London. Das Brexit-Paket mit der EU neu verhandeln: Das will die britische Premierministerin May. Und bekommt Rückendeckung vom Unterhaus.

Im Brexit-Poker setzen die Briten jetzt die Europäische Union unter Druck: Premierministerin Theresa May verlangt mit überraschender Rückendeckung des Parlaments Nachverhandlungen über den fertigen Austrittsvertrag.

Bei der Abstimmung im Unterhaus votierten am Dienstag abend eine knappe Mehrheit von 317 Abgeordneten für einen Antrag, den Deal zur umstrittenen Nordirland-Frage wieder aufzuschnüren. Eine Mehrheit sprach sich zugleich gegen einen EU-Austritt ohne Abkommen aus. Forderungen nach Verschiebung des Austrittsdatums oder einem zweiten Referendum fanden keine Mehrheit.

Kommt es jetzt zum Showdown zwischen London und Brüssel?

Die Europäische Union lehnt die vom

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verlangte Änderung des Brexit-Vertrags nach wie vor ab. Dies teilte ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk am Dienstagabend in Brüssel mit. Diese Linie sei mit den Hauptstädten der 27 bleibenden EU-Staaten abgestimmt.

Der EU droht womöglich eine Zerreißprobe. Denn die Verantwortung, einen Brexit-Chaos ohne Vertrag zu verhindern, liegt plötzlich in Brüssel.

Das wollen die Briten

Die Abstimmung bedeutet starken Rückenwind für May. Vor zwei Wochen hatte sie die erste Abstimmung über den Vertrag krachend verloren. Anschließend forderten EU-Politiker, die Briten müssten endlich sagen, was sie wollten.

Genau das hat

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nun geliefert. Sie hat eine Mehrheit organisiert, vor allem in ihrer eigenen Tory-Fraktion – für eine Position, die theoretisch mit der EU vereinbart werden könnte. May sprach von der „nachdrücklichen Botschaft, was wir wollen“. Nach britischer Lesart ist der Beweis erbracht, dass der Deal gerettet werden kann – wenn die EU nur mitspielt.

May wird mit der Forderung nach Brüssel reisen, eine alternative Lösung auszuhandeln, die eine harte, kontrollierte Grenze zwischen EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland verhindert. Bisher soll gelten: Ein „Backstop“ garantiert, dass diese Grenze trotz Brexit auf jeden Fall offen bleiben kann.

Wenn und solange keine andere Lösung für diese Garantie gefunden ist, muss Großbritannien dafür in einer Zollunion mit der EU bleiben. Brexit-Hardliner fürchten dann die „ewige Gefangenschaft“ durch die EU – in einer Zollunion könnte London nicht einmal eigene Handelsverträge mit anderen Staaten abschließen.

Darum ist die EU in der Zwickmühle

Eigentlich lehnt die EU Änderungen am

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strikt ab. Am Dienstagmittag holte sich May am Telefon noch einmal eine Absage von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lehnte am Abend klar ab.

Vor allem EU-Mitglied Irland beharrt auf einer Garantie, die Grenze offenzuhalten – der fragile Frieden auf der Insel wäre sonst bedroht. Wie eine Alternativlösung aussehen könnte, ist völlig unklar. Außerdem fürchtet die EU, bei Nachverhandlungen gäbe es kein Halten mehr.

Doch May setzt darauf, dass die EU in letzter Minute noch einlenkt – andernfalls droht am 29. März ein chaotischer Brexit ohne Vertrag, der auch für viele EU-Staaten schädlich wäre. Schon bröckelt die Front: Die polnische Regierung hat sich bereits für eine zeitliche Befristung der „Backstop“-Lösung ausgesprochen. Kanzlerin Angela Merkel hat mit der Forderung, bis zur letzten Minute an einer vertraglichen Lösung zu arbeiten, zumindest Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Merkel: Großbritannien ist ein Teil Europas

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    So könnten Kompromisse aussehen

    Am ehesten wäre die EU wohl bereit, in einer rechtsverbindlichen Zusatzerklärung zum Vertrag noch Zugeständnisse zu machen – ohne den Deal selbst aufzuschnüren. Eine Überlegung in Brüssel ist, die Backstop-Lösung doch zeitlich zu befristen; im Gespräch sind intern fünf Jahre. Offiziell wird das bestritten.

    Viel hängt jetzt von der irischen Regierung ab – sie müsste einlenken. Aber gibt es gar keinen Vertrag, hätte EU-Mitglied Irland vom ersten Tag an mit einer harten Grenze zu Nordirland zu kämpfen. „Auch die EU muss einen ungeregelten Brexit fürchten“, heißt es in Brüssel. „Wir haben noch Spielraum.“

    Darum könnte ein Kompromiss scheitern

    EU-Beamte erklärten intern, die Forderung des britischen Parlaments sei zu vage. Auf dieser Basis sei nicht sicher, dass ein Entgegenkommen der EU zu einer Mehrheit für den Vertrag im Unterhaus führe. Das hatten EU-Verhandler aber verlangt. „Wir brauchen eine stabile Mehrheit für die Ratifizierung“, heißt es.

    May ist nur noch begrenzt Chefin des Verfahrens. Die Abgeordneten haben die Regie übernommen. In Brüssel wächst deshalb die Furcht vor einem Chaos-Brexit. Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff forderte die Bundesregierung nach der Abstimmung auf, sich auf einen harten

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    einzustellen. „Die Bundesregierung muss Deutschland jetzt endlich so umfassend auf den harten Brexit vorzubereiten wie Frankreich das schon lange tut“, sagte der Bundestags-Fraktionsvize unserer Redaktion. Lambsdorff warnte davor, den Briten zu weit entgegenzukommen: „Die EU-27 können sich auf der Zeitschiene flexibel zeigen, dürfen sich aber inhaltlich nicht erpressen lassen.“

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