Washington. Sieg auf der ganzen Linie: Joe Biden hat auch die Vorwahlen in Florida, Illinois und Arizona gewonnen. Sanders gibt noch nicht auf.

Das muss man Bernie Sanders lassen: Im Moment einer krachenden Niederlage mit sündhaft teuren Vorschlägen zu kommen, wie Amerika am besten die Coronavirus-Krise übersteht (etwa mit 2000 Dollar in bar vom Staat für jeden US-Haushalt), das würde sich nicht jeder trauen, der Präsidentschaftskandidat werden will – und doch kaum mehr eine Chance hat.

Dass der 78-jährige Senator aus Vermont es trotzdem tat, kurz bevor gestern Abend die für ihn deprimierend schlechten und für seinen Konkurrenten Joe Biden äußerst komfortablen Ergebnisse aus Florida Illinois und Arizona eintrudelten, kann man als Akt eines Überzeugungstäters interpretieren.

US-Demokraten: Joe Biden baut seinen Vorsprung aus

Sanders will nicht bürgerfern über Stimmen und Prozentanteile lamentieren, während das Land über 6500 Virus-Infizierte meldet und fast 110 Tote betrauert. Und während der amtierende Finanzminister Steve Mnuchin den Kongress hinter verschlossenen Türen mit der Perspektive einer Arbeitslosenquote von 20 Prozent erschreckt, wenn dort nicht schnellstens ein staatliches Hilfspaket im historischen Volumen von rund 1200 Milliarden Dollar abgesegnet wird.

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Aber: Stimmen und Prozentanteile sind nun mal entscheidend, wenn man Präsidentschaftskandidat werden will. Joe Biden, seit bald 20 Vorwahlen Sanders’ ununterbrochen siegreicher Gegenspieler, hat in allen drei Bundesstaaten unangefochtene Siege errungen und seinen Vorsprung auf der Jagd nach den 1991 nötigen Delegierten beim Parteitag im Juli auf über 300 ausgebaut. Bernie Sanders müsste die verbleibenden Wahlgänge schon haushoch gewinnen, um rein rechnerisch noch eine Chance zu haben. Die Aussichten darauf: mikroskopisch klein.

Joe Biden genießt bei Wählern mehr Vertrauen als Sanders

Schnell-Analysen in Florida, wo die Wahlbeteiligung trotz Corona-Krise höher lag als 2016, und in Illinois bestätigten die Trends der vergangenen drei Wochen: Joe Biden (77) genießt quer durch Alters- und Sozialschichten einfach mehr Vertrauen als Sanders.

Eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler, weiße, afro-amerikanische und hispanische, hält ihn eindeutig für aussichtsreicher, wenn es um die Herausforderung von Amtsinhaber Trump im November geht. Landesweit macht sich das in Umfragen inzwischen in einem 60-zu-30-Prozent-Verhältnis zugunsten des Alt-Vizepräsidenten bemerkbar.

Nach Niederlagen: Wann wirft Sanders das Handtuch?

Was erneut die Frage aufwirft: Wann wirft Sanders das Handtuch und stellt sich und seine Anhänger – wie vorher für den Fall seiner Niederlage fest versprochen – in den Dienst Bidens und der demokratischen Partei? Eine Antwort darauf gab es gestern von dem selbsternannten „demokratischen Sozialisten“ wieder nicht. Dabei hat sich der Druck auf Sanders noch einmal erhöht.

Neben fehlendem Wählerzuspruch schlägt den Demokraten das Coronavirus zunehmend ins Kontor. Ohio, das gestern auch wählen sollte, hatte die Vorwahlen kurzfristig abgeblasen. Mit Georgia, Louisiana, Maryland und Kentucky haben bereits vier andere Bundesstaaten ihre Wahlgänge wegen der Gefahren, die von dem Virus ausgehen, in Richtung Juni verschoben. Weitere werden folgen, sagen demokratische Insider.

Coronavirus beeinträchtigt Vorwahlen – Ausgangssperre in New York?

Dass etwa der Bundesstaat New York tatsächlich in gut fünf Wochen an die Urnen geht und knapp 280 Delegierte verteilt, wird angesichts der Realität am Boden immer unwahrscheinlicher. In New York City droht wie schon in San Francisco eine totale Ausgehsperre mit offenem Ende.

Demokraten-Parteichef Tom Perez hat darum bereits vorgeschlagen, die restlichen Vorwahlen nur noch per Brief stattfinden zu lassen. Wähler und Wahlhelfer einem normalen Verfahren mit potenziellem Körperkontakt auszusetzen, sei nicht verantwortungsvoll.

Biden präsentiert sich in der Rolle des De-Facto-Kandidaten

Unterdessen präsentierte sich Favorit Joe Biden bereits in der Rolle des De-Facto-Kandidaten, der dem Lager seines Widersachers die Hand reicht. „Senator Sanders und ich mögen bei der Vorgehensweise unterschiedlicher Meinung sein”, sagte er bei einer kurzen Ansprache in seiner Heimatstadt Wilmington in Delaware, „aber wir teilen eine gemeinsame Vision.”

Biden nannte die Aspekte Krankenversicherung, soziale Ungleichheit und Klimawandel. Er attestierte Sanders und dessen Anhängern eine „bemerkenswerte Leidenschaft und Hartnäckigkeit”. Beides habe das nationale Selbstgespräch „grundlegend geändert”.

Biden benötigt im Falle seiner Nominierung dringend den Rückhalt der mehrheitlich jungen Sanders-Fans. Viele von ihnen lehnen den Alt-Vizepräsidenten ab und drohen für den 3. November mit Wahlabstinenz, falls nicht Bernie Sanders gegen Donald Trump antreten darf. Wie viel Überzeugungsarbeit hier noch geleistet werden muss, zeigt die Reaktion auf Bidens Behauptung, er und Sanders teilten eine „gemeinsame Vision”. Eine Sprecherin des Senators konterte kühl: „Tun wir nicht.”

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