrichten gerechtfertigt sei. Das könne die flächendeckende und anlasslose Überwachung diverser Kanäle zur Folge haben. „Eine solche generelle Überwachung von Kommunikationsinhalten würde die Kommunikation aller Bürgerinnen und Bürger betreffen und würde gerade bei automatischer Überwachung zu zahlreichen Fehlalarmen führen“, fürchtet der Datenschutzbeauftragte.

Datenschutzbeauftragter: Überwachung wird falsche Personen treffen

Viele Täter dagegen seien in der Lage sein solche Methoden zu umgehen – mit eigener Verschlüsslung, mit anderer Wortwahl, mit alternativen Kanälen. „Zu einem überwältigenden Anteil“, sagt Kelber, „wird die Überwachung Personen treffen, die durch Fehlalarme im Fadenkreuz landen.“

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Mit einer flächendeckenden Überwachung von Kommunikationsinhalten würde „die Axt an die Wurzeln einer digitalen freiheitlichen Gesellschaft gelegt“, so Kelber weiter. „Es ist nicht möglich, Verschlüsslung nur für Behörden der EU-Staaten zu schwächen. Geschwächte Verschlüsselung ist immer auch angreifbar für andere Staaten und Kriminelle.“

Er befürwortete deswegen die Änderungsvorschläge, die der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments für das Gesetz gemacht habe, die sich auf die Auswertung von Kommunikationsmustern statt Inhalten konzentrieren würden. Zudem habe der Ausschuss ein spezifisches Beschwerderecht für Betroffene gefordert. (tma)

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