Berlin. Die Kanzlerin setzt auf eine stärkere europäische Verteidigung. Sie will einen Flugzeugträger – in Zusammenarbeit mit Frankreich.

Kühle Brise aus Paris: Der Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel, gemeinsam mit Frankreich einen europäischen Flugzeugträger zu bauen, ist im Nachbarland mit Skepsis aufgenommen worden. „So weit sind wir noch nicht. Es gibt eine Vielzahl von Fragen“, sagte die französische Verteidigungsministerin Florence Parly unserer Partnerzeitung „Ouest-France“.

„Handelt es sich um den Bau eines Flugzeugträgers, indem man europäische Industriekapazitäten zusammenlegt? Wären die Missionen in der Hand der Europäer? Wie sähe der Prozess aus?“, fragte Parly. Für Frankreich ist die Souveränität eine Schlüsselfrage.

Flugzeugträger für Europa: Kritik in Frankreich

Wenn es zum Beispiel um den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle gehe, lägen die Entscheidungen über Aufklärungsoperationen oder Militärschläge in der Hand der Regierung in Paris, unterstrich die Verteidigungsministerin.

„Entgegen der Kritik, die gelegentlich an uns geübt wird, handelt es sich in keinem Fall darum, dass grundsätzliche Elemente aufgegeben werden, die unsere Souveränität ausmachen“, so Parly. Die Chefin des rechtsextremen Rassemblement National, Marine le Pen, hatte der Regierung vorgeworfen, bei ihrem Vorstoß für eine engere europäische Verteidigungspolitik französische Souveränitätsrechte abzugeben.

Wolfgang Ischinger glaubt nicht an das Projekt

Wolfgang Ischinger und Angela Merkel.
Wolfgang Ischinger und Angela Merkel. © Getty Images | Alexandra Beier

Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger, Chef der Münchener Sicherheitskonferenz glaubt nicht, dass ein europäischer Flugzeugträger umsetzbar wäre.

Er hat große Zweifel an dem Projekt. „Ein Flugzeugträger ist ein Instrument geopolitischer/militärischer Machtprojektion“, schrieb der frühere Botschafter in Washington auf Twitter.

Voraussetzung dafür sei eine gemeinsame Strategie und „ein zielgerichteter Entscheidungsmechanismus“: Ischinger hat große Zweifel: Deutschland sei davon Lichtjahre entfernt, schreibt er weiter.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Angela Merkel will Flugzeugträger für Europa

Ein europäischer Flugzeugträger? Sie sei gern bereit, „daran mitzuarbeiten“, versicherte Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin nach einem Treffen mit dem lettischen Ministerpräsidenten Krisjanis Karins. Eine politische Überraschung.

Doch dahinter könnte auch Kalkül der Kanzlerin stecken, die auf US-Präsident Donald Trump zugehen könnte, der immer wieder eine Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben fordert und das Zwei-Prozent-Ziel der Nato anmahnt. Mit einem milliardenschweren Flugzeugträger wäre das Ziel in der Nähe.

Flugzeugträger für Bundeswehr-Marine – das Wichtigste in Kürze:

• Angela Merkel hat sich dafür ausgesprochen, einen europäischen Flugzeugträger zu bauen

• Das Milliarden-Projekt soll in Abstimmung mit Frankreich geplant werden

• Kritik kommt aus der SPD

Kanzlerin entwickelt Faible für Zukunftsmusik

Auf ihren Abschiedstagen entwickelt die Kanzlerin, die spätestens 2021 ausscheiden will, ein unbekanntes Faible fürs Militärische und für – Zukunftsmusik. Über Flugzeugträger verfügt die Marine bisher nicht. Bisher ist das Projekt zu kühn, um wirklich in Betracht gezogen zu werden. Schon gewöhnliche Kampfschiffe sind Mangelware.

Donald Trump (r.) und Angela Merkel beim G20-Gipfel.
Donald Trump (r.) und Angela Merkel beim G20-Gipfel. © dpa | ---

Flugzeugträger sind die Dinosaurier der Weltmeere, die größten Schiffe der Marine und eine Domäne der USA. Die Träger der amerikanischen Nimitz-Klasse sind über 300 Meter lang und haben einen Tiefgang von bis zu zwölf Metern. Das letzte Schiff dieser Klasse kostete 6,3 Milliarden US-Dollar, jeder Tag auf See schlägt mit rund 2,5 Millionen Dollar zu Buche. Das sind die Dimensionen, in die Merkel vorstößt.

Weder von ihrer Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) noch von Kassenwart Olaf Scholz (SPD) gab es dazu eine Reaktion. Ihnen dürfte es die Sprache verschlagen haben.

Allenfalls finanziell dürfte der Vorschlag den Rahmen sprengen. Politisch wie militärisch ist der Vorstoß keineswegs aus der Zeit gefallen. Auch China will mehr von diesen tonnenschweren Landebahnen, die auf den Meeren unterwegs sind. Japan denkt darüber nach, die Türkei will folgen.

Solche Waffensysteme haben einen hohen Prestigewert und sind mindestens ebenso ein Mittel zur Machtdemonstration wie zur Verteidigung im engeren Sinne. Sie sind die Erkennungszeichen der Großmächte, in Westeuropa jahrzehntelang ein Alleinstellungsmerkmal von Franzosen und Briten, den beiden Nationen mit Vetorecht im Sicherheitsrat der Vereinenten Nationen.

Die Kanzlerin bei einem Flottenbesuch in Rostock/Warnemünde.
Die Kanzlerin bei einem Flottenbesuch in Rostock/Warnemünde. © picture-alliance/ dpa | dpa Picture-Alliance / Jens Büttner

Frankreichs Marine hat seinen einzigen und atombetriebenen Flugzeugträger, die gerade erst renovierte „Charles de Gaulle“. Die zweijährige Überholung kostete dem Vernehmen nach mehr als eine Milliarde Euro.

Rückendeckung für die Parteichefin

Der Plan, einen Flugzeugträger gemeinsam zu entwickeln, ist nicht neu und war soeben von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer öffentlich ins Spiel gebracht worden.

Kramp-Karrenbauer hatte – als Antwort auf

Auch interessant

– in ihrem Konzept für eine EU-Reform an das gemeinsame Projekt eines europäischen Kampfflugzeugs erinnert.

„Im nächsten Schritt könnten wir mit dem symbolischen Projekt des Baus eines gemeinsamen europäischen Flugzeugträgers beginnen“, um der globalen Rolle der EU „als Sicherheits- und Friedensmacht Ausdruck zu verleihen“. Eine Erklärung für Merkels Vorstoß dürfte Rückendeckung für die Parteichefin sein.

CDU-Vorstoß zu Europa- Übergroßes Maß an Übereinstimmung

weitere Videos

    Ein Stück Emanzipation von der US-Führungsmacht?

    Es wäre nicht zuletzt eine logische Reaktion darauf, dass die USA sich unter Präsident Donald Trump nicht mehr selbstverständlich als Schutzmacht Europas betrachten. Ein Flugzeugträger als Emanzipationsstück von der westlichen Führungsmacht, als Projekt der europäischen Selbstbehauptung?

    • Abschied auf Raten:

    Auch interessant

    • Ende einer Ära:

    Auch interessant

    Mehr zum Thema:

    Auch interessant

    Trump hat seine europäischen Nato-Partner immer wieder aufgefordert, mehr für die Landesverteidigung auszugeben. Zielmarke: Zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts.

    Auch interessant

    – sie liegt bei 1,2 Prozent, Ressortchefin von der Leyen strebt gegen den Widerstand des Finanzministers 1,5 Prozent.

    Im April wurden weitere Milliardenverschwendungen bei Bundeswehr entdeckt.

    Aber mit dem Milliardenaufwand Flugzeugträger wäre das Zwei-Prozent-Ziel erreichbar. Doch Konflikte mit Trump bleiben:

    Auch interessant

    Wie wichtig ist die Nato für Deutschland?

    weitere Videos

      Kritik von der SPD an Flugzeugträgerplänen

      Bei der SPD löste die Idee für einen eigenen Flugzeugträger Kritik aus. „Annegret Kramp-Karrenbauer gibt teils völlig verfehlte, teils schlappe und unterm Strich gestrige Antworten auf Macron - mit Unterstützung der Kanzlerin“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner. Die SPD fordere eigene deutsche Initiativen für Frieden und Abrüstung. „Teure Aufrüstungsfantasien helfen uns nicht weiter“, sagte er weiter.

      Auch SPD-Fraktionsvize Achim Post äußert sich ähnlich: „Mit Blick auf die Regierung erwarte ich von Kanzlerin Merkel und der CDU und CSU aber europapolitische Koalitionsvertragstreue - gerade auch bei den Verständigungen zu Mindestlöhnen in Europa und zur Reform der Eurozone.“

      So viele Flugzeugträger gibt es

      Weltweit gibt es insgesamt 46 Flugzeug- und Hubschraubträger. Die meisten sind im Besitz der USA.

      • Hintergrund:

      Auch interessant

      Friedrich Merz kandidiert für den Vize-Vorsitz des CDU-Wirtschaftsrats.
      Von Jochen Gaugele, Kerstin Münstermann und Jörg Quoos