Tunis. Was macht der „Islamische Staat“? Im Grenzgebiet zwischen Syrien und Irak operieren die Dschihadisten des IS wieder nahezu ungehindert.

Gut ein Jahr ist es her, dass ein US-Spezialkommando Abu Bakr al-Baghdadi in seinem Versteck in der syrisch-türkischen Grenzregion aufspürte und erschoss. Mit dem Tod des selbst ernannten Kalifen schien die Terrormiliz „Islamischer Staat“ endgültig erledigt.

Ihr sogenannter Gottesstaat auf syrischem und irakischem Territorium lag in Trümmern, die meisten Anführer waren tot, abertausende Kämpfer saßen in kurdischen und irakischen Gefängnissen. Lesen Sie auch: Terroranschlag in Wien: Deutsche Frau unter den Todesopfern

IS-Konvois: Schwer bewaffnet in der Wüste

Doch die Erleichterung dauerte nicht lange. Inzwischen operieren die Dschihadisten in den unwirtlichen Wüstengebieten zwischen Syrien und Irak wieder nahezu ungehindert. Schwer bewaffnete IS-Konvois durchstreifen die Badiya-Wüste östlich von Homs und westlich von Dair as-Saur im Süden Syriens.

Erst vor zwei Monaten lieferten sich die Gotteskrieger eine einwöchige Schlacht mit der syrischen Armee, bei der 48 Soldaten starben, 50 werden seitdem vermisst. Nach Erkenntnissen westlicher Experten existieren in den dünn besiedelten Landstrichen mittlerweile hunderte, wenn nicht tausende Verstecke, alle ausgestattet mit Kommunikationstechnik, Sprit, Generatoren, Sprengstoffvorräten und Bombenwerkzeug. Lesen Sie auch: Syrien: 780 IS-Angehörige sollen ausgebrochen sein

Auch in den Städten konnte der IS seine lokalen Netzwerke reaktivieren, „die es ihm erlauben, zuzuschlagen, wann er will, zunehmend auch, wo er will, und mit größerer Gewalt“, erläuterte Nicholas Heras vom „Institute for the Study of War“.

• Kommentar: Der Kampf gegen den Islamismus kommt seit 9/11 kaum voran

IS-Miliz reklamiert Anschlag in Wien für sich

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    Finanzmittel in Höhe von 100 Millionen Dollar

    Die Zahl der aktiven IS-Krieger in Syrien und Irak schätzt der jüngste UN-Bericht für den Weltsicherheitsrates auf mindestens 10.000. Sie verfügen über Finanzmittel in Höhe von 100 Millionen Dollar und bewegen sich „in kleinen Zellen frei zwischen den beiden Ländern“.

    Gleichzeitig sitzen in den Kurdenregionen Syriens 12.000 männliche IS-Fanatiker in Haft, darunter 2500 Ausländer aus mehr als fünfzig Nationen. Kaum ein Land will diese gefährlichen Gotteskrieger zurückhaben. Und so begannen die Kurden kürzlich, die ersten 600 IS-Insassen freizulassen, von denen einige sofort wieder in den Weiten der Wüste abtauchten. Lesen Sie auch: Ausbürgerung von IS-Kämpfern: Das sind die Kriterien

    IS-Terrorkommandos unverändert aktiv

    Aber auch in anderen Teilen der Welt sind IS-Terrorkommandos unverändert aktiv. In Kabul starben am Montag bei einem Angriff auf die Universität 22 Studenten. Zwei Wochen zuvor riss ein Selbstmordattentäter dort in einem Schulzentrum 24 Lehrer und Kinder mit in den Tod.

    In Mosambik gelang es der Terrormiliz sogar mit Mocimboa da Praia einen ganzen Hafen in ihre Gewalt zu bringen. Im Nordsinai von Ägypten kommt es fast täglich zu Angriffen auf Zivilbevölkerung, Polizisten und Soldaten.

    Und auch der getötete Attentäter von Wien, dessen Eltern aus Nordmazedonien stammen, stand mit dem IS in Verbindung. Die Terormiliz reklamierte den Anschlag für sich.

    Kontakt zu Al-Kaida-Extremisten

    Dagegen hatte der 18-jährige Tschetschene, der letzte Woche in der Nähe von Paris dem Lehrer Samuel Paty auflauerte und mit einem Schlachtermesser den Kopf abschnitt, nach Medienberichten Kontakt zu Al-Kaida-Extremisten in der nordsyrischen Enklave Idlib. Lesen Sie auch: Friedensforscher warnt vor „Wiederaufflammen des IS“

    Deren Zahl wird auf 8000 bis 10000 geschätzt, was Idlib nach den Worten des früheren UN-Syrien-Vermittlers Staffan de Mistura zum „Ort mit der höchsten Konzentration von Al-Kaida auf dem Globus“ macht.

    IS und Al-Kaida konkurrieren im Maghreb

    Am anderen Ende der arabischen Welt, in den Maghrebstaaten Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen, konkurrieren beide Terrororganisationen IS und Al-Kaida miteinander. In Westafrika schätzen UN-Experten die Zahl der IS-Anhänger mittlerweile auf 3500.

    Die gesamte Sahelzone sei eine „tickende Zeitbombe”, sagte der marokkanische Polizeichef Abdelhak Khiame, nachdem seine Beamten in Tanger und Rabat eine Terrorzelle ausheben konnten.

    Von IS-Hintermännern gesteuert

    Auch der tunesische Attentäter von Nizza, der in der Kathedrale drei Menschen mit dem Messer ermordete, soll von IS-Hintermännern gesteuert worden sein.

    Für das kommende Wochenende sagte sich daher der französische Innenminister Gerald Darmanin in Tunis an. Er will darauf pochen, dass der Mittelmeeranrainer endlich seine 231 Landsleute zurücknimmt, die in Frankreich als Terrorverdächtige registriert sind.