Berlin. Sachsen und Brandenburg führen Lockerungen für Kirchen ein. Es gibt besondere Risiken. Trotzdem geht das Verbot von Messen zu Ende.

In Paris muss ein Priester 135 Euro Strafe zahlen, weil er eine Ostermesse heimlich zelebriert hat. Ein Anwohner hatte das Orgelspiel gehört und die Polizei alarmiert. Vergleichbare Vorkommnisse sind aus Deutschland nicht bekannt. Aber die Ungeduld ist auch hier groß.

Die Kirchen drängen, am lautesten die katholische, das öffentliche Gottesdienstleben schrittweise wieder zu ermöglichen, nicht länger wie in den letzten Wochen im Fernsehen, sondern so nah bei den Menschen wie dies in Zeiten einer Pandemie überhaupt möglich ist.

Corona-Krise: Sachsen erlaubt Gottesdienste für 15 Gläubige

Sachsen erlaubt seit Montag wieder Gottesdienste, freilich nur mit maximal je 15 Personen. Die Zahl ist nicht zufällig gewählt. 15 Teilnehmer – das war in den letzten Wochen in den Kirchen auch die Orientierungsgröße bei Begräbnissen. In Brandenburg sind Taufen und Trauerfeiern mit bis zu 20 Personen zugelassen. Religiöse Versammlungen sollten in Thüringen ab 3. Mai schrittweise und unter Auflagen wieder erlaubt sein. Erlaubt sind demnach bis zu 30 Besucher.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Montag nach der Sitzung des Krisenkabinetts, sie kenne die Erwartungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften und sehe das dringende Bedürfnis, das Versammlungs- und Demonstrationsrecht wieder wahrzunehmen. „Diese Pandemie verlangt uns allen in diesem Lande, jedem Einzelnen, aber auch der Gemeinschaft, ziemlich viel ab.“

„Wenn man Läden öffnet, darf man auch in Kirchen beten“

Weitere Bundesländer könnten dem Beispiel Sachsens folgen und die Corona-Auflagen lockern. „Wenn man Läden öffnet, darf man auch in Kirchen beten“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erst am Wochenende. In Nordrhein-Westfalen waren die Kirchen nicht etwa verriegelt – es fanden bloß keine Messen statt.

Die Teilöffnung von Geschäften mit einer Fläche bis 800 Quadratmetern seit Montag ist die pragmatische Begründung, um auch Gotteshäuser wieder zu öffnen. Zugunsten der Kirchen spricht ferner ihr rechtlicher Status: die Religionsfreiheit, ein Grundrecht. Vor Gericht hätte jede Glaubensgemeinschaft eine bessere Chance ihre Interessen durchzusetzen als ein Kaufhauskette.

Wegen Corona- Youtube-Gottesdienst statt Kirchgang

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    Wie werden Gottesdienste unter Einhaltung der Auflagen möglich?

    Auf einen Streit will es keiner ankommen lassen. Am Freitag haben Bund, Länder, Kirchen und Religionsgemeinschaften bei einem Treffen im Bundesinnenministerium verabredet, bis Mitte dieser Woche Vorschläge zu machen, wie die Gottesdienste unter Einhaltung der Kontaktauflagen (Hygiene, Mindestabstände, Mundschutz) wieder möglich werden.

    Diese würden dann weiter diskutiert, „so dass man Ende der Woche weitersehen kann, wie konkret dieses Konzept aussehen kann, wie es dann weitergeht“, sagte der Sprecher des Innenministeriums. Das Ergebnis wird ein Entscheidungsvorlage für das Treffen der Ministerpräsidenten mit Merkel am 30. April sein.

    Gesucht wird eine einheitliche Regelung für ganz Deutschland

    Dann wollen sie über die nächste Stufe der Lockerungen des „Lockdowns“ entscheiden – ab dem 4. Mai. Alle Religionsgemeinschaften sind an einer einheitlichen Vorgehensweise interessiert: an Regelungen, die für alle und überall in Deutschland gleich sind.

    Die Kirchen haben sich bislang den Verboten von Gottesdiensten gefügt, weil sie die Einschränkung der Versammlungsfreiheit für angemessen hielten und „den ihnen möglichen Beitrag zur Eindämmung der Corona-Virus-Pandemie leisten wollten“, wie die Deutsche Bischofskonferenz betonte. Sollten die Infektionszahlen wieder steigen und die Politik die Kontaktauflagen verschärfen, würden sich die Kirchen kaum entziehen können.

    Auch die Seelsorge in den Altenheimen soll nun verbessert werden

    Das hat das Bundesverfassungsgericht schon in einer Entscheidung klar gemacht. Umgekehrt wäre es auch nicht verhältnismäßig, die großen Warenhäuser zu öffnen, nicht jedoch die Kirchen. Auch die Seelsorge in den Altenheimen und Pflegestationen werde „unter Wahrung notwendiger Schutzmaßnahmen nunmehr deutlich verbessert werden“, sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.

    Ein Grund, überhaupt erst bis zum 4. Mai zu warten, ist der Fastenmonat Ramadan, der in der Nacht auf den 24. April beginnt. Es wäre wohl kontraproduktiv (das falsche Signal), die Auflagen vorher zu lockern. Die Moscheen sind geschlossen. Vereinzelt kam es zwar zu Tumulten vor den muslimischen Gotteshäusern, zum Beispiel in Berlin-Neukölln. Aber in der großen Mehrheit halten sich Moscheen, die muslimischen Gemeinden und Verbänden an die Auflagen.

    Der Ramadan endet am 23. Mai – gelten die Auflagen bis dahin?

    In praktisch allen islamischen Staaten des Nahen Ostens herrschen strikte nächtliche Ausgangssperren. Das Fastenbrechen findet daheim statt, nicht in den Moscheen. Am 23. Mai geht der Ramadan zu Ende, traditionell mit Festen und Besuchen. Ob die Kontaktauflagen dann noch gelten und greifen?

    Dass der diesjährige Ramadan für die Muslime ein Härtetest wird, steht außer Frage. Das waren die Kontaktauflagen auch für die Christen zu Ostern und für die Juden beim Pessachfest, das erst am 16. April zu Ende gegangen ist.

    Einsamer Ramadan in Zeiten des Coronavirus

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      Das sind die fünf großen Risiken bei Gottesdiensten

      Es gibt bei Gottesdiensten in Zeiten dieser Pandemie besondere Umstände, womöglich größere oder zumindest andere Gefahrenherde für Ansteckungen als zum Beispiel beim Einkaufsbummel.

      • Risiko Nummer eins: Messen finden in aller Regel in geschlossen Räumen statt. In den Synagogen, die häufig Ziele für Angriffe von Extremisten waren, ist dies auch für die Sicherheit wichtig. Da haben es die Christen leichter. Nicht zufällig hat die katholische Bischofskonferenz ihre Kirchengemeinden dazu ermuntert, „in den Sommermonaten Gottesdienste im Freien abzuhalten“, Christi Himmelfahrt, Pfingsten und Fronleichnam seien besondere Anlässe. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen.
      • Risiko Nummer zwei: Die Menschen halten sich nicht vorübergehend, sondern für einen relativ langen Zeitraum in den Kirchen auf. Auch dadurch erhöht sich die Ansteckungswahrscheinlichkeit.
      • R isiko Nummer drei: Ein Großteil der Gläubigen ist erfahrungsgemäß älter und gehört zu einer Risikogruppe. Einen vorübergehenden Ausschluss bestimmter Gruppen hat die Deutsche Bischofskonferenz von vornherein abgelehnt.
      • Risiko Nummer vier: der Gesang. Beim Singen stößt man besonders viele Tröpfchen aus. Bei einer Chorprobe steckten sich im Nordwesten der USA drei Viertel der anwesenden Chormitglieder mit dem Coronavirus an. Singen mit Mundschutz ist absurd. Man kann aber Gesang vom Band abspielen oder sich auf das Orgelspiel beschränken.
      • Risiko Nummer fünf: die Nähe bei Ritualen. Beim Lesen der Tora, der heiligen Schrift der Juden, in den Synagogen kommen sich die Gläubiger näher. Zu nah? Völlig ungelöst ist bei den Christen, ob und wie die Darreichung der heiligen Kommunion geregelt werden kann, ohne das Abstandsgebot zu verletzen. Taufen, Erstkommunionfeiern, Firmungen, Hochzeiten, Diakonen- und Priesterweihen wird man wegen ihres besonderen, teils mit engerem physischen Kontakt verbundenen liturgischen Charakters mithin verschieben müssen.

      Eine Lösung: Mehr Messen für jeweils kleinere Gruppen

      In den Kirchengebäuden sollen nur die Hauptschiffe genutzt werden, auf Messen in sonstigen Gottesdiensträumen (Krypta, Seitenkapelle) wird verzichtet. Es wird Zugangsbeschränkungen geben – markierte Plätze und Platzkarten –, um die Gläubigen großzügig in den Gotteshäusern zu verteilen. Eine Möglichkeit ist, mehr Messen zu zelebrieren: zusätzliche Gottesdienste für weniger Teilnehmer. Hauptsache, sie finden statt. Die Freude wird groß sein.

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