Kanzlerin Angela Merkel beschreibt Corona als eine Prüfung für das Land. Damit trifft sie in dieser Lage genau den richtigen Ton.

BerlinWas sagt die Kanzlerin zur Krise? Welchen Satz findet Angela Merkel, um die Deutschen an die Hand zu nehmen? Spät, aber eindringlich hat sie sich jetzt zu Wort gemeldet. Und den richtigen Ton getroffen: Merkels Satz zur Corona-Krise hat nichts mehr zu tun mit dem knappen, mutigen „Wir schaffen das“ aus der Flüchtlingskrise. Der Merkel-Satz zu Corona ist länger – und besorgter.

Solidarität, Vernunft und Herz der Deutschen würden auf die Probe gestellt, sagt Merkel am Mittwoch bei ihrer ersten Pressekonferenz zur Corona-Epidemie. Eine Probe, „von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen“. Es ist ein Appell, keine Gewissheit.

Sie sagt nicht: „Wir können das.“ Die Physikerin weiß, dass diese Krise anders ist als die Finanzkrise und anders als die Flüchtlingskrise. Läuft sie aus dem Ruder, kann sie Volkswirtschaften ruinieren, Gesellschaften sprengen - und vor allem: zahllose Menschen töten, die ohne Corona noch lange leben könnten.

Coronavirus: Die Zahl der Infizierten wird deutlich steigen

Merkel hat ihren gemeinsamen Auftritt mit Gesundheitsminister Jens Spahn für eine rhetorische Notfallübung genutzt: Die Kanzlerin und ihr Krisenmanager bereiten die Bundesbürger in diesen knapp anderthalb Stunden auf eine lange Zeit der Ungewissheit, der Ausnahmesituation vor. In immer neuen Varianten kreisen beide um die zentrale Botschaft: Das, was Deutschland aktuell erlebt, ist erst der Anfang. Und niemand kann heute exakt prognostizieren, was in den nächsten Wochen passiert.

Sicher ist: Die Zahl der Infizierten wird deutlich steigen, auch die Zahl der Todesfälle. Doch ob aus der Krise eine nationale Katastrophe wird oder ob es eine schwere, aber vorübergehende Prüfung bleibt – das hängt vor allem am Faktor Zeit. „Garantien gibt es keine.“ Es ist Spahns Satz. Auch er wird noch lange nachklingen.

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    Der Gesundheitsminister bringt an diesem Morgen den Begriff Triage ins Spiel. Triage – so heißt das Prinzip, mit dem im Katastrophenfall Notfallpatienten nach Dringlichkeit sortiert werden – in solche, die sofort behandelt werden müssen, solche, die warten können, und solche, bei denen eine Behandlung aussichtslos scheint. Triage, das müsse unbedingt verhindert werden, mahnt Spahn. Triage, das wäre die Bankrotterklärung des Gesundheitssystems. Je mehr Zeit bleibt, je langsamer sich das Virus verbreitet, je kontrollierter die Versorgung läuft, desto mehr Menschen können solide versorgt werden, desto weniger Menschen werden sterben.

    Deutschland wird auf eine Probe gestellt

    Zu allen Zeiten haben Krisenmanager nach griffigen Worten gesucht, um die Leute zu warnen, aber vor Panik zu bewahren. Die legendäre Parole „Keep calm and carry on“ (Bleib ruhig und mach weiter), die sich die britische Regierung im Zweiten Weltkrieg ausgedacht, aber nie veröffentlicht hatte, trifft auch hier nur teilweise. In Zeiten von Corona gilt: Bleib ruhig, mach aber vieles anders als sonst. Das betrifft nicht nur Händewaschen und Husten-Etikette.

    Es betrifft jetzt vor allem die staatlichen Entscheider von Bund und Ländern. Das föderale System hat viele Vorteile – regionale Strukturen sind oft schneller und beweglicher. Doch in einer Krise wie dieser zeigt sich auch deren Schwäche. Zwei Beispiele: Es gibt keine bundesweit einheitlichen Daten zu negativen Tests, zur Zahl der Genesenden. Es gibt kein abgestimmtes Vorgehen bei Großveranstaltungen.

    Deutschland wird durch das Coronavirus auf die Probe gestellt – kann aber auch viel lernen. Die wichtigste Lektion: Das Gesundheitssystem ist das Rückgrat einer Gesellschaft. Wer Gesundheitsämter, Krankenhäuser und viele Hausarztpraxen wie bislang auf Verschleiß fährt, geht ein nationales Risiko ein. Der Stresstest hat gerade begonnen.