Leipzig. War die Kandidatenaufstellung der AfD für die Landtagswahl in Sachsen rechtens? Darüber entscheidet nun der Verfassungsgerichtshof.

Der sächsische Landeswahlausschuss hatte Anfang Juli die Kandidatenliste der AfD zur Landtagswahl um zwei Drittel auf 18 Kandidaten gekürzt. War diese Entscheidung rechtens?

Die Antwort auf diese Frage will der Sächsische Verfassungsgerichtshof am Freitag (16 Uhr) in Leipzig geben. In einem Eilverfahren hatte die rechtspopulistische Partei Ende Juli einen ersten Teilerfolg erzielt. Nun wollen die Leipziger Richter ihre Entscheidung im eigentlichen Verfahren verkünden. Es geht um die Frage, ob die Liste am Ende 18, 30 oder 59 Namen umfasst.

AfD-Kandidatenliste gekürzt: Was entscheidet der sächsische Verfassungsgerichtshof?

Das neunköpfige Gericht muss urteilen, ob die Entscheidung des Landeswahlausschusses rechtens war, nur 18 Kandidaten der AfD-Landesliste zur Wahl zuzulassen. Gegen den Beschluss des Gremiums haben sich der AfD-Landesverband sowie acht Kandidaten gewehrt, die selbst von der Kürzung betroffen waren.

Das erfolgte mit Verfassungsbeschwerden und Eilanträgen. Allerdings ging es bereits in der mündlichen Verhandlung nur noch um 41 gestrichene Bewerber, nicht wie zunächst um 43. Denn für die Listenplätze 54 und 60 fehlten formale Voraussetzungen, hieß es nach der Verhandlung.

Warum genehmigte der Landeswahlausschuss die AfD-Liste zunächst nur bis Platz 18?

Der Landeswahlausschuss hatte die ursprünglich 61 Bewerber umfassende Liste Anfang Juli aus formalen Gründen auf 18 Kandidaten gekürzt. Dabei wurde vor allem moniert, dass die AfD auf zwei getrennten Parteitagen ihre Kandidaten aufstellte und das anfangs beschlossene Wahlverfahren später änderte.

Die ersten 30 Bewerber wurden per Einzelwahl bestimmt, der Rest in einem Blockwahlverfahren. Damit sah der Landeswahlausschuss die Chancengleichheit nicht gewährleistet.

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    Wie entschied das Gericht zu den Eilanträgen?

    Das Gericht ließ am 25. Juli vorläufig auch die Listenplätze 19 bis 30 zur Landtagswahl zu. Bei der Verkündung des Urteils zu den Eilanträgen fand die Vorsitzende Richterin deutliche Worte: „Die Entscheidung des Landeswahlausschusses zur Streichung dieser Listenplätze ist nach vorläufiger Bewertung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.“

    Da die Nichtzulassung der AfD-Kandidaten sogar zu Neuwahlen führen könnte, habe das Gericht den Eilanträgen teilweise zugestimmt. Die Verfassungsbeschwerden seien zulässig, befand das Gericht.

    Was bedeutet die vorläufige Zulassung der Listenplätze 19 bis 30 für das Urteil am Freitag?

    Der Verfassungsgerichtshof ist im eigentlichen Verfahren nicht an die Entscheidung zu den Eilanträgen gebunden. Dennoch habe die erste, vorläufige Entscheidung „Signalwirkung“, wie eine Sprecherin des Gerichts sagte.

    Welche Urteils-Szenarien sind denkbar?

    Der VGH kann die Verfassungsbeschwerde immer noch abweisen. Dann dürften trotz der ersten Entscheidung nur 18 Kandidaten der Landesliste antreten. Wahrscheinlicher ist, dass das Gericht die Entscheidung vom 25. Juli bestätigt und

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    Eine weitere Option ist, dass die Richter den Fall zurück an den Landeswahlausschuss verweisen. Dieser müsste dann erneut entscheiden. Möglich ist auch, dass das Gericht die gesamte AfD-Landesliste mit 59 Plätzen als rechtmäßig gewählt anerkennt.

    Ist das Urteil des Gerichts abschließend?

    Vor den Wahlen ist theoretisch noch eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe denkbar, wenn Beteiligte ihre Prozessgrundrechte verletzt sehen. Allerdings hat das Gericht eine Beschwerde der AfD in dem Fall bereits abgewiesen, die Erfolgsaussichten währen wohl eher gering.

    Nach den Landtagswahlen besteht die Möglichkeit auf ein Wahlprüfungsverfahren. Der neu gewählte Landtag kann in diesem Fall die Wahl teilweise oder ganz für ungültig erklären, wenn die Verteilung der Sitze beeinflusst worden sein könnte. Dann wird nach Paragraf 3 des Wahlprüfungsgesetzes beim Landtag ein Wahlprüfungsausschuss gebildet.

    Auf wie viele Sitze im Landtag könnte die AfD kommen?

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    Wie viele Mandate das am Ende ausmachen würde, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die FDP den Sprung als zusätzliche Partei in den Landtag schafft und die Karten somit neu mischt.

    Der sächsische Landtag hat insgesamt 120 Sitze. Durch Ausgleichs- und Überhangmandate gab es in der zu Ende gehenden Legislaturperiode 126 Abgeordnete. Sie verteilen sich wie folgt: CDU 26, Linke 27, SPD 18, AfD 9, Grüne 8, fraktionslos 5.

    Ist es üblich, dass Gerichte bei der Wahlorganisation mitsprechen?

    Bereits die erste Entscheidung des VGH rückt nach Einschätzung eines Verfassungsrechtlers von der bisherigen Rechtsprechung ab. Ein Gericht habe in Sachsen bislang nicht vor der Wahl eingreifen können, sagte Jochen Rozek von der Universität Leipzig.

    Die Entscheidung des Gerichts führe zu einem Zwei-Klassen-Rechtsschutz, kritisierte er. Denn in besonders schweren Fällen könne man nun vor der Wahl juristisch gegen die Entscheidungen des Landeswahlausschusses vorgehen. Weniger schwere Fälle würden hingegen weiterhin auf das Wahlprüfungsverfahren verwiesen. (mbr/dpa)