Berlin. Wie kann eine aufgeklärte Frau Trump wählen? Unsere Kolumnistin ist an der US-Gesellschaft verzweifelt. Dieses Wochenende versöhnt sie.

Ein Lauf am fortgeschrittenen Vormittag durch den Stadtpark kann ganz schön politisch sein. Es ist die Zeit, in der in einer Großstadt Rentner ihre Hunde ausführen und ältere Damen mit flottem Schritt etwas für ihre Fitness tun. An einer Kreuzung mit Trauerweide bleiben sie stehen.

Es ist Tag zwei nach der großen Wahl und ich versuche an der angrenzenden Wiese, die Spuren einer langen Nacht und einem darauffolgenden langen Tag in der Redaktion mit Dehnungsübungen in den Griff zu bekommen. Mit gestrecktem Bein ergreife ich meine rechte Fußspitze und blicke an der Schulter vorbei nach hinten auf eine Gruppe von zwei Hundehaltern und zwei wild gestikulierenden Laufdamen.

Kolumnistin Birgitta Stauber schreibt über ihre Erleichterung nach der Abwahl Donald Trumps.
Kolumnistin Birgitta Stauber schreibt über ihre Erleichterung nach der Abwahl Donald Trumps. © Reto Klar | Reto Klar

Ich höre das Wort „Trump“ und schleiche mich armkreisend in ihre Richtung, um Diskussionsfetzen mitzubekommen. „Ich war die ganze Nacht wach“, sagt Dame eins, grauer Kurzhaarschnitt, Funktionsjacke, sehr dünn. CNN, höre ich dann. Ich schleiche mich noch weiter ran und mache mit Kniebeugen weiter. „Ich bete zu Gott, dass der Kerl wegkommt“, sagt Dame zwei und streicht sich durch ihren zotteligen roten Schopf.

Was Trump von Frauen denkt? „Grab them by the pussy“

Hundehalter eins, Jeans, Pulli mit weißem Kragen und Lederschuhen, winkt ab. „Der Kerl gehört in den Knast“. Hundehalter zwei schweigt. Laufdame eins sagt, sie verstehe vor allem nicht, dass so viele Frauen an Trump festhalten. „Grab them by the pussy“, schreit sie, „dass denkt er von Frauen“.

Sie zitiert den zutiefst frauenverachtenden wie vulgären Satz, den Trump einst einem Reporter zugerufen hatte. Dokumentiert ist das mit einem Video. Verharmlosend übersetzt ruft er tatsächlich dazu auf, Frauen zwischen die Beine zu greifen. Was er von Frauen denkt, krönt er mit den Worten: You can do anything. Du kannst alles tun.

Ich bin beeindruckt, dass die Kurzhaarige sich so gut auskennt. Sie sieht ein wenig aus wie eine gealterte Feministin. Aber man muss keine ausgeprägte Frauenrechtlerin sein, um beim Gedanken an Donald Trump, den noch amtierenden Präsidenten der größten Weltmacht, ein Gefühl des Ekels zu bekommen.

Was Trump-Wählerinnen denken: Hauptsache, mir geht es gut

Ich laufe weiter und denke an die ersten Wahlanalysen, wonach jede zweite Amerikanerin mit Universitätsabschluss angeblich Donald Trump gewählt hat. Ich erinnere mich an eine Reportage meines Kollegen, der kurz vor der Wahl eine Frau aus Pennsylvania zitierte: „Ich hatte die besten dreieinhalb Jahre meines Lebens“. Warum solle sie dann jemand anderes wählen als Trump?

Sie hätte auch sagen können: Wenn es mir gut geht, warum sollte ich mich dann um andere kümmern? Darum, dass eine Trump-Regierung etwa radikalen Abtreibungsgegnern Tor und Tür öffnet? Das Leben von Schwarzen gefährdet? Auf den Klimaschutz sch… Und vor allem die Demokratie aufs Spiel setzt selbst auf die Gefahr hin, dass es zu einem Bürgerkrieg kommen kann?

Mein Job, mein Haus, mein Pickup – das das die US-Gesellschaft sein?

Noch kurz nach der Wahl sah es so aus, als ob die amerikanische Gesellschaft geprägt wird von einem derartig rücksichtslosen Blickwinkel, der lautet: Mein Job, mein Haus, mein Diesel-Pickup, meine heile weiße Familie, meine Kinder, die eine gute Schulbildung bekommen: Wenn das bei mir stimmt, dann stimmt es auch mit diesem Präsidenten.

Zaun am Weißen Haus: Protestposter gegen Donald Trump zeigen die Abscheu vor dem abgewählten Präsidenten.
Zaun am Weißen Haus: Protestposter gegen Donald Trump zeigen die Abscheu vor dem abgewählten Präsidenten. © AFP | BRENDAN SMIALOWSKI

Ich laufe nach Hause und stecke mir dabei die Kopfhörer meines Smartphones ins Ohr, um die neuesten Nachrichten mitzubekommen. Trumps Vorsprung schwindet immer mehr. Biden könnte es schaffen, höre ich. Es ist die Wende bei den Auszählungen. Die Wende, die zeigt, dass die Demokratie funktioniert. Dass sie ein Donald Trump nicht kaputt machen kann. Dass die amerikanische Gesellschaft unseren Respekt verdient. Ich liebe Amerika. Mehr denn je.

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