Altenstadt. SPD, CDU und FDP machten einen Rechtsextremisten in Hessen zum Ortsvorsteher. Nach scharfer Kritik wollen sie ihn nun wieder abwählen.

Erst wählten sie ihn, nun wollen sie ihn wieder loswerden: Mit einem gemeinsamen Antrag wollen CDU, SPD und FDP die Abwahl des NPD-Ortsvorstehers im hessischen Altenstadt-Waldsiedlung erreichen. Das sagte die Kreisvorsitzende der CDU Wetterau und hessische Europaministerin, Lucia Puttrich, am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Zuvor hatte der Ortsbeirat einer hessischen Gemeinde den NPD-Funktionär einstimmig zum Ortsvorsteher gewählt. Alle sieben anwesenden Vertreter des Ortsbeirats von Altenstadt-Waldsiedlung wählten am Donnerstagabend den stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Stefan Jagsch zum Vorsteher, wie die Kreisgeschäftsstelle der CDU Wetterau bestätigte. Über die Gründe sagten einige der Mandatsträger, Jagsch sei immer korrekt aufgetreten, und außerdem sei er auch der einzige, der Mails verschicken könne.

Als Ortsvorsteher vertritt Jagsch nun den Ortsteil mit seinen 2500 Einwohnern nach außen und ist erster Ansprechpartner für die Menschen, die dort wohnen. Jagsch ist laut Hessenschau stellvertretender Landesvorsitzender der NPD und Landesschatzmeister. Auf Facebook schrieb er, er wolle „konstruktiv und parteiübergreifend mit allen zusammenarbeiten“. Und dann: „Aus dem Volk – für das Volk!“

CDU-Vorsitzende reagieren mit Unverständnis – und Entsetzen

Unter den Anwesenden, die den Neonazi zum Ortsvorsteher wählten, waren auch Mandatsträger der SPD, CDU und FDP. Zwei Abgeordnete von SPD und CDU waren bei der Abstimmung nicht anwesend. Zuvor hatte die Zeitung „Kreis-Anzeiger“ darüber berichtet.

Die Entscheidung der Lokalpolitiker hat in Berlin für scharfe Kritik gesorgt. Bundespolitiker der großen Parteien äußerten sich entsetzt. „Die SPD hat eine ganz klare Haltung: Wir kooperieren nicht mit Nazis! Niemals!“, schrieb SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil auf seinem Twitter-Profil. „Die Entscheidung in Altenstadt ist unfassbar und mit nichts zu rechtfertigen. Sie muss sofort rückgängig gemacht werden.“

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„Verantwortungslose Wahlentscheidung“

Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium und CDU-Politiker Peter Tauber, zu dessen Wahlkreis der Ort gehört, drohte mit Konsequenzen. „Wem der politische und moralische Kompass fehlt und (wer) als Demokrat eine solch verantwortungslose Wahlentscheidung trifft, ist in der CDU und auf einer CDU-Wahlliste untragbar“, twitterte er.

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Der Parlamentsgeschäftsführer der FDP im Bundestag, Marco Buschmann, nannte die Wahl „doppelt schlimm: erstens, dass Demokraten so jemanden wählen; zweitens, dass kein demokratischer Kandidat bereit stand, um die Aufgabe zu übernehmen“.

Die Kreisvorsitzende der CDU Wetterau, Lucia Puttrich, und der Vorsitzende der CDU Altenstadt, Sven Müller-Winter, reagierten in einer gemeinsamen Erklärung „mit Entsetzen und absolutem Unverständnis“ auf die Wahl des NPD-Funktionärs. „Zur einstimmigen Wahl haben leider auch zwei Ortsbeiratsmitglieder beigetragen, die bei der letzten Kommunalwahl über die CDU-Liste als Mitglied und als Nicht-Mitglied in den Ortsbeirat gewählt wurden.“

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Abgeordnete der SPD wählten Neonazi

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Von Christian Unger, Matthias Korfmann und Uta Winkhaus

. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen eine Gruppe von Polizeibeamten, die sich in Chatgruppen rechtsextremistische Propaganda zugeschickt haben sollen.

Ein weiterer Fall sorgt jetzt für Aufsehen: Auch an der hessischen Polizeiakademie stehen angehende Beamte im Visier der Justiz.

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Auf dieser Google-Karte ist zu sehen, wo die Waldsiedlung in Altenstadt liegt.

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Jagsch wurde vom Verfassungsschutz beobachtet

Rechtsextremist Jagsch wurde laut ARD-Hessenschau mehrfach in Berichten des hessischen Verfassungsschutzes genannt. Die NPD verfolge nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verfassungsfeindliche Ziele, die Wahl eines Politikers dieser Partei sei „für die CDU unfassbar und untragbar“, erklärten Müller-Winter und Puttrich, die auch hessische Ministerin für Bundes- und Europa-Angelegenheiten ist. Die „falsche Entscheidung“ müsse korrigiert worden, wozu bereits Gespräche aufgenommen worden seien.

Eine Sprecherin des Kreisverband der Grünen in der Wetterau, Myriam Gellner, sprach von einem „Blackout der Demokratie“. Die in dem Ortsbeirat nicht vertretene Partei sei „wie vor den Kopf gestoßen, dass Mitglieder demokratischer Parteien einen Verfassungsfeind in das repräsentative Amt eines Ortsvorstehers wählen“. (dpa/lhe/br)