Brüssel/London. Nach dem EU-Austritt Großbritanniens wird der Ton rauer – die Vorstellungen über ein Freihandelsabkommen liegen weit auseinander.

Schon wenige Tage nach dem EU-Austritt Großbritanniens wird der Ton zwischen Brüssel und London rauer: Der britische Premier Boris Johnson wies am Montag zentrale Forderungen der EU-Seite für einen künftigen Handelsvertrag barsch zurück und drohte mit einem harten Bruch ohne substanzielles Abkommen zum Ende dieses Jahres.

In Brüssel erklärte EU-Chefunterhändler Michel Barnier, man wolle einen solchen Bruch vermeiden, könne ihn aber nicht ausschließen. Barnier rief die Wirtschaft in der EU und in Großbritannien dazu auf, sich jetzt auf schwierigere Zeiten im Handel einzustellen: Warenkontrollen an der Grenze seien nach Ende der bis Dezember befristeten Übergangsperiode unvermeidlich.

Brexit: EU nennt harte Bedingungen für Großbritannien

Das Fernduell wirft einen Schatten auf die Verhandlungen, die Brüssel und London ab 3. März führen wollen und die eigentlich bis Jahresende abgeschlossen sein müssen – denn dann endet die laufende Übergangsfrist, in der sich im Alltag praktisch nichts ändert und auch der Handel weiterläuft wie bisher.

Sowohl Johnson als auch Barnier präsentierten nun Leitlinien für die voraussichtlich harten Gespräche, ohne sich zu sehr in die Karten schauen zu lassen. Barnier zog dabei jene roten Linien, die die EU seit Monaten betont: Die EU sei zwar bereit, in einem „sehr ehrgeizigen Handelsabkommen“ künftig auf Zölle und Einfuhrquoten auf alle Waren zu verzichten, die aus Großbritannien in den Binnenmarkt kommen. Doch nannte er zwei Bedingungen, die in London auf wenig Gegenliebe stoßen.

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„Keine Zölle, keine Kontingente, kein Dumping“

Großbritannien müsse sich zu einem „offenen und fairen Wettbewerb“ mit der EU verpflichten – und nicht Standards unterbieten. Die EU will dazu „robuste Verpflichtungen“ Londons auf gleiche Wettbewerbsbedingungen, weil sie befürchtet, Großbritannien wolle mit einem Standarddumping etwa bei Arbeitnehmerrechten, staatlichen Subventionen oder Umweltschutz unlauter Konkurrenz machen.

„Keine Zölle, keine Kontingente, kein Dumping“, fasste Barnier die EU-Position zusammen. So oder so, betonte der Chefunterhändler, müsse sich die Wirtschaft aber auf deutliche Veränderungen einstellen, wenn die Übergangsfrist auslaufe.

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    Johnsons Gegenrede war ähnlich klar: Es gebe gar keine Notwendigkeit, für einen künftigen Freihandelsvertrag die EU-Regeln zu übernehmen, denn Großbritannien habe schon jetzt in einigen Bereichen höhere Standards. Der Premier hatte sich für seine Präsentation den barocken Großen Saal der Königlichen Marineschule in Greenwich ausgesucht, der Auftritt geriet entsprechend selbstbewusst.

    Johnson verwies auf höhere Mindestlöhne oder besseren Tierschutz auf der Insel und niedrigere Subventionen als auf dem Kontinent. Mit solchen Hinweisen untermauerte Johnson seine Absage an vertragliche Verpflichtungen auf EU-Standards.

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      Nach seinen Worten strebt Großbritannien ein umfassendes Freihandelsabkommen an, wie es die EU auch mit Kanada abgeschlossen hat. Für den Streit über Fischfang in britischen Gewässern bedeutet das, dass London wohl zu Gesprächen über Fangquoten für Fischer aus der EU bereit wäre – aber nur in begrenztem Umfang.

      Sollte es entsprechende Vereinbarungen nicht geben, will Johnson einen harten Bruch in Kauf nehmen. Er bezeichnet diesen als Australien-Modell: Der ferne Kontinent hat bisher nur ein mageres Rahmenabkommen zu technischen Fragen mit der EU abgeschlossen. Was Johnson verschweigt: Australien und die EU sprechen schon über ein umfassendes Handelsabkommen.

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