Berlin. In der Bundeswehr arbeiten bald eigene Seelsorger für Juden und Muslime. Ursula von der Leyen spricht von einem Signal der Vielfalt.

Sie hat geprüft, geprüft und noch einmal geprüft, jahrelang. Jetzt hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) entschieden, die Juden und Muslime in der Bundeswehr von Rabbinern und Imamen betreuen zu lassen. Die Seelsorger sollen dieselben Aufgaben wie christliche Pastoren und Priester erledigen.

Das wünschten sich die Militärs seit langer Zeit, „dieser Wunsch ist berechtigt“, sagte von der Leyen unserer Redaktion. „Wir wollen den jüdischen und muslimischen Kameraden innerhalb der Bundeswehr die geistliche Begleitung ermöglichen.“ Ein Beschluss mit Signalwirkung.

300 Juden und 3000 Muslime dienen in der Truppe

Als die Militärseelsorger Ende der 50er-Jahre ihren Dienst in der Truppe aufnahmen, waren 98 Prozent der Soldaten Christen. Heute ist es nur noch die Hälfte, 53.000 Protestanten und 41.000 Katholiken. Zahlenmäßig fallen die 3000

und 300 Juden in der Bundeswehr kaum ins Gewicht.

Aber die Symbolkraft ist gewaltig: Für die Juden, die einst zu Tausenden im Kaiserreich Dienst geleistet und im Ersten Weltkrieg gekämpft haben, sind es – nach dem Völkermord der Nationalsozialisten – die ersten Rabbiner in den deutschen Streitkräften seit fast 100 Jahren. Für die Muslime, die längst über fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen, ist es der nächste Schritt zu Inte­gration und Vielfalt.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, begrüßte die Entscheidung. „Es ist ein gesellschaftliches Signal“, sagte Bartels der Deutschen Presse-Agentur zu der Entscheidung des Verteidigungsministeriums, für die sich der auch Zentralrat der Juden in Deutschland stark gemacht hatte. „Dieses Angebot ist ein Vertrauensbeweis in die Parlamentsarmee Bundeswehr“, so Bartels.

Die größten Pannen bei der Bundeswehr

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    Der Beauftragte für jüdisches Leben in Deutschland, Felix Klein, hat die Zusage der Bundesregierung für Militär-Rabbiner begrüßt und zugleich jüdische Seelsorger auch für andere Bereiche gefordert. „Aus meiner Sicht sollten diesem positiven Schritt nun weitere folgen“, sagte Klein dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Jüdische Seelsorge sollte auch bei der Bundespolizei sowie bei den Landespolizeien eingerichtet werden“, ergänzte er.

    Jüdische und muslimische Seelsorger lange angemahnt

    Neben dem Zentralrat der Juden hatten auch muslimischen Verbände die Seelsorger gefordert. Auch der Wehrbeauftragte hatte in der Vergangenheit mehrfach eine Entscheidung angemahnt. „Sie kommt nicht zu früh“, bemerkte er ironisch. Er halte es „für eine Art der Vervollständigung der Militärseelsorge“. Erst Ende Januar hatte die SPD-Fraktion jüdische und muslimischen Seelsorge gefordert.

    In den amerikanischen, französischen, britischen oder niederländischen Armeen gibt es seit Langem Militär-Rabbiner – und -Imame. Nach der Naziherrschaft war es unvorstellbar für Juden, je wieder in einer deutschen Armee zu dienen. Und unzumutbar. Gegen seinen Willen wurde zu Zeiten der Wehrpflicht kein Jude eingezogen.

    Gleichwohl haben sich seit Gründung der Bundeswehr vereinzelt Juden zum Wehrdienst gemeldet. Dass jüdisches Leben überall in Deutschland wieder blühe, sei ein großes Geschenk, sagte von der Leyen. „Gerade in Zeiten, in denen Antisemitismus, religiöse Polarisierung und Engstirnigkeit vielerorts auf dem Vormarsch sind, ist das ein wichtiges Signal“ betont sie.

    Hintergrund:

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    Zunächst nur ein oder zwei Rabbiner

    Die Bundeswehr will mit ein bis zwei Rabbinern in einer zentralen Anlaufstelle starten, mit einem Telefondienst, aber auch vor Ort, sogar bei den Auslandseinsätzen. Die Kandidaten sollen vom Zentralrat der Juden vorgeschlagen werden, mit dem die Bundesregierung einen Staatsvertrag abschließen wird.

    Komplizierter ist es mit den Muslimen. Nicht nur, dass sie sich – wie die wenigen Juden – über verschiedene Standorte der Bundeswehr verteilen. Nicht nur, dass sie oft konkurrierenden Islamrichtungen anhängen. Vor allem fehlt als Ansprechpartner eine zentrale Institution – eine „Amtskirche“ –, die auch repräsentativ wäre. Weshalb es bis heute auch keinen Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden gibt.

    Nach von der Leyens Plänen sollen muslimische Geistliche über sogenannte Gestellungsverträge an die Bundeswehr gebunden werden; mit welchen Verbänden ist noch ebenso offen wie der Zeitplan.

    Seelsorger müssen Theologie-Studium in Deutschland abgeschlossen haben

    Die Rabbiner machen den Anfang. Die Bedingung ist, dass die Seelsorger deutsche Staatsbürger sind, ihr Theologiestudium in Deutschland abgeschlossen und eine Sicherheitsüberprüfung bestanden haben. Die Fachaufsicht soll beim Zentralrat und dem noch auszuwählenden muslimischen Verband liegen, die Dienstaufsicht bei der Bundeswehr. Mit beiden Gruppen hat von der Leyen ihren Plan erörtert. Am Mittwoch wird sie dafür auf einer Fachtagung des Zentralrates werben.

    Die Nachfrage nach Seelsorgern ist da, gerade nach der „Grenzerfahrung“ (von der Leyen) eines Auslandseinsatzes. Die Soldaten suchen Betreuung, in der Praxis häufig sogar unabhängig davon, ob sie selbst gläubig sind oder nicht. „Die Seelsorge und die erlebte Gemeinschaft in Ritualen geben ihnen Anleitung und Kraft“, erläutert die Ministerin.

    Dieser Dialog sei besonders wertvoll, „weil er außerhalb des hierarchischen Gefüges stattfindet – aber mit Menschen, denen die militärischen Strukturen vertraut sind, die das Leben in der Bundeswehr kennen“, ergänzt sie. Der Anspruch darauf ist im Soldatengesetz verankert.

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    Ein Signal der „Vielfalt“ und der staatlichen Neutralität

    Juden und Muslimen wurde bislang bei Bedarf über das Zentrum Innere Führung in Koblenz ein Angebot außerhalb der Bundeswehr vermittelt. Von der Leyen will mit der künftigen erweiterten Militärseelsorge „einerseits die gewachsene Vielfalt und andererseits die weltanschauliche Neutralität“ unterstreichen. So unterschiedlich die Soldaten sein mögen, es eine sie der Eid, den sie geschworen hätten, so von der Leyen, sie hätten sich den Werten des Grundgesetzes verpflichtet. „Sie alle sind unverzichtbarer Teil einer modernen Bundeswehr.“