Rom. Bei der Abschlussrede zum Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan fordert Papst Franziskus zum Handeln auf. Einen Plan hat er aber nicht.

Papst Franziskus hat beim Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan sein Abschlussrede gehalten. Darin fanden sich große Worte wie Schuld, Ernsthaftigkeit und Vertuschung wieder. Doch was die Katholische Kirche konkret gegen Missbrauchsfälle und die mangelde Aufarbeitung tun will, ließ er weitestgehend offen.

Franziskus sagte in seiner Rede, dass Missbrauchsfälle in der Kirche noch schwerer wiegen würden als in anderen Teilen der Gesellschaft. „Die Unmenschlichkeit dieses Phänomens auf weltweiter Ebene wird in der Kirche noch schwerwiegender und skandalöser, weil es im Gegensatz zu ihrer moralischen Autorität und ihrer ethischen Glaubwürdigkeit steht.“, sagte er im Vatikan.

Gleichzeitig sagte Franziskus, dass Missbrauch ein „übergreifendes Problem“ sei, das überall vorkomme, aber vor allem Familien, Sportlehrer und Erzieher betreffe. „Kein Missbrauch darf jemals vertuscht - so wie es in der Vergangenheit üblich war - oder unterbewertet werden“, sagte das Katholikenoberhaupt.

Für die eigene Organisation kündigte er „größte Ernsthaftigkeit“ bei der Aufklärung solcher Fälle an. Wie dies konkret jedoch aussehen solle, blieb weitestgehend offen.

Der Papst kündigte zudem eine enge Zusammenarbeit mit der Justiz an. Dass dies in der Vergangenheit nicht immer der Fall war, hatten Beobachter immer wieder kritisiert. Bundesjustizministerin Katarina Barley hat die Katholische Kirche deshalb dazu aufgefordert, bei der Aufarbeitung der Missbrauchsskandale umfassend mit der Justiz zusammenarbeiten: „Missbrauchstaten sind von Strafgerichten zu beurteilen“, sagte die SPD-Politikerin unserer Redaktion.

Katarina Barley (SPD), Bundesjustizministerin, fordert die Katholische Kirche zum Handeln auf.
Katarina Barley (SPD), Bundesjustizministerin, fordert die Katholische Kirche zum Handeln auf. © dpa | Ralf Hirschberger

„Den Worten des Papstes müssen jetzt auch Taten folgen.“ Mit Blick auf die jahrzehntelange Praxis der Vertuschung von kirchlichen Missbrauchsfällen mahnte die Ministerin: „Unsere Strafprozessordnung kennt keine Geheimarchive.“ Schweigekartelle dürfe es nicht mehr geben. Zu lange habe die Kirche Erniedrigungen, Misshandlungen und Vergewaltigungen von Kindern verleugnet. „Der Gedanke, dass Kleriker, die schwere Schuld auf sich geladen haben, noch heute mit Kindern zu tun haben könnten, ist unerträglich“, so Barley.

Kardinal Marx kritisierte Verschwinden von Akten

Kurz nach Beginn der Konferenz hatte der deutsche Kardinal Reinhard Marx ein Ende der Geheimniskrämerei um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche gefordert. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz prangerte am Samstag offen Vertuschung und Machtmissbrauch an: „Akten, die die furchtbaren Taten dokumentieren und Verantwortliche hätten nennen können, wurden vernichtet oder gar nicht erst erstellt.“

Nötig seien nun Fakten und Offenheit. Nicht Transparenz, sondern Taten und deren Vertuschung fügten der Kirche Schaden zu, betonte Marx vor Papst Franziskus und den anderen Teilnehmern des Spitzentreffens.

Machtmissbrauch in der kirchlichen Verwaltung

„Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist zu einem nicht geringen Teil auf den Machtmissbrauch im Bereich der Verwaltung zurückzuführen.“ Die Verwaltung habe nicht dazu beigetragen, dass der Sendungsauftrag der Kirche erfüllt werde, sondern dass dieser „verdunkelt“ und unmöglich gemacht wurde.

Sexueller Missbrauch durch Geistliche wurde in der Vergangenheit in vielerlei Hinsicht vertuscht - auch in Deutschland. Aus der von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen und im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie geht hervor, dass in einigen deutschen Bistümern Akten „mit Bezug auf sexuellen Missbrauch Minderjähriger in früherer Zeit vernichtet worden waren“.

Immer wieder geraten auch hochrangige Kirchenvertreter in den Fokus, die Täter gedeckt haben sollen. Bekannt ist etwa der Fall des chilenischen Bischofs Juan Barros, der die Sexualdelikte des früheren Pfarrers und Priesterausbilders Fernando Karadima gedeckt haben soll.

Missbrauchsfälle nicht unter päpstliches Geheimnis stellen

„Transparenz bedeutet nicht die unkritische Annahme und die disziplinlose Verbreitung von Missbrauchsvorwürfen“, stellte Marx klar. Stattdessen sollten Vorwürfe geklärt und konkretisiert werden und die Öffentlichkeit, die Behörden und die römische Kurie zu gegebener Zeit darüber informiert werden.

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    Es gebe keine Gründe, warum Missbrauchsfälle unter das päpstliche Geheimnis fallen sollten, sagte Marx. Insgesamt müsse die Kirche vier Maßnahmen ergreifen: Vertraulichkeit und Geheimhaltung neu definieren, ihr Rechtssystem öffentlichen Standards anpassen, Zahlen und Einzelheiten zu Missbrauchsfällen öffentlich melden und gerichtliche Verfahren veröffentlichen.

    Fakten könnten Vertrauen stiften, betonte Marx. „Institutionelles Misstrauen führt zu Verschwörungstheorien bezüglich einer Organisation und Legendenbildung über eine Organisation.“

    Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat sich derweil enttäuscht gezeigt von den Ergebnissen des viertägigen Bischofstreffens zum Missbrauchsskandal im Vatikan. Es sei nur teilweise erkannt worden, dass die Probleme struktureller Art seien, erklärte der Bundesvorsitzende des Dachverbandes der katholischen Jugendverbände, Thomas Andonie.

    Vertrauen junger Menschen schwer erschüttert

    Die deutschen Bischöfe müssten ihr Engagement für Veränderungen intensivieren. „Solange es keine unabhängigen Untersuchungen der Vertuschung, keine Übernahme von persönlicher Verantwortung und keine angemessenen Entschädigungszahlungen gibt, ist der häufig formulierte Wille zur Veränderung für uns nicht glaubwürdig“, unterstrich Andonie.

    BDKJ-Bundesvorsitzende Lisi Maier kritisierte die rigide Sexualmoral der katholischen Kirche, die unbestraften Tätern sexualisierter Gewalt gegenüber stünde. „Das Vertrauen junger Menschen in kirchliche Institutionen ist schwer erschüttert“, betonte sie und forderte eine intensivere Präventionsarbeit der Kirche.

    Ein Missbrauchsfall scheint nun juristisch aufgearbeitet zu sein.

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    (jb/ac/dpa)