Washington. Nach Trumps Abwahl kommen etliche Gerichtsprozesse auf den Präsidenten zu. Möglich ist, dass er vorher zurücktritt und begnadigt wird.

Für Donald Trump war es die letzte tierische Erfahrung seiner Amtszeit. Vor dem Großfeiertag „Thanksgiving“ folgte der scheidende US-Präsident einem wohligen Ritual. Er bewahrte vor dem Weißen Haus zwei Truthähne, die Lieblingsspeise der Amerikaner am Erntedank-Fest, vor dem Backofen. Die von George H. W. Bush 1989 etablierte Begnadigung des Federviehs, das am Donnerstag millionenfach samt Preiselbeer-Sauce auf die Teller kommt, hatte diesmal eine besondere Note.

Auf Trump rollt nach der Machtübernahme durch Joe Biden Mitte Januar möglicherweise eine beispiellose Prozess-Lawine zu, die im Falle einer Verurteilung im schlimmsten Fall mit Gefängnisstrafen enden könnte. Die Vorwürfe reichen von Vergewaltigung, Vorteilsnahme im Amt, Justizbehinderung bis Steuerbetrug und Verstoß gegen Bestimmungen der Wahlkampffinanzierung.

Darum rückt ein Twitter-Beitrag des Noch-Präsidenten aus 2018 wieder ins Bewusstsein: „Ich habe das absolute Recht, mich selbst zu begnadigen“, hatte der laut der Zeitung „USA Today“ zeitlebens in rund 4000 Gerichtsverfahren verwickelt gewesene Unternehmer damals gesagt. Der Einschätzung widersprachen seither etliche Experten.

Ein solcher Akt wäre einmalig, käme einem Schuldeingeständnis gleich und würde vor dem Obersten Gerichtshof mutmaßlich keinen Bestand haben, sagte der Verfassungsrechtler Lawrence Tribe.

Donald Trump: Tritt der Noch-Präsident kurz vor Bidens Amtseinführung zurück?

Wahrscheinlicher sei, dass Trump kurz vor Bidens Amtseinführung zurücktritt. Vizepräsident Mike Pence würde in diesem Szenario die Geschäfte übernehmen und könnte Donald Trump offiziell begnadigen. So hatte es 1974 Präsident Gerald Ford nach dem Watergate-Skandal mit seinem Vorgänger Richard Nixon gemacht.

 Donald Trump, amtierender Präsident der USA, und US-Vizepräsident Mike Pence.
Donald Trump, amtierender Präsident der USA, und US-Vizepräsident Mike Pence. © dpa | Susan Walsh

Die Sache hat einen Haken. Eine präsidiales „Pardon“ würde Trump nur begrenzten Schutz vor Strafverfolgung bieten. Die amtierenden Präsidenten traditionell gewährte Immunität erstreckt sich allein auf Vergehen, die der Bund verfolgen kann. Hieße konkret: Im Fall einer Begnadigung könnte das Justizministerium Trump zum Beispiel nicht mehr wegen des Vorwurfs der Justizbehinderung und Falschaussage im Rahmen der Russland-Affäre belangen.

Der damalige Sonder-Ermittler und Ex-FBI-Chef Robert Mueller hatte in seinem Abschlussbericht zehn Fälle aufgelistet, die einen Prozess gegen Trump nach Ende seiner Amtszeit rechtfertigen würden. Darunter: die Entlassung von James Comey . Der FBI-Direktor hatte sich geweigert, Trump bedingungslose Gefolgschaft zu leisten.

Weil der künftige Präsident Joe Biden mehrfach betont hat, juristisches Nachkarten gegen Trump habe für ihn auch im Lichte der tiefen Polarisierung im Land und drängenderer Probleme keine Priorität und sei allein seinem künftigen Justizminister vorbehalten, muss Trump in diesem Punkt vorläufig wenig befürchten.

Wird Trump ein Verstoß gegen Gesetze zur Wahlkampf-Finanzierung zum Verhängnis?

Mehr Ungemach droht ihm dagegen von leitenden Staatsanwälten wie Cyrus Vance und Letitia James im Bundesstaat New York. Vance hatte zuletzt Hollywood-Mogul Harvey Weinstein wegen Vergewaltigungsvorwürfen ins Gefängnis gebracht. Beide Juristen verfolgen mehrere Ermittlungsansätze. Trumps Ex-Privat-Anwalt Michael Cohen hatte der Porno-Darstellerin Stormy Daniels ausweislich von Gerichtsunterlagen nach Absprache mit Trump 130.000 Dollar gezahlt.

Sie sollte über eine Sex-Affäre mit Trump, die dieser bis heute bestreitet, schweigen. Die Zahlung von sogenanntem „hush money“ könnte laut Juristen als Verstoß gegen die Gesetze zur Wahlkampf-Finanzierung gewertet werden. Cohen wurde 2018 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte ein umfassendes Schuldeingeständnis abgelegt und dabei Trump belastet.

Donald Trump versucht, das Wahlmännergremium zu beeinflussen

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    Laut der „New York Times“ besteht der Verdacht, dass der Trump-Konzern über Jahre unzutreffende Angaben über seine Eigentumsverhältnisse gemacht hat, um sich günstige Kredite und Steuervorteile zu verschaffen. Trumps Sohn Eric , formal mit seinem Bruder Donald Jr. an der Spitze des Unternehmens, sagte dazu kürzlich unter Eid aus. Details? Unbekannt.

    Eric Trump, Sohn von US-Präsident Trump, spricht während des Parteitages der Republikaner.
    Eric Trump, Sohn von US-Präsident Trump, spricht während des Parteitages der Republikaner. © dpa | Andrew Harnik

    Nach erfolgloser Intervention beim Obersten Gerichtshof konnte Trump nicht verhindern, dass seine Steuererklärungen und Bilanz-Unterlagen in die Hände der Justiz gelangen. Ihr wirft Trump politisch motivierte Vergeltung vor. Vance und James, die führenden Köpfe der Staatsanwaltschaft in New York, sind Demokraten.

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    Trump bestreitet die Vorwürfe, sieht sich als Opfer einer „Hexenjagd“ und bezeichnete sich bei einer Wahlkampfveranstaltung als den „vielleicht unschuldigsten Mann in der Geschichte der Vereinigten Staaten“.