Washington. In den Vorwahlen hatten ihn viele schon abgeschrieben – jetzt ist Joe Biden der gewählte Präsident der USA. Was Trump den Hals brach.

Oldie but Goldie! In einem Land, das chronisch der Jugendlichkeit huldigt, wird ein bald 78-Jähriger, der seit fast 50 Jahren auf der politischen Bühne ist, Präsident.

Nach tagelangem Auszählungsmarathon schaffte Joe Biden am Samstag pünktlich zur „Lunch Time” die nötigen 270 Stimmen im Wahlmänner-Gremium, das ihn am 14. Dezember offiziell ins Amt bringen soll.

Joe Biden tritt die Nachfolge von Donald Trump an, dem ersten Commander-in-Chief seit 30 Jahren, seit George H. Walker Bush und Jimmy Carter, dem eine zweite Amtszeit verwehrt bleibt.

Joe Bidens Wahl ist ein Schock für seine Gegner

Für Bidens Gegner ein Schock, der noch in Jahren zu spüren sein wird. Für Bidens Anhänger und Freunde ein Moment größter Erleichterung und Genugtuung.

Verwundert werden sich viele die Augen reiben und an die ersten Wochen der Vorwahlen im Februar zurückdenken, als der Menschenfänger aus Wilmington unter ferner liefen abschnitt, kraftlos wirkte und bereits so gut wie abgeschrieben war.

Seine Wiederauferstehung, betrieben von schwarzen Wählern in South Carolina, bildete den Auftakt zu einer beispiellosen Siegesserie. Getragen von stabilen Umfragevorsprüngen, widerstand der Alt-Vizepräsident allen Attacken der Gegenseite auf seine Person und seine Biographie. Rückblick: Spektakuläres Comeback: Joe Biden triumphiert bei Vorwahlen

Ein ermattetes Land hofft mehrheitlich, dass jemand Trumps Zirkus verjagt

US-Korrespondent Dirk Hautkapp kommentiert.
US-Korrespondent Dirk Hautkapp kommentiert. © Privat | Privat

Schon bald spürten viele Amerikaner, dass das Schlachtross, obwohl in die Jahre gekommen, verlässlich, berechenbar und vor allem emphatisch ist. Und damit vielleicht das beste Anti-Serum zur Giftspritze im Weißen Haus sein würde.

Bidens größtes Versprechen – Mit mir kehrt Ruhe und Besonnenheit ein! – entwickelte besonders in den vergangen drei Monaten hohe Anziehungskraft. Ein ermattetes Land hoffte mehrheitlich darauf, dass irgendwer den Trumpschen Polit-Zirkus aus der Stadt jagt.

Biden schaffte es, durch beharrliche Wiederholung seiner Fundamentalkritik, die Wahl zu einer Abstimmung über Trump zu machen. Seine eigenen Ideen und Konzepte für die Zukunft ordneten sich einem Befund unter, der vor aller Augen liegt: Trumps von Beginn an eingeschränktes Führungsvermögen gepaart mit einer kaltherzigen Rücksichtslosigkeit, die im Sinne des Wortes über Leichen geht, hat in der Coronavirus-Pandemie Hunderttausende von Menschenleben gekostet und eine bis zum Ausbruch florierende Wirtschaft jäh abgewürgt.

Joe Bidens Wahl ist Amerikas erster Schritt zur Selbstreinigung

Mit der Wahl von Joe Biden hat Amerika den ersten Schritt zu einer überfälligen Selbstreinigung getan. Unzählige weitere müssen folgen. Lesen Sie hier: Der nächste Präsident: Wie Joe Biden regieren will

Denn mag das vierjährige Intermezzo mit dem schlechtesten und durchtriebensten Präsidenten, den Amerika je hatte, auch so gut wie vorbei sein – der Trumpismus bleibt. 70 Millionen Amerikaner wollten dem Möchtegern-Despoten eine Vertragsverlängerung geben. Trump hat mit seiner Anti-Eliten-Politik einen Nerv getroffen, der noch lange zucken wird.

Was Trump den Hals brach? Ein konventioneller, konservativ geprägter Präsident mit der gleichen Leistungsbilanz, die in einigen Bereichen bis zum Einbruch von Corona nicht durchgängig katastrophal war, wäre mit einiger Wahrscheinlichkeit geruhsam in Richtung Wiederwahl gesegelt.

Trumps überlebensgroßes Ego, seine Zank- und Rachsucht, sein Unfähigkeit, seine krankhafte Unehrlichkeit, seine unstillbare Lust am Chaosstiften hat am Ende ausreichend viele Amerikaner zu einem simplen Fazit veranlasst: Er kann es nicht. Er tut uns nicht gut. Er muss weg.