Berlin. Das „Sofortprogramm Saubere Luft“ kommt in Städten mit sehr hoher Schadstoffbelastung kaum an. Für die Grünen ein „typischer Flop“.

Es war eine große Runde, die sich im Dezember 2018 im Kanzleramt zusammenfand. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprachen mit Vertretern von 30 Städten mit schlechter Luft darüber, wie Fahrverbote für Dieselautos vermieden werden können. Am Ende verkündete Merkel, dass die Bundesregierung noch mehr Geld für ein „Sofortprogramm Saubere Luft“ zur Verfügung stellen werde.

Insgesamt 1,5 Milliarden Euro sollten bis zum Jahr 2020 für Elektroautos und -busse zur Verfügung stehen, sowie für die Nachrüstung von Dieselbussen oder die Digitalisierung von Verkehrssystemen. Inzwischen zeigt sich: Das Programm wirkt, aber nicht sofort.

„Sofortprogramm Saubere Luft“: Erst Bruchteil an Städte ausgezahlt

Aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion, die unserer Redaktion vorliegt, geht hervor, dass von den 1,5 Milliarden Euro bisher nur ein Bruchteil an die drei Städte ausgezahlt wurde, in denen aktuell Diesel-Fahrverbote gelten.

Konkret haben die Städte Hamburg, Stuttgart und Darmstadt insgesamt nur 1,68 Millionen Euro aus dem Sofortprogramm erhalten. Für geplante Projekte wurden den Städten von der Bundesregierung zusammen aber schon 110 Millionen Euro bewilligt.

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Grünen-Fraktionsvize Krischer: „Ein typischer Flop des Verkehrsministeriums“

„Das Sofortprogramm ist wieder so ein typischer Flop des Verkehrsministeriums“, urteilt Oliver Krischer, der für das Thema Verkehr zuständige Vizechef der Grünen-Fraktion. „Das Bündel an Förderprogrammen sollte Fahrverbote verhindern“, sagt Krischer. „Letztendlich ist es bis heute nur ein Beschäftigungsprogramm für die Beamten von Minister Scheuer.“

Aus Sicht des Ministeriums ist die Kritik nicht gerechtfertigt. Von den 1,5 Milliarden Euro sei bereits die Hälfte, also 750 Millionen Euro, „gebunden“, heißt es aus dem Haus von Minister Scheuer. Der Erfolg des Programms sei nicht an der ausgezahlten Summe zu bemessen. Entscheidender sei die Zahl der eingegangenen und bewilligten Anträge.

13 Städte von Diesel-Fahrverboten betroffen oder bedroht

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die vor allem aus Dieselmotoren stammen. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe, die die Dieselfahrverbote mit ihren Klagen maßgeblich vorangebracht hat, sind in Deutschland insgesamt 13 Städte von solchen Verboten betroffen oder unmittelbar bedroht.

Außer in Hamburg, Stuttgart und Darmstadt sind die Verbote aber noch nirgends tatsächlich in Kraft getreten. Die anderen Kommunen wehren sich noch in zahlreichen Gerichtsverfahren dagegen.

Dass diese Städte nicht von der Antwort des Ministeriums erfasst werden, liegt daran, dass der Grünen-Abgeordnete Krischer sich nur nach der Förderung in den „von Fahrverboten betroffenen Städten“ erkundigt hat. In seiner Antwort bezog sich das Ministerium dann juristisch korrekt nur auf die Kommunen, in denen ein Verbot wirklich schon gilt.

  • Hintergrund:

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Von Jochen Gaugele, Theresa Martus und Philipp Neumann

Städte erhalten Geld erst, wenn sie aktiv geworden sind

Der Auskunft zufolge bekam Hamburg für Luftreinhaltemaßnahmen 1,38 Millionen Euro überwiesen. Stuttgart bekam 243.523 Euro und Darmstadt 58.206 Euro. Wofür das Geld verwendet wurde, erläuterte das Ministerium nicht.

Der parlamentarische Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) wies in seiner Antwort darauf hin, dass die Gelder erst ausbezahlt werden, „wenn entsprechende Ausgaben durch die jeweiligen Zuwendungsempfänger getätigt und eine Rechnung vorgelegt wurde“. Mit anderen Worten: Erst wenn eine Stadt ihren Elektrobus bezahlt hat, wird der Zuschuss ausgezahlt.

Förderung auch für klimafreundlichere Ampelschaltungen

Bewilligt hat das Ministerium für die 28 größten Projekte in den drei Städten bisher insgesamt 109,56 Millionen Euro. Das Geld kommt aus dem Etat von Minister Scheuer, aber auch vom Bundesumwelt- und vom Bundeswirtschaftsministerium.

Verwendet werden soll es für den Kauf von Elektrofahrzeugen und -bussen, aber auch für die „Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme“. Damit ist gemeint, dass Ampeln so geschaltet werden, dass durch den Verkehrsfluss weniger Stickoxide aus Dieselmotoren produziert wird.

  • Hintergrund:

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Städtetag fordert eine längerfristige Förderung

Der Deutsche Städtetag nennt das Sofortprogramm zwar eine Hilfe für die Städte, in denen zu hohe Stickoxid-Werte gemessen werden. „Aber seine Wirkung darf nicht überschätzt werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Helmut Dedy, unserer Redaktion. „Wir brauchen eine grundsätzliche Verkehrswende.“

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Dafür brauche es mehr Geld als nur 1,5 Milliarden Euro: Er rechne mit einem zusätzlichen Bedarf von zwei Milliarden Euro pro Jahr, und das für mindestens zehn Jahre, sagte Dedy.

Der Hauptgeschäftsführer kritisierte das Verfahren beim Förderprogramm für saubere Luft als „noch zu bürokratisch“. Es gebe zu viele unterschiedliche Förderrichtlinien. Insgesamt seien die Anlaufschwierigkeiten aber überwunden. Nun brauche es noch Zeit, bis das Programm tatsächlich wirke.