Berlin. Das Haus in Berlin-Friedrichshain ist seit 30 Jahren besetzt, am Freitag wurde es geräumt. Der angekündigte Kampf blieb vorerst aus.

Das Haus in der Liebigstraße 34 in Berlin-Friedrichshain galt als eine Hochburg der linksradikalen Szene. Gut 30 Jahre lang war es besetzt – bis zu diesem Freitag. Pünktlich um 7 Uhr klopfte der Gerichtsvollzieher an die Tür des vollständig verbarrikadierten Gebäudes. Eine Antwort blieb erwartungsgemäß aus, die Polizei begann mit der Räumung – auch mit der Hoffnung, dass der von der Szene angekündigte Kampf ausbleibt.

Balken, Beton, Metall: Besetzer verbarrikadieren „Liebig 34“

Beim Eindringen in die „Liebig 34“ stieß die Polizei, die mit 1500 teils angereisten Beamten im Einsatz war, auf eine Vielzahl von Hindernissen. Türen und Fenster mussten am Freitagmorgen mit Werkzeugen aufgebrochen werden, wie ein Polizeisprecher vor Ort sagte. Metall sei aufgeflext, ausgelegte Balken seien weggeräumt worden. Auch Mauerreste und Beton seien aufgetürmt worden.

Die Einsatzkräfte verschafften sich letztlich mit Brecheisen und Kettensäge Zutritt zum Gebäude. Parallel dazu drangen Beamte auf einem Gerüst und mit Trennschleifern über ein Fenster im ersten Stock in das Innere vor.

Die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz.
Die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz. © AFP | ODD ANDERSEN

„Liebig 34“: Kaum Widerstand von den Bewohnern

Kurz darauf geleiteten Einsatzkräfte bereits die ersten Besetzer über eine Leiter hinaus. Um 11.30 Uhr erklärte die Polizei das Gebäude für gesichert. Es seien „57 Personen im Haus angetroffen und herausgeführt“ worden. Nur wenige hätten sich der Maßnahme widersetzt, teilte die Polizei mit. Die Personen seien überprüft, aber nicht festgenommen worden. Ob Ermittlungen, etwa wegen Hausfriedensbruchs, eingeleitet werden, war noch unklar.

Polizisten bringen bei der Räumung eine Bewohnerin über eine Treppe durch ein Fenster.
Polizisten bringen bei der Räumung eine Bewohnerin über eine Treppe durch ein Fenster. © dpa | Christophe Gateau

Die Räumung wurde vom Protest von rund 1500 Sympathisanten der Hausbewohner begleitet. Es kam zu teils heftigen Rangeleien zwischen Polizisten und Demonstranten. Es flogen Flaschen. Die Stimmung sei sehr emotional, sagte ein Sprecher. Der Protest verlaufe aber weitgehend störungsfrei.

Während der Räumung kommt es vereinzelt zu Rangeleien mit Demonstranten.
Während der Räumung kommt es vereinzelt zu Rangeleien mit Demonstranten. © AFP | Tobias Schwarz

„Liebig 34“ gilt auch als eines der letzten Symbolprojekte der linksradikalen Szene in der Hauptstadt. Zur Sicherheit der Einsatzkräfte befand sich auch eine Drohnenabwehr im Einsatz, mit der Drohnen hätten unschädlich gemacht werden können. Die Polizei leistet nach eigenen Angaben Amtshilfe bei der gerichtlich angeordneten Übergabe des Hauses.

Nach der erfolgreichen Räumung wurde das Objekt dem Gerichtsvollzieher übergeben. Die Polizei hat damit ihre Pflicht erfüllt – für die Sicherung des Hauses ist nun der Eigentümer verantwortlich. Demonstranten kündigten an, dass man es sich zurückholen wolle.

Rund 1500 Demonstranten versammelten sich in der Nähe von „Liebig 34“.
Rund 1500 Demonstranten versammelten sich in der Nähe von „Liebig 34“. © AFP | Tobias Schwarz

Schon Stunden vor Beginn der Räumung hatten sich Hunderte Menschen hinter Absperrungen vor dem Eckhaus versammelt. Sprechchöre wie „Häuser denen, die drin wohnen“ oder „Ganz Berlin hasst die Polizei“ wurden skandiert, begleitet von lautem Topf-Geklapper aus umliegenden Häusern.

Auf den Straßen rund um das besetzte Gebäude hat die Polizei die Lage im Griff.
Auf den Straßen rund um das besetzte Gebäude hat die Polizei die Lage im Griff. © AFP | Tobias Schwarz

Mehrere Brände im Berliner Stadtgebiet

An verschiedenen Stellen in der Stadt brannten laut Polizei in der Nacht bereits Autoreifen, Müllcontainer und ein Abfertigungsgebäude im S-Bahnhof Tiergarten, Straßensperren wurden errichtet. Dass ein Zusammenhang zu der Räumung besteht ist wahrscheinlich, jedoch nicht bestätigt. Die Polizei rechnet mit weiteren Protesten.

In der „Liebig 34“ war vor zwei Jahren ein zehnjähriger Gewerbemietvertrag für den Bewohner-Verein ausgelaufen, der sich selbst als „anarcha-queer-feministisch“ bezeichnet. Der Eigentümer setzte in einem langen Gerichtsstreit durch, dass die Bewohner das Haus verlassen müssen.

Mehr zum Thema: Wie die Polizei Extremisten mit einem Programm erkennen will (yah/dpa)