Berlin. Björn Höcke erklärte im MDR-Sommerinterview die Corona-Pandemie für beendet. So lief das Gespräch mit dem umstrittenen AfD-Politiker.

Immerhin kein plätschernder See: Zum Sommerinterview hat der öffentlich-rechtliche Sender MDR Björn Höcke ins Studio eingeladen. Vor dekorativen Pflanzen hinter Glas soll der Chef der Thüringer AfD Rede und Antwort stehen, als fünfter von sechs Interviewpartnern der Reihe.

Es ist ein Drahtseilakt, den der Sender da versucht: Ignorieren kann die öffentlich-rechtliche Anstalt die größte Oppositionspartei in Thüringen in einer Reihe von Sommerinterviews nicht, behandeln wie andere Politiker ist auch keine Option, wenn der Interview-Partner bis vor Kurzem Chef des rechten „Flügels“ der Partei war, den der Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft hat.

Die Schwester-Rundfunkanstalt RBB war zuletzt an einem Gespräch mit Andreas Kalbitz gescheitert, der kurz darauf wegen verschwiegenen Mitgliedschaften in rechtsextremen Organisationen aus der Partei geworfen worden war.

Höcke schließt Kandidatur für Bundestag nicht aus

Der MDR wollte es jetzt besser machen: Moderator Lars Sänger steigt am Mittwochvormittag freundlich ein, fragt nach Führungsämtern in Parteien und Verantwortung. Hintergrund ist Höckes vollmundige Ankündigung vor dem Parteitag im vergangenen Jahr, mehr in der Bundes-AfD mitreden zu wollen. Das wurde von vielen als Auftakt zu einer Kandidatur verstanden

Tatsächlich hat der Partei-Rechtsaußen nie für ein Amt auf Bundesebene kandidiert. Brauche er auch nicht, sagt Höcke, er habe so genug Einfluss in der Partei. Überhaupt sei er missverstanden worden: „Ich habe nicht gesagt, dass ich für den Bundesvorstand kandidiere.“ Dass viele innerhalb und außerhalb der Partei das so verstanden haben, dürfte ihm aber ganz recht gewesen sein. Bloß nicht festlegen. Auch was die Zukunft betrifft, bleibt Höcke vage: Ausschließen wolle er eine Bundestagskandidatur fürs nächste Jahr nicht.

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Nach dem kurzen Blick in die Zukunft folgt erst einmal ein Rückblick, in den Februar, als Höckes Fraktion FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten wählte und so eine schwere Krise in FDP und CDU auslöste. „Es ging uns darum, dass wir eine bürgerliche Alternative eventuell hätten durchsetzen können.“

Sänger geht dazwischen – weder FDP noch CDU hätten mit der AfD die Option zu einem bürgerlichen Bündnis gesehen. Das Nachhaken zeigt das Bemühen des Moderators, Höcke Worthülsen und Phrasen nicht durchgehen zu lassen. Trotzdem kommt Thüringens AfD-Chef ziemlich oft damit durch. Zwar sind die Ausgangsfragen oft konfrontativ, doch es folgen kaum kritische Nachfragen.

Höcke spielt Rolle des AfD-„Flügels“ herunter

So kann Höcke unwidersprochen behaupten, dass die Energiewende gegen „die Gesetze der Physik“ verstoße und in Frage stellen, ob der Klimawandel überhaupt menschengemacht ist. Auch die AfD-Lesart des Jahres 2015 kann Höcke problemlos mehrmals unterbringen, ohne auf nennenswerten Widerspruch oder Einordnung durch den Interviewer zu stoßen.

Und der „Flügel“, das parteiinterne Netzwerk, dem Höcke zusammen mit dem nun geschassten Kalbitz vorstand und dem der Verfassungsschutz attestiert, eine „erwiesen extremistische Bestrebung“ zu sein? Der inzwischen aufgelöste Flügel sei nicht mehr als eine „Vertrauens- und Gesinnungsgemeinschaft“ innerhalb der AfD gewesen, die sich einmal im Jahr zu einem großen Fest getroffen habe, weil das ja auch wichtig sei, mal zusammen zu feiern. „Viel mehr war es natürlich nicht.“ Es seien Freundschaften entstanden, die gebe es noch.

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Zu einer klaren – wenn auch bizarren – Position ringt sich Höcke durch, als es um die Pandemie geht: „Corona ist vorbei“, behauptet der AfD-Mann. Und dann erklärt der Gymnasiallehrer für Geschichte und Sport, dass das RKI sich irre und der aktuelle steile Anstieg der Zahlen lediglich zurückzuführen sei auf die gestiegene Anzahl durchgeführter Tests und falsche positive Testergebnisse.

Höcke ruft zu Großdemo gegen Corona-Einschränkungen auf

In sich schlüssig immerhin, dass jemand, der das behauptet, alle Gegenmaßnahmen gegen die Pandemie für überflüssig und auch für übergriffig hält. Höcke gehört – neben den Rechtsextremisten von NPD und der Kleinstpartei der 3. Weg – zu jenen, die dazu aufrufen, eine Anti-Infektionsschutz-Großdemonstration in Berlin am kommenden Samstag zu besuchen.

Sänger will wissen, ob das nicht problematisch sei, zur Demonstration Seite an Seite mit rechtsextremen Parteien aufzurufen? „Solange jeder sich an die Demonstrationsauflagen hält, kann man keinem den Zutritt verbieten“, sagt Höcke.

Zum Abschluss versucht Sänger, Höcke noch einmal in Bedrängnis zu bringen mit dem Vorwurf, Höcke habe unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ rechtsextreme Texte verpasst. Die These stammt vom Soziogen Andreas Kemper, auch der Verfassungsschutz hält sie für plausibel. Doch Höcke zieht sich darauf zurück, dazu bereits alles gesagt zu haben. „Ich kann Ihnen keine neuen Erkenntnisse vermitteln“, sagt Höcke. Ein passendes Schlusswort für dieses Gespräch.

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