Berlin. Merkel und die Länderchefs haben beim Corona-Gipfel entschieden: Ab Mittwoch wird das öffentliche Leben weitgehend heruntergefahren.

  • Um die Corona-Zahlen nach unten zu bekommen, haben sich Bund und Länder auf einen kompletten Lockdown geeinigt
  • Sie beschließen zudem: Möglichst keine Schul- und Kita-Besuche ab Mittwoch bis mindestens 10. Januar
  • Lesen Sie hier, auf welche neuen Corona-Regeln sich Merkel und die Länder verständigt haben

Deutschland geht in den harten Lockdown: Das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder am Sonntag beschlossen. Obwohl sich viele beim Corona-Gipfel einig waren, dass das öffentliche Leben so schnell wie möglich heruntergefahren werden sollte, um die Zahl Infektionen mit dem Coronavirus zu senken, waren einige gegen einen Termin am Montag oder Dienstag. So greifen die härteren Regelungen nun ab Mittwoch, 16. Dezember.

Es ist der Kampf gegen ein tödliches Weihnachten. Als die Kanzlerin vor die Presse trat, sah sie blasser als sonst aus, ihre Stimme war belegt. „Wir sind zum Handeln gezwungen“, sagte sie: „Unser Auftrag war immer, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Deswegen besteht dringender Handlungsbedarf.“ Auch am Sonntag hatte das RKI wieder über 20.000 Corona-Neuinfektionen gemeldet, rund 2500 mehr als am zweiten Advent. Lesen Sie hier: Harter Lockdown: Welche Geschäfte schließen müssen

In dem Beschluss heißt es, es sei durch die bisherigen Maßnahmen zwar gelungen, das exponentielle Wachstum zu stoppen, aber nicht, das Infektionsgeschehen zu senken: „Eine weiterhin hohe Belastung des Gesundheitssystems und eine nicht hinnehmbare hohe Zahl täglicher Todesfälle sind die Folge.“

Kommentar:Harter Lockdown: Warum strengere Maßnahmen überfällig sind

Corona-Lockdown ab Mittwoch – Merkel und Söder: Könnte verlängert werden

Nach dem Ende der Gespräche trat Merkel gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am späten Sonntagvormittag vor die Presse.

Die Kanzlerin hatte schon seit Wochen vor dieser Verschärfung der Situation gewarnt. Aber die Länder hatten bei härteren Maßnahmen nicht mitziehen wollen. Sie dankte den Bürgern, vor allem aber dem Pflegepersonal: „Für Sie wird das ein sehr schweres Weihnachten.“

Interaktiv:Corona-Krise – So ist die Lage auf Deutschlands Intensivstationen

Wegen der Inkubationszeit geht Merkel davon aus, dass die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in den kommenden zehn Tagen weiter steigen wird, bevor der harte Lockdown Wirkung zeigen wird. Sowohl Merkel als auch Söder betonten, dass der Lockdown länger dauern könnte als bisher geplant.

Das hänge ganz entscheidend von den Infektionszahlen im Januar ab, sagten beide. Nach dem Infektionsschutzgesetz können sie allerdings immer nur für vier Wochen beschlossen werden. Am 5. Januar wollen Kanzlerin Merkel und die Länder erneut zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Auf folgende Maßnahmen einigten sich Bund und Länder:

Corona-Gipfel: Das soll für Schulen und Kitas gelten

  • Schüler und Kita-Kinder sollen spätestens ab Mittwoch deutschlandweit wann immer möglich für zunächst dreieinhalb Wochen zu Hause bleiben. Lesen Sie hier: Schulen und Kitas zu - So viel Geld erhalten Eltern als Entschädigung für Verdienstausfall im Lockdown.
  • Im Zeitraum vom 16. Dezember bis 10. Januar werden Schulen und Kitas grundsätzlich geschlossen, oder die Präsenzpflicht wird bei Schulen wird ausgesetzt. Eine Notfallbetreuung soll sichergestellt werden. In einigen Bundesländern gelten solche Regeln bereits ab Montag.
  • Für Abschlussklassen können gesonderte Regelungen erlassen werden. Dies liegt aber in der Hoheit der Bundesländer – Bayerns Regierungschef Söder kündigte an, die Schulen für alle Jahrgangsstufen zu schließen
  • Arbeitgeber werden aufgerufen, Betriebsferien auszurufen oder Homeoffice zu ermöglichen, damit die Menschen bundesweit grundsätzlich zu Hause bleiben können.
  • Für Eltern sollen zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub nehmen zu können

Interaktiv:Corona-Monitor – Die Zahlen aus Deutschland und der Welt

Corona-Regeln für Weihnachten: Diese Ausnahmen gelten

  • Für die Weihnachtstage vom 24. bis 26. Dezember sollen Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Menschen möglich sein. Allerdings soll dies auf den engsten Familienkreis beschränkt sein: Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sowie Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Geschwisterkinder und deren jeweilige Haushaltsangehörige
  • An die Bürger wird noch einmal eindringlich appelliert, vor den Familientreffen eine „Schutzwoche“ einzuhalten, also, ihre Kontakt fünf bis sieben Tage zuvor auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Lesen Sie hier: Diese Corona-Regeln gelten an Weihnachten und Silvester
Merkel kündigte angesichts der Corona-Lage einen schnellen und harten Lockdown an.
Merkel kündigte angesichts der Corona-Lage einen schnellen und harten Lockdown an. © AFP | ODD ANDERSEN

Silvester: Verkauf von Feuerwerk wird verboten

Anders als ursprünglich geplant, gibt es für Silvester und Neujahr keine Sonderregeln mehr, wie Merkel mitteilte. An Silvester und Neujahr gilt bundesweit ein An- und Versammlungsverbot. Interview:Regierungschef Günther fordert Verzicht auf Silvesterfeiern

Die Kommunen sollen festlegen, wo das Zünden von Feuerwerk verboten ist. De facto soll das Böllern allerdings generell unterbunden werden, indem der Verkauf von Pyrotechnik vor Silvester verboten wird. Wo dies doch verfügbar sein sollte, wird vom Zünden von Feuerwerk dringend abgeraten. Lesen Sie hier: Silvester: Verkauf von Feuerwerk im Lockdown verboten

Einzelhandel: Diese Geschäfte bleiben offen

Generell wird der Einzelhandel vom Mittwoch bis zum 10. Januar geschlossen. Ausnahmen gelten für:

  • Lebensmittelmärkte
  • Abhol- und Lieferdienste auch der Gastronomie
  • Apotheken
  • Drogerien
  • Optiker
  • Tankstellen
  • Autowerkstätten
  • Banken
  • Post
  • Reinigungen
  • Tierbedarfsläden
  • Weihnachtsbaumhändler

Der Verkauf von Produkten abseits von Lebensmitteln in Supermärkten kann eingeschränkt werden. Friseure, Kosmetikstudios und ähnliche Betriebe bleiben geschlossen, sofern sie nicht medizinisch notwendige Behandlungen vornehmen. Andere Dienstleistungsbetriebe im „Bereich der Körperpflege“, darunter Massagesalons und Tattoo-Studios, bleiben ebenfalls geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen wie Physiotherapien bleiben aber weiter möglich.

Alkoholverbot: Glühweinstände werden verboten

Im öffentlichen Raum wird ein Alkoholverbot ab dem 16. Dezember verhängt. Bei Verstößen droht ein Bußgeld. Damit sollen vor allem die vorweihnachtlichen Glühweinansammlungen eingedämmt werden.

Lesen Sie auch:Deutschland in der Krise: Wie lang wird der Winter-Lockdown?

Gottesdienste: Mindestabstand, Maskenpflicht und Gesangsverbot

Gottesdienste bleiben weiter möglich, aber unter strengen Auflagen: Mindestabstand von anderthalb Metern, Maskenpflicht, Gesangsverbot. Wenn hohe Besucherzahlen zu erwarten sind, müssen die Gemeinden ein Anmeldesystem einführen. Zudem soll es Gespräche mit Kirchenvertretern geben, wie das Infektionsrisiko noch weiter miniminiert werden kann.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat bereits Verständnis für strengere Kontaktregelungen über die Weihnachtsfeiertage geäußert. „Wenn der harte Lockdown notwendig ist, um Menschenleben zu schützen und die Ausbreitung des Virus zu begrenzen, dann glaube ich, kommen wir an dem harten Lockdown nicht vorbei“, sagte Bedford-Strohm dem ARD-Magazin „Kontraste“.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. © Getty Images | Pool

Alten- und Pflegeheime: Test von Pflegepersonal

In den besonders vom Coronavirus betroffenen Alten- und Pflegeheimen werden nun Pflichttests für Mitarbeiter eingeführt. „Mehrmals pro Woche“ sollten die Tests stattfinden, sagte Merkel. Söder sagte, es solle „mindestens“ zweimal die Woche getestet werden.

Reisen: Auf Reisen soll verzichtet werden

Auf Reisen soll nach Möglichkeit verzichtet werden. Wer aus einem ausländischen Risikogebiet zurückkehrt, soll eine digitale Einreiseanmeldung ausfüllen und sich zehn Tage in Quarantäne begeben müssen – außer, er kann nach fünf Tagen einen negativen Test vorweisen.

Lesen Sie hier:Sind Reisen in andere Bundesländer an Weihnachten verboten?

Schülerinnen und Schüler hatten bislang meistens noch Präsenzunterricht – angesichts der steigenden Infektionszahlen wird sich das bis zum 10. Januar ändern.
Schülerinnen und Schüler hatten bislang meistens noch Präsenzunterricht – angesichts der steigenden Infektionszahlen wird sich das bis zum 10. Januar ändern. © dpa | Matthias Balk

Reaktionen auf Corona-Gipfel: Städtetag begrüßt Bund-Länder-Beschluss

Der Deutsche Städtetag begrüßt die Beschlüsse von Bund und Ländern zu einer deutlichen Verschärfung der Corona-Maßnahmen: „Der harte Lockdown ist schmerzhaft, aber die Städte unterstützen ihn“, sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung unserer Redaktion. „Unser Land muss die Pandemie wieder in den Griff bekommen, bevor es zu spät ist und das Infektionsgeschehen völlig aus dem Ruder läuft“, mahnte der Leipziger Oberbürgermeister.

Lesen Sie auch:Drosten über Lockdown: „Müssen jetzt unbedingt etwas tun“

Jung appellierte dringend an die Bevölkerung, sich an die neuen Regeln zu halten: „Jede und jeder einzelne muss in nächster Zeit wieder mithelfen, dass die Infektionszahlen deutlich sinken.“ Die Kontaktbeschränkungen an Weihnachten und rund um den Jahreswechsel fielen schwer, das abrupte Ende der Weihnachtseinkäufe sei bitter, auch für das Leben in den Innenstädten.

Lesen Sie hier: Weihnachten im Hotel: Diese Bundesländer erlauben es

Solche Maßnahmen seien aber wirksam, wie die Erfahrungen aus dem Frühjahr zeigten: „Wenn wir jetzt ganz stark Kontakte vermeiden und sich in den nächsten Wochen die Lage nachhaltig bessert, werden wieder Lockerungen möglich werden.“

Neues Bund-Länder-Treffen: Das gilt bei Ausgangssperren

Ausgangssperren existieren derzeit nur in einzelnen Landkreisen in Deutschland. Folgendes ändert sich aber ab kommender Woche:

Angesichts der drastisch gestiegenen Corona-Zahlen hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) strikte nächtliche Ausgangsbeschränkungen für den ganzen Freistaat angekündigt. Bislang habe man eine Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr in Hotspots mit einer Inzidenz von über 200 umgesetzt – da das Land nun aber insgesamt über diesem Wert liege, werde man das jetzt „für ganz Bayern machen“, sagte Söder am Sonntag nach telefonischen Beratungen von Bund und Ländern in Berlin. Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist dann nur noch aus ganz wenigen triftigen Gründen erlaubt.

Baden-Württemberg will zu Anfang nächster Woche eine nächtliche Ausgangssperre sowie tagsüber Ausgangsbeschränkungen einführen. Wer das Haus tagsüber verlässt, soll das nur noch mit einem triftigen Grund tun, etwa für die Arbeit.

Lesen Sie hier:In diesen Städten und Kreisen gelten Ausgangsbeschränkungen

Sachsen plant derzeit wohl eine Ausgangssperre zwischen 22 und 6 Uhr. Die Ausgangssperre soll ab kommendem Montag bis zum 10. Januar 2021 gelten. Ausnahmen soll es für Weihnachten und Silvester geben. Einige Länder sprachen sich aber auch explizit gegen eine Ausgangssperre aus.

(mir/tb/bml/dpa/afp)