Berlin. In Deutschland steigt die Zahl der Corona-Infizierten. Gesundheitsminister Spahn will nun für bestimmte Reisende eine Testpflicht.

  • Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will eine Testpflicht für Einreisende aus Risikogebieten anordnen
  • So reagiert der Minister auf die steigende Zahl der Neuinfektionen in Deutschland
  • Sie löst bei vielen Sorgen vor einer zweiten Corona-Welle aus
  • Verschiedene Politiker halten Tests für ein geeignetes Mittel, um eine zweite Welle zu verhindern
  • In Bayern sollen neben Flugreisenden auch Bahn- und Autoreisende getestet werden

Die Sorgen vor einer zweiten Corona-Welle in Deutschland werden zu groß: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird für Einreisende aus Risikogebieten eine Corona-Testpflicht anordnen.

Es gehe um den Schutz aller, erklärte der Minister gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Wir müssen verhindern, dass Reiserückkehrer unbemerkt andere anstecken und so neue Infektionsketten auslösen“, sagte Spahn. Die Tests sollen für die Reisenden kostenfrei sein.

Corona-Testpflicht für Reisende aus Risikogebieten soll bald in Kraft treten

Spahn teilte die Pläne seinen Amtskollegen aus den Bundesländern in einer Schaltkonferenz mit. Die hatten sich zwar vergangene Woche auf Corona-Tests an Flughäfen für Einreisende aus Risikogebieten geeinigt – allerdings sollten die Tests freiwillig sein.

Wer keinen negativen Test-Befund hat, muss sich wie bisher für zwei Wochen in häusliche Quarantäne begeben. Lesen Sie hier: Corona-Testpflicht für Reisende: Das muss man jetzt wissen

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Corona-Neuinfektionen: Mehr Fälle in Deutschland

500 Menschen sind im niederbayerischen Mamming in Corona-Quarantäne: Dort waren 174 Erntehelfer bei einer Reihenuntersuchungpositiv auf den Erreger Sars-Cov-2 getestet wurden. 174 weitere Fälle in der Statistik des Robert Koch-Instituts (RKI).

Die Frage ist für Gesundheitsminister Spahn, ob daraus eine Welle wird „oder ob es uns gemeinsam gelingt, sie rechtzeitig zu brechen, also Infektionsketten schnell zu erkennen und schnell zu unterbrechen“. Spahn sucht nach einem Wellenbrecher – und probiert verpflichtende Corona-Tests aus.

Auf die Zahlen kann man unterschiedlich schauen. Zwischen dem 29. März und 3. April verzeichnete Deutschland laut Johns-Hopkins-Universität 38.028 Neuansteckungen mit Sars-CoV-2. Das war die Lage vor vier Monaten. Zuletzt registrierte das RKI pro Tag 500 neue Fälle, zeitweise deutlich darunter.

Im Verlauf dieser Woche wird sich zeigen, ob die Anstiege zum Wochenende eine Anomalie waren oder schon die „zweite Welle“ ankündigen, die für Politiker wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) längst da ist.

Für die Anstiege gibt es viele Erklärungen, allen voran: das weltweite Infektionsgeschehen. Deutschland hat die Abschottung aufgegeben, seine Grenzen gelockert und das Reisen erleichtert. Dass die Zahlen hierzulande wieder steigen, hat für Spahn denn auch „vor allem zu tun eben mit Reiseaktivitäten, Reiserückkehrern aus bestimmten Regionen – zum Teil dem Westbalkan, der Türkei“.

Corona-Testpflicht für Reisende – nur Rückkehrer aus Risikogebieten

Mit Sorge blickt die Politik auf die laufende Reisesaison. Seit dem Wochenende können sich Urlauber bei der Rückkehr kostenlos auf Sars-CoV-2 testen lassen – freiwillig. Spahns Testpflicht wäre ein schwerer Eingriff in die Freiheit; der Minister zögerte zunächs, auch aus Sorge, mit seinem Plan vor Gericht zu scheitern. Lesen Sie hier: Corona-Ausbruch in Österreich in Sankt Wolfgang - droht zweites Ischgl?

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Bärbel Bas geht davon aus, „dass sich viele freiwillig testen lassen, um sich selbst und andere zu schützen, wenn sie einen schnellen Zugang über Testzentren haben“. Sie sagte unserer Redaktion, eine Testpflicht wäre bei ausreichenden Testzentren „nicht erforderlich und auch nur schwer umzusetzen“. Und die Gesundheitspolitikerin kritisierte überdies, dass viele Kommunen und Länder ihre Testzentren bereits vor der Urlaubszeit wieder abgebaut haben.

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Söder fordert Rechtsgrundlage für Pflichttests

Doch es gibt neben Spahn weitere Befürworter einer Testpflicht, allen voran Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Chef appellierte am Montag an den Bund, eine Rechtsgrundlage für verpflichtende Coronatests zu schaffen. Sobald das rechtliche Okay komme, werde Bayern an den Flughäfen Rückkehrer aus Risikogebieten verpflichtend testen. Diese Pflicht müsse „unbedingt“ und „so schnell wie möglich“ kommen, forderte Söder.

Neben den Teststationen an den Flughäfen will Bayern auch Bahn- und Autoreisende testen, kündigte Söder an. Er prescht damit vor – wie bereits mehrfach in der Corona-Krise, womit er sich den Ruf des Krisenmanagers und möglichen Kanzlerkandidaten erarbeitet hat. In jüngsten Umfragen liegt Söder deutlich vor seinen möglichen Kontrahenten aus der CDU.

An Autobahnen im Bereich Walserberg, Pocking und Kiefersfelden sowie an den Hauptbahnhöfen in München und Nürnberg werde es zusätzliche Stationen für Coronatests geben, kündigte Seehofer an.

Corona-Tests: Müssen Reisende zahlen oder werden sie kostenlos?

Auch Söders Parteikollege und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte sich für Pflichttests ausgesprochen. Er sagte am Sonntagabend im Bild-Talk „Die richtigen Fragen“: „Gerade wenn man aus Risikogebieten kommt, dann sollte es einen verpflichtenden Test geben.“ Das Argument, dass dies rechtlich schwierig sei, will der frühere Bundesverkehrsminister nicht gelten lassen: „Wenn es rechtlich nicht geht, dann muss man das entsprechende Recht schaffen, dass es geht.“

Auch FDP-Chef Christian Lindner kann sich Pflicht-Tests vorstellen, die Kosten sollten dabei aber die Reisenden selbst tragen. „Wer sich in ein Risikogebiet freiwillig begibt als Tourist, der wird damit in Kauf nehmen müssen, dass er für diesen Test auch bezahlt“, sagte Lindner in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Im Interview mit unserer Redaktion hatte Lindner zudem jüngst auf mehr Anreize für die Wirtschaft gesetzt – etwa indem das Verkaufsverbot am Sonntag gelockert wird.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der einzige Epidemiologe im Bundestag, setzt dagegen verstärkt auf kostenlose Corona-Tests. „Aus meiner Sicht ist das eine gemeinsame Aufgabe der gesamten Gesellschaft, das sollte der Steuerzahler bezahlen, vielleicht anteilig die Krankenkassen“, sagte Lauterbach im Bild-Talk.

RKI: Viele kleinere Ausbrüche von Corona-Infektionen

Doch neben dem Reisegeschehen gibt es nach der Analyse des RKI bundesweit viele kleinere Geschehen. Auffällig ist nicht zuletzt die Anfälligkeit der Ernährungsindustrie. Der aktuelle Virusausbruch auf dem großen Agrarbetrieb im niederbayerischen Mamming ist kein Einzelfall. Erst am Mittwoch waren auf einem Obsthof in Swisttal bei Bonn 20 Corona-Infektionen festgestellt worden. Wochenlang kämpfte die Fleischindustrie mit Ausbrüchen in Schlachtbetrieben.

Im Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück waren bis Mitte vergangener Woche nach offiziellen Angaben mehr als 2000 Corona-Infektionsfälle registriert worden. 41 von ihnen seien stationär behandelt worden. Zeitweise verhängten die Behörden einen Lockdown für Teile des betroffenen Landkreises Gütersloh.

Ferner wurden zuletzt bei einem Reihentest unter Mitarbeitern einer Hähnchen-Schlachterei der Wiesenhof-Gruppe im niedersächsischen Lohne von 1046 Mitarbeitern 66 positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Alle Infizierten wurden unter Quarantäne gestellt. Experten und Gewerkschaften führen die hohen Ansteckungszahlen in Landwirtschaft und Fleischindustrie auf schlechte Arbeits- und beenge Wohnverhältnisse der Beschäftigten zurück.

Testen, testen, testen – das war bei Ausbruch der Pandemie weltweit die Devise. Der Test wurde in Deutschland vom Team um den Berliner Virologen Christian Drosten entwickelt. Anfangs wurden die relativ niedrigen Zahlen hierzulande damit erklärt, dass die Deutschen viel und früh getestet hätten. Die US-Datenbank Worldometer führt Buch über alle Tests – und Deutschland mit 88.527 Tests pro eine Million Einwohner nur noch auf Platz 42.

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    Wenn es so etwas wie eine nationale Teststrategie gibt, dann besteht sie darin, die Covid-19-Testkapazitäten effizienter zu nutzen: mit präventiven Reihentests in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Schulen. Eine Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern tritt sogar auf der Webseite testtheworld.org für flächendeckendes Testen ein. Dazu müsste es vereinfacht (und verbilligt) werden wie ein Schnelltest auf Schwangerschaft.

    Zwar hat Spahn einmal gesagt, „es ist viel teurer, zu wenig zu testen, als zu viel zu testen“. Aber in Wahrheit könnte eine radikale Strategie doch an den Kosten scheitern. Anfangs wurden den Laboren rund 59 Euro erstattet, ab dem 1. Juli 2020 pro Test nur noch 39,40 Euro. Aber würde man alle 82 Millionen Deutschen an einem Tag testen, entstünden Kosten von über drei Milliarden Euro – bloß für eine Momentaufnahme.

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      Wenn Tests Spahns Wellenbrecher sind, dann wäre das für seine Kabinettskollegin Anja Karliczek (CDU) eher eine Impfung. Zwar rechnet sie mit einem Impfstoff „frühestens Mitte nächsten Jahres“, aber in der „Bild am Sonntag“ gab die Forschungsministerin schon jetzt ein Versprechen ab: „Wenn ein Impfstoff gefunden ist, wird jeder Deutsche, der es will, auch geimpft werden können“, sagte sie und fügte hinzu, „das müssen wir schaffen, und das werden wir schaffen.“ (mit dpa/afp)

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