Berlin/Beirut. Ammoniumnitrat war offenbar Auslöser der verheerenden Explosionen in Beirut. Wir erklären, was die Chemikalie so gefährlich macht.

Dutzende Tote, tausende Verletzte: Die verheerenden Explosionen in Beirut haben eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Suche nach der Ursache dauert an. Am Dienstag waren laut den libanesischen Behörden 2750 Tonnen Ammoniumnitrat in einem Lagerhaus detoniert, die dort seit sechs Jahren ohne Vorsichtsmaßnahmen untergebracht gewesen sein sollen. Wir klären die wichtigsten Fragen zum mutmaßlichen Auslöser der Detonationen in der libanesischen Hauptstadt.

Beirut: Wie kann Ammoniumnitrat explodieren?

Wie es zu den Explosionen kam, ist bislang noch unklar. Die Chemie-Expertin Jimmie Oxley von der Universität in Rhode Island erläutert, dass es unter normalen Lagerbedingungen und bei mäßigen Temperaturen nur schwer zu einer Entzündung von Ammoniumnitrat kommen kann.

Auf Videos der Explosionen in Beirut sei zunächst schwarzer, dann roter Rauch zu sehen. „Ich gehe davon aus, dass es eine kleine Explosion gab, die die Reaktion des Ammoniumnitrats auslöste – ob diese kleine Explosion ein Unfall war oder beabsichtigt, weiß ich nicht“, sagt Oxley.

In der Regel sind die Lagerungsbedingungen für die Chemikalie äußerst streng: So muss sie etwa von Brennstoffen und Wärmequellen ferngehalten werden. Zudem muss Ammoniumnitrat in zahlreichen EU-Ländern mit Kalk versetzt werden, um es sicherer zu machen. Unklar ist, ob auch in Beirut ähnliche Vorschriften eingehalten wurden.

Wo wird Ammoniumnitrat verwendet?

Bei dem geruchlosen Salz handelt es sich um ein starkes Oxidationsmittel, das sowohl zur Herstellung von Düngemittel als auch von Sprengsätzen verwendet wird. Der Stoff ist laut Oxley in der Landwirtschaft und für Sprengungen in der Bauindustrie unverzichtbar – trotz möglicher Gefahren.

„Ohne Sprengstoff wäre die moderne Welt nicht möglich, und ohne Ammoniumnitrat-Dünger könnten wir die heutige Bevölkerung nicht ernähren“, erklärt sie. „Wir brauchen Ammoniumnitrat - wir müssen nur genau darauf achten, was wir damit machen.“

Gab es bereits ähnliche Unfälle mit Ammoniumnitrat?

Ja, mehrere sogar. So starben 1921 bei einem Unfall in einem Stickstoffwerk des deutschen Unternehmens BASF in Oppau mehr als 500 Menschen. Umliegende Gemeinden wurden verwüstet, die Explosion war Zeugen zufolge sogar im 300 Kilometer entfernten München zu hören. Der Vorfall zählt zu den weltweit größten Industrieunglücken.

2001 kamen in einer Chemiefabrik im französischen Toulouse bei der Explosion von rund 300 Tonnen Ammoniumnitrat insgesamt 31 Menschen ums Leben. Im US-Bundesstaat Texas starben 2013 bei einer Detonation in einer Düngemittelfabrik 15 Menschen.

Auch bei Bombenanschlägen wurde Ammoniumnitrat bereits eingesetzt: Der Attentäter des Anschlags in Oklahoma City 1995 mit 168 Toten verwendete beim Bau der Bombe zwei Tonnen der Substanz. Der norwegische Rechtsextremist Anders Breivik nutzte sie ebenfalls für die Autobombe, die er während seiner Anschläge im Jahr 2011 zündete.

(AFP/ba/raer)