Berlin. Das Kurzarbeitergeld hat Deutschland schon einmal durch die Krise geholfen. Auch jetzt ist es gefragt. Und mit ihm die Solidarität.

Die Politik zeichnet sich in der Krise durch schnelles Handeln aus. Das trifft auch beim Kurzarbeitergeld zu.

Die meisten einschränkenden Maßnahmen des gesellschaftlichen Lebens waren noch gar nicht in Kraft, als Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ankündigte, die Voraussetzungen für den Erhalt des Kurzarbeitergeldes zu lockern – rückwirkend zum 1. März. Wie wichtig der schnelle Vorstoß war, zeigt nun der enorme Ansturm der Unternehmen.

Corona-Krise: Das Instrument der Kurzarbeit funktioniert erneut

Die Coronakrise wird in puncto Kurzarbeit die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 in den Schatten stellen. Das ist aber keine schlechte Nachricht. Denn sie zeigt, dass das in der Finanz­krise erprobte Instrument funktioniert.

Keine Frage: Deutschland rutscht in die Rezession und die Arbeitslosigkeit wird durch die Coronakrise noch steigen. Aber das Kurzarbeitergeld rettet schon jetzt Tausende Jobs und unternehmerische Existenzen.

Gerade in den aufgrund der Krise streng reglementierten Bereichen der Gastronomie oder der Reisebranche gibt es kaum Möglichkeiten, den bisherigen Betrieb aufrechtzuerhalten, die Rücklagen sind oft gering.

Auch Unternehmen, die auf Exporte und Importe angewiesen sind, geraten aufgrund der geschlossenen Grenzen in Schwierigkeiten und haben einen guten Grund, Kurzarbeitergeld zu beantragen.

Schlupflöcher gibt es auch beim Kurzarbeitergeld

Der Handlungsdruck der Politik führt zu schnellen Maßnahmen. Damit gehen Schlupflöcher einher. Jetzt sind die Unternehmen gefragt. Es kommt darauf an, wie sie mit diesen Schlupflöchern umgehen. Das Beispiel von Adidas, Deichmann und Co., die ihre Mietzahlungen aufschieben, zeigt, wie man es nicht macht.

Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent der Funke Zentralredaktion.
Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent der Funke Zentralredaktion. © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Und auch beim Kurzarbeitergeld sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass es keine schwarzen Schafe gibt. Es gibt Firmen, die bis auf wenige Schrammen gut durch die Krise kommen, das Geld aber dafür nutzen, um die eigenen Kosten zu reduzieren – die gesenkten Voraussetzungen bei der Antragstellung machen es möglich.

Die größte Hürde ist dabei nicht einmal mehr die Arbeitsagentur, sondern der eigene Betriebsrat. Stimmt der zu, dann lässt sich Kurzarbeit in der jetzigen Situation leicht rechtfertigen – auch wenn es keinen akuten Grund dafür gibt.

Die Tragik der Allmende

Das ist keine Böswilligkeit der Unternehmen, es ist einfaches Kalkül: Wenn der Konkurrent seine Kosten reduziert, dann muss man nachziehen.

Nur geht das auf Kosten aller: die gigantischen Pakete, die Soforthilfen, die Kreditbürgschaften – es sind Steuergelder. Für jeden Arbeitsplatz, der so gerettet werden kann, ist es gut investiertes Steuergeld. Es ist aber nicht für das Aufhübschen der eigenen Bilanz gedacht.

In der aktuellen Krise strahlt die Bundesregierung ein starkes Signal aus: Hilfen stehen in nahezu unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung.

In der Sozialwissenschaft gibt es dafür ein passendes Modell: die Tragik der Allmende. Die Allmende ist ein alter Ausdruck für eine Weide der Gemeinde. Sie ist für alle da und für alle offen. Hat ein Landwirt Bedarf, kann er seine Kühe auf der Weide grasen lassen. Schicken aber alle Landwirte, auch die, die nicht darauf angewiesen sind, ihre Kühe auf die Weide, wird die Wiese schnell unbrauchbar.

Hilfen sind ein Privileg

In der jetzigen Krise müssen Unternehmen ihrer Verantwortung mit den Steuerhilfen gerecht werden. Vorbild sind hier einige Tarifpartner der Metallindustrie: Sie nutzen das Kurzarbeitergeld, stocken zugleich aber von der Bundesarbeitsagentur gezahlte Nettogehalt der Arbeitnehmer auf 80 Prozent und mehr des bisherigen Lohns auf.

Andere Unternehmen verzichten ganz auf die Hilfen und versuchen, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen – etwa durch die Produktion von Atemmasken. Die Bewältigung der Krise gelingt nur solidarisch. Jedem Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte klar sein: Die staatliche Hilfe des Kurzarbeitergeldes ist ein starkes Zeichen des Sozialstaates. Aber es ist ein Privileg. Und kein Freifahrtschein.

Mehr zur Corona-Krise: