Tunis. Die Hinrichtung des Dissidenten Ruhollah Sam im Iran stößt im Westen auf scharfen Protest. Das Regime in Teheran reagiert empört.

Bei Irans Machthabern wächst die Nervosität. Erneut fürchtet das Regime landesweite Massenproteste wie Ende 2017 und Ende 2019. Die Wirtschaft schlittert immer tiefer in den Ruin. Die Corona-Pandemie ist mit mehr als 50.000 Toten praktisch außer Kontrolle. Auch die Gerüchte um den schlechten Gesundheitszustand des 81-jährigen Revolutionsführers Ali Khamenei wollen nicht verstummen.

In dieser Multi-Krise greift die Islamische Republik zu immer drastischeren Repressionen, um jedes weitere Aufbegehren der Bevölkerung im Keim zu ersticken. Am Samstag wurde der Dissident und Blogger Ruhollah Sam exekutiert – wenige Wochen nach dem bekannten Ringer Navid Afkari, beide verurteilt wegen ihrer Rolle bei den Massenprotesten der vergangenen Jahre. Mindestens 30 weitere Verhaftete sitzen nach Angaben iranischer Menschenrechtler in den Todeszellen.

Regime in Teheran bestellt deutschen Botschafter ein

Die Europäische Union verurteilte die jüngste Hinrichtung „in schärfster Weise“. Frankreich sprach von einem „barbarischen Akt“. Das Außenministerium in Berlin forderte den Iran auf, „alle politischen Gefangenen freizulassen und weitere Todesstrafen weder zu verhängen noch zu vollstrecken.“ Irans Präsident Hassan Rohani wies dies als Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes zurück.

Auch interessant:Wer ist jetzt Freund, wer Feind? Das ist der neue Nahe Osten

Am Sonntag bestellte das Teheraner Außenministerium den deutschen Botschafter und den Geschäftsträger der französischen Botschaft ein. Die Beziehungen von Berlin und Paris zu Teheran sind zusätzlich gespannt, weil Iran mindestens ein Dutzend Doppelstaatler aus westlichen Ländern als Geiseln festhält, darunter einen Franzosen und zwei Deutsche sowie einen Schweden, der ebenfalls zum Tode verurteilt wurde.

Der Journalist und Blogger Ruhollah Sam ist hingerichtet worden. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA wurde der 47-jährige in Teheran erhängt.
Der Journalist und Blogger Ruhollah Sam ist hingerichtet worden. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA wurde der 47-jährige in Teheran erhängt. © dpa | ALI SHIRBAND

Ruhollah Sam konnte 2009 als politischer Flüchtling nach Paris entkommen. Bei den landesweiten Unruhen Ende 2017 spielte sein populärer Telegram-Kanal „AmadNews“, mit dem er von Frankreich aus Korruption und Machtmissbrauch im Iran aufdeckte, eine Schlüsselrolle. Zwei Jahre später wurde der 47-Jährige in den Irak nach Kerbela gelockt, dort von Agenten der Revolutionären Garden gekidnappt und nach Teheran verschleppt. Im Staatsfernsehen wurde er zu dem Geständnis gezwungen, er habe für den französischen und israelischen Geheimdienst spioniert.

Todesstrafe im Iran: Strafverteidiger sitzen meist selbst im Gefängnis

Sein Vater Mohammad Ali Sam, ein angesehener Reformkleriker, konnte seinen Sohn 24 Stunden vor dessen Tod noch einmal sehen. Für Menschen, die gegen den Gottesstaat politisch aufbegehren, gibt es seit den Massenunruhen Ende 2017 keine freie Wahl des Anwalts mehr.

Die kleine Schar mutiger Verteidiger, die sich bis dahin solch heikler Fälle angenommen hatte, sitzt mittlerweile selbst hinter Gittern oder wird mit Strafverfahren bedroht. Eine der bekanntesten ist Nasrin Sotoudeh. Sie verteidigte mehrere junge Frauen, die öffentlich gegen den Kopftuchzwang protestiert hatten. 2019 wurde sie selbst zu zwölf Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt.

Lesen Sie auch:Anschlag auf Atomforscher: Iran verdächtigt Israel und USA