Jerusalem. Die Partei von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wurde bei der Parlamentswahl stärkste Kraft. Was die Gründe dafür sind.

Er hat es also wieder geschafft. Die Partei von Israels Ministerpräsident Benjamin („Bibi“) Netanjahu ist zur stärksten Kraft im Parlament geworden. Der national-konservative Likud-Block hat deutlich mehr Mandate als das Mitte-links-Bündnis Blau-Weiß seines Herausforderers Benny Gantz. Das ist erstaunlich. Netanjahu wirkte in den letzten Monaten oft verbraucht und angeschlagen.

Zudem lagen die Schatten eines Strafverfahrens auf seinem Wahlkampf. Netanjahu ist der erste amtierende Regierungschef, dem der Prozess gemacht wird. Doch die Vorwürfe Betrug, Bestechlichkeit und Veruntreuung waren vielen Israelis offenbar egal. Dass der Premier Champagner und Zigarren von einflussreichen Geschäftsleuten dankend annahm und dem einen oder anderen wohl auch durch krumme Deals Finanzvorteile verschaffte – alles nicht wahlentscheidend.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Funke Mediengruppe | Reto Klar

Parlamentswahl in Israel – das sind die Gründe für Netanjahus Erfolg

Für den Erfolg Netanjahus gibt es eine Reihe von Gründen. Zum einen fuhr der Ministerpräsident eine extrem aggressive Schmutzkampagne gegen seinen Konkurrenten Gantz. Das Ziel: Dessen militärische Strahlkraft als ehemaliger Generalstabschef sollte getrübt werden. Also musste ein ehemaliger Wahlkampfmanager von Gantz herhalten, um die „Unfähigkeit“ seines früheren Brötchengebers zu untermauern.

Gantz trifft jedoch Mitschuld an seiner Niederlage. Er hatte sich zu sehr auf Netanjahu eingeschossen. In manchen Spots wurde dieser mit dem türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdogan verglichen. Gegen den Amtsinhaber zu sein ist aber noch kein Programm. Die eigenen Inhalte kamen zu kurz.

Netanjahu profitierte von Eskalation im Gazastreifen

Der Regierungschef profitierte sicher auch von der Eskalation im Gazastreifen. Jede Rakete, die vom Islamischen Dschihad oder der Hamas Richtung Israel abgefeuert wurde, war ein Wahlkampfgeschenk für Netanjahu. Sein knallharter Kurs gegen Extremisten kommt im eigenen Land an. Der Nimbus als „Mr. Security“ lässt einen Großteil der Kritik an ihm abprallen. Netanjahu gilt als der Überlebenskünstler der israelischen Politik.

Aber auch die Großwetterlage wirkte sich zu seinen Gunsten aus. US-Präsident Donald Trump ist der mit Abstand populärste ausländische Staatschef in Israel. Netanjahus enges Verhältnis zu Trump zahlte direkt auf das politische Habenkonto des Premiers ein. Der pompöse Empfang kürzlich in Washington einschließlich des mit großem Tamtam inszenierten Nahostplans („Deal des Jahrhunderts“) war Wahlkampfchoreografie für den Gast aus Jerusalem.

Regierungsbildung im israelischen Parlament könnte lange dauern

Doch Netanjahu hat auch in anderer Hinsicht eine verblüffende Wendigkeit bewiesen. Er holt sich vom russischen Präsidenten Wladimir Putin Rückendeckung für Angriffe auf Stellungen von schiitischen Milizen in Syrien, die vom Iran unterstützt werden. Im Kampf gegen das Mullah-Regime hat Netanjahu eine informelle Allianz mit arabischen Golfstaaten geschmiedet – früher undenkbar. Diese strategische Geschmeidigkeit wird von vielen seiner Landsleute honoriert. Die israelische Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nach rechts verschoben. Die Friedens-Euphorie der 90er-Jahre ist verflogen. Sicherheit steht an erster Stelle.

Trotzdem dürfte die Regierungsbildung quälend lange dauern. Netanjahu braucht für eine parlamentarische Mehrheit Bündnispartner aus dem rechten und ultraorthodoxen Lager. Auch eine große Koalition mit Blau-Weiß ist nicht ausgeschlossen. Welche Konstellation auch immer zum Zuge kommt, die Leitplanken sind abgesteckt. Sie lauten: noch mehr Siedlungen und eine Teilannexion des Westjordanlandes. Eine Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästina ist ferner denn je.

US-Präsident Donald Trump hatte kürzlich einen Nahost-Plan vorgestellt – er schlägt eine Zwei-Staaten-Lösung und eine Hauptstadt der Palästinenser in Ost-Jerusalem vor. Die Palästinenser haben sich bereits dagegen ausgesprochen.