Berlin. Das neue Infektionsschutzgesetz wurde verabschiedet. Worum es darin geht, was die Kritiker sagen und was Sie sonst noch wissen müssen.

Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz , das Bundestag und Bundesrat am Mittwoch, den 18. November, verabschiedet haben, sollen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung eine solidere gesetzliche Grundlage bekommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnete das neue Gesetz noch am Abend des gleichen Tages, nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt tritt es in Kraft.

Bei Protesten mehrerer Tausend Teilnehmer gegen die Gesetzesänderung und die staatliche Corona-Politik in der Nähe des Bundestages kam es parallel zur Debatte im Parlament zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und auch zum Einsatz von Wasserwerfern. Die Polizei sprach zudem von mehr als 100 Festnahmen.

Widerstand gegen das Gesetz gab es aber auch im Parlament. Während Vertreter von Union und SPD die Reform verteidigten, kritisierten die Oppositionsparteien Fehler im Gesetz. Die AfD scheiterte mit dem Versuch, die Reform ganz zu verschieben. Lesen Sie hier: Infektionsschutzgesetz: Warum es die Regierung eilig hat

Demonstrationen mit Wasserwerfern, scharf geführte Debatte im Bundestag - warum der Streit?

Beim Corona-Krisenmanagement geben die Regierungen von Bund und Ländern den Takt an, auch bei massiven Beschränkungen für Millionen Bürger und Firmen wie gerade im Teil-Lockdown seit Anfang November. Künftig sollen dafür präzisere Vorgaben und eine festere Rechtsgrundlage gelten – und zwar so, wie sie das Parlament absteckt.

Dies sollen Änderungen im Infektionsschutzgesetz regeln, die Teil eines „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ sind. Es umfasst daneben praktische Regelungen.

Festnahmen und Wasserwerfer- Corona-Protest im Regierungsviertel

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    Warum wird das Infektionsschutzgesetz überhaupt geändert?

    Bisher stützen sich die Länder auf generelle Klauseln des Bundesinfektionsschutzgesetzes, auch wenn es um Grundrechtseingriffe geht. Nun sollen präzisere Vorgaben dafür in einem neuen Paragrafen 28a eingefügt werden. Der listet bekannte mögliche Maßnahmen - von Maskenpflicht über Kontaktbeschränkungen bis zu Ladenschließungen - einzeln auf und schafft dafür eine Gesetzesbasis.

    Genauer definiert wird auch eine zentrale Voraussetzung für bestimmte Krisenmaßnahmen: Dass der Bundestag - wie im Frühjahr geschehen - eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ feststellt. Diese liege bei „einer ernsthaften Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik“ vor. Und die soll gegeben sein, wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Notlage ausruft oder „eine dynamische Ausbreitung“ einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Bundesländer droht oder stattfindet.

    Welche zentralen Rahmen-Vorgaben sollen künftig gelten?

    Das Gesetz soll „Leitplanken“ für Maßnahmen der zuständigen Länder schaffen, wie die große Koalition erläutert. Konkret soll für Verordnungen unter anderem eine Pflicht zur öffentlichen Begründung kommen. Und eine Pflicht, sie grundsätzlich auf vier Wochen zu befristen. Die Dauer soll aber zu verlängern sein.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht mit Jens Spahn (CDU) vor der Verabschiedung der Änderung des Infektionsschutzgesetzes.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht mit Jens Spahn (CDU) vor der Verabschiedung der Änderung des Infektionsschutzgesetzes. © dpa | Michael Kappeler

    Bei religiösen Zusammenkünften und Demonstrationen - die besonderen Grundrechtsschutz genießen - sind Hürden noch höher: Maßnahmen sollen nur zulässig sein, „soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen“ die Corona-Eindämmung „erheblich gefährdet wäre“.

    Was wird zu Schutzmaßnahmen festgeschrieben?

    Erstmals enthält das Gesetz einen Katalog möglicher Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie . Aufgelistet werden etwa Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum, Abstandsgebote, die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sowie Beschränkungen für den Kultur- und Freizeitbereich, die Schließung von Schulen und Kitas sowie die Erteilung von Auflagen für Bildungseinrichtungen.

    Das regelt das Infektionsschutzgesetz im Pandemie-Fall

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      Genannt sind in dem neuen Paragrafen 28a außerdem Beschränkungen für Übernachtungsangebote , die Schließung von Einzel- oder Großhandel sowie von Gastronomiebetrieben, Absagen und Auflagen für Veranstaltungen, Versammlungen und religiösen Zusammenkünfte. Zudem werden in dem Gesetz das Verkaufs- und Konsumverbot für Alkohol auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder zu bestimmten Zeiten genannt, ebenso die Anordnung von Reisebeschränkungen .

      Endet der vielfach kritisierte Flickenteppich bei Corona-Maßnahmen?

      Auch künftig wird es unterschiedliche Verordnungen auf Länderebene geben. Allerdings erwartet die Koalition eine größere Einheitlichkeit zumindest bei den Kriterien für angeordnete Maßnahmen. Ausdrücklich genannt wird im Gesetz als Schwellenwert für Schutzmaßnahmen die Zahl von 35 beziehungsweise 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Mehr zum Thema: Corona-Kleinstaaterei in Deutschland kann gefährlich werden

      Ist massive Kritik - Stichwort: „Ermächtigungsgesetz“ - haltbar?

      Nein. Mit dieser Bezeichnung verbindet man das Gesetz, mit dem sich das deutsche Parlament als demokratische Institution im März 1933 selbst abgeschafft hat. Die NS-Regierung erhielt durch das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ das Recht, ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat sowie ohne Gegenzeichnung durch den Reichspräsidenten Gesetze zu erlassen. Die Gewaltenteilung , Grundlage jedes Rechtsstaats, war komplett aufgehoben.

      Von einem dauerhaften Außerkraftsetzen grundlegender demokratischer Prinzipien kann heute keine Rede sein - auch wenn die Regierung in der Corona-Krise weitgehendere Kompetenzen erhalten hat, Verordnungen ohne sonst übliche Beteiligung des Bundesrats zu erlassen.

      Was wird für die im kommenden Jahr erwarteten Impfungen und für die Tests festgelegt?

      Geregelt wird die geplante Priorisierung von Impfungen , also ein vorrangiger Anspruch von Menschen aus Risikogruppen und Beschäftigten im Gesundheitswesen und anderen als besonders wichtig eingestuften Bereichen. Auf längere Sicht sollen Impfungen allen offenstehen, unabhängig von einer Krankenversicherung.

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      An den Kosten werden auch die privaten Krankenversicherungen beteiligt. Impfzentre n sollen nach dem Willen der Bundesregierung bundesweit bis zum 15. Dezember einsatzbereit sein. Um mehr Corona-Tests machen zu können, sollen künftig bei Bedarf auch Kapazitäten veterinär- und zahnmedizinischer Labore in Anspruch genommen werden können. Besonders gefährdete Menschen können zudem einen Anspruch auf bestimmte Schutzmasken erhalten. Lesen Sie hier: Corona-Impfstoff von Moderna – Lagerung soll leicht sein

      Was wird für Urlaubs-Rückkehrer aus Risikogebieten geregelt?

      Sie erhalten anders als bisher keinen Verdienstausfall, wenn sie nach der Rückkehr in Quarantäne müssen. Das Gesetz regelt zudem die digitale Einreiseanmeldung und die Pflicht, den Aufenthaltsort in den zehn Tagen vor und nach der Rückkehr anzugeben. Mehr zum Thema Urlaub 2021: Jetzt schon buchen oder besser noch abwarten?

      Voraussetzung für diese wie auch für andere Vorgaben ist, dass der Bundestag eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ beschlossen hat - was derzeit der Fall ist. Dafür werden Kriterien anhand von Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) präzisiert.

      Was ist noch vorgesehen?

      Fortgeführt wird die Regelung, dass Eltern einen Verdienstausfall erhalten, wenn ihr Kind in Quarantäne muss. Neu festgelegt werden Kriterien für Ausgleichsansprüche von Krankenhäusern, die Betten für Corona-Kranke freihalten.

      (dpa/afp/mb)