Berlin. Die Situation im Irak ist gefährlich. Der Versuch Europas, den Konflikt in Nahost friedlich beizulegen, ist aber nicht aussichtslos.

Es hat recht lange gedauert, bis das vereinte Europa auf die Eskalation im Nahen Osten reagiert hat. Aber nun scheint die diplomatische Krisenmaschinerie doch in Gang zu kommen.

Als am Dienstag Außenminister Heiko Maas mit seinen Kollegen aus Frankreich und Großbritannien über die Lage nach der Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani beriet, präsentierte er schon einmal einen Teil des europäischen Instrumentenkastens: Kaum verhüllt drohte Maas mit Sanktionen gegen den Iran, sollte Teheran tatsächlich aus dem Atomabkommen aus- und zur Atommacht aufsteigen wollen.

Zugleich aber steht die Einladung an den iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif, am Freitag bei einem Krisentreffen der EU-Außenminister gemeinsam nach Auswegen zu suchen. Tags darauf reist die Bundeskanzlerin mit Heiko Maas nach Moskau.

Ursula von der Leyen brauchte drei Tage, bis sie sich zu Wort meldete

Und schon am Mittwoch will die EU-Kommission genauer ausbuchstabieren, wie der europäische Beitrag zur Deeskalation in Nahost aussehen kann. Es sind schließlich allein die Europäer, die belastbare Gesprächskanäle sowohl nach Washington als auch nach Teheran haben – und mit den Mitteln der Diplomatie zumindest versuchen können, einen Flächenbrand in Nahost zu verhindern.

Brüssel-Korrespondent Christian Kerl.
Brüssel-Korrespondent Christian Kerl. © Funke

Käme jetzt auch noch ein Vermittlungsvorstoß bei US-Präsident Donald Trump hinzu, wären das ermutigende Signale, nachdem die Europäische Union anfangs kein gutes Bild abgeliefert hat: Ursula von der Leyen, die doch mit ihrer „geopolitischen Kommission“ einen globalen Führungsanspruch markieren will, brauchte drei Tage, bis sie sich zu Wort meldete.

Nicht viel schneller – und ähnlich vage – waren die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Die Empörung über die europäischen Abstimmungsprobleme ließ nicht lange auf sich warten: Hilflos sei die Europäische Union, ohnmächtig und ein Verband von Leisetretern, klagen Kritiker. Aber das wird der Sache nicht gerecht.

Sicher, der Einfluss Europas in Nahost war und ist begrenzt. Ein größeres militärisches Engagement der Europäischen Union in der Krisenregion ist in naher Zukunft kaum vorstellbar, die Rolle einer Ordnungsmacht deshalb auch. Aber ohnmächtig sind die Europäer nicht. Ihre Stärke bleibt die Diplomatie. Die ist gerade jetzt gefragt.

Weder USA noch Iran können ein Interesse an Verschärfung der Lage haben

Die iranische Regierung wird sich sehr gut überlegen, ob sie tatsächlich die Brücken nach Europa abbrechen will, indem sie jetzt überzogen reagiert. Und auch wenn sich die Regierungschefs der Europäischen Union offene Kritik an den Vereinigten Staaten verkneifen, so ist der geballte Unmut über den völkerrechtswidrigen Angriff in Washington sehr wohl angekommen.

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    Nein, der Versuch zu deeskalieren ist nicht aussichtslos. Weder die USA noch der Iran können ein Interesse an einer weiteren Verschärfung der Lage haben. Sie wissen zudem – ebenso wie die EU und Russland –, dass der Kampf gegen den sie alle bedrohenden „Islamischen Staat“ weitergehen muss. Das setzt voraus, dass der Irak halbwegs stabil bleibt.

    Die EU und ihre Spitzenleute sind also gut beraten, sich jetzt mit vollem Einsatz für einen Ausstieg aus der Gewaltspirale einzusetzen. Mittelfristig reicht das nicht aus. In Brüssel muss dringend eine belastbare Strategie für den Nahen Osten entwickelt werden. Größeren Einfluss im Interesse der eigenen Sicherheit wird Europa in der Nachbarregion aber nur gewinnen, wenn seine Außenpolitik effizienter und ambitionierter wird und es auch seine militärischen Kräfte bündelt. Die heikle Lage in Nahost sollte Anlass sein, solche Pläne zügig umzusetzen.