Brüssel. Das von den EU-Finanzministern verabschiedete Corona-Hilfspaket ist ein wichtiges Signal. Doch die dicke Rechnung kommt erst später.

Das ist noch einmal gut gegangen. Im zweiten Anlauf haben sich die EU-Finanzminister doch noch auf ein 500-Milliarden-Rettungspaket verständigt, das erste Folgen der Corona-Krise für klamme Staaten und Unternehmen abfedern soll.

Europa hält in der Krise zusammen – das ist das entscheidende Signal an gleich mehrere Adressaten: Es gilt den von der Pandemie besonders betroffenen Mitgliedern wie Italien und Spanien, die zuletzt den Eindruck hatten, der Norden Europas lasse sie in dieser unverschuldeten Notlage im Stich. An die Finanzmärkte geht zugleich die erste Warnung, dass sich Spekulationsangriffe gegen einzelne Eurostaaten nicht lohnen werden.

Bedauerlich nur, dass es dazu einer so gewaltigen Kraftanstrengung mit 17 Verhandlungsstunden und viel Telefondiplomatie bedurfte – die hässlichen Debatten über fehlende Solidarität in Europa, gar über ein Scheitern der EU, hätten sich alle Beteiligten besser erspart.

Mit der Lösung greift die EU auf bestehende Instrumente zurück

Eine Einigung verhinderte lange die hartleibige Haltung der niederländischen Delegation, die den Empfängerstaaten auch in der Corona-Krise strenge wirtschaftspolitische Auflagen machen wollte. Die Regierungen in Rom, Paris und Madrid haben andererseits das Verhandlungsklima mit ihrer Forderung nach Corona-Bonds unnötig belastet. Dabei war klar, dass solche gemeinsamen Anleihen kurzfristig überhaupt nicht zur Verfügung stehen können. Und ebenso klar war, dass die Regierungen etwa Deutschlands oder der Niederlande nicht über Nacht von ihrer grundsätzlichen Ablehnung abrücken würden.

Christian Kerl kommentiert
Christian Kerl kommentiert

Mit der Lösung jetzt greift die EU richtigerweise auf bestehende Instrumente zurück. Der Kompromiss war aber nur möglich, weil bei den Bedingungen, zu denen die Gelder aus dem Euro-Rettungsschirm ESM geliehen werden können, absichtsvoll einiges unklar blieb: Der Beschluss kann in den Niederlanden so gelesen werden, dass die Kredite ohne weitere Auflagen nur für direkte oder indirekte Gesundheitsausgaben verwendet werden dürfen – Rom darf aber davon ausgehen, dass trotzdem auch die Bekämpfung der Wirtschaftskrise mit dem Geld finanziert werden kann.

Bei der Einigung hat die Bundesregierung eine wichtige Rolle gespielt, Finanzminister Scholz agierte erfolgreich als Vermittler. Gut, dass Scholz bei der Ablehnung von Corona-Bonds standhaft blieb. Es gibt keinen Grund, das Tabu zu brechen und in Europa neue Staatsschulden so zu vergemeinschaften, dass jedes EU-Land für alle und alles haftet – ohne dass ausreichend finanzpolitische Kon­trollmöglichkeiten bestünden. Die große Schlacht um diese Art gemeinsamer Anleihen ist aber nur vertagt und wird kommen, wenn die Regierungschefs demnächst über ein gigantisches Konjunkturprogramm der EU beraten werden: Frankreich, Italien und Spanien wollen die Gunst der Stunde nutzen und dann den langersehnten Gemeinschaftsschulden zum Durchbruch verhelfen.

Die Bundesregierung muss bei ihrem Nein bleiben, andernfalls würden die Spielregeln der Eurozone grundlegend verändert. Teuer wird es für Deutschland aber so oder so. Für das billionenschwere europäische Wiederaufbauprogramm, das Berlin ausdrücklich unterstützt, wird Deutschland umfassende Kreditgarantien geben und wohl auch einen deutlich höheren Beitrag in den EU-Haushalt zahlen müssen.

Das ist nicht aus der Portokasse zu leisten. Aber es hilft nichts: Eine wirtschaftliche Dauerkrise in Südeuropa käme uns am Ende noch teurer zu stehen. Deutschland wird es auf Dauer nur gut gehen, wenn es Europa gut geht. Die Bundesregierung täte aber gut daran, die Bürger rechtzeitig darauf vorzubereiten.