Berlin. Premierministerin May hat das Land an den Rand des Abgrunds geführt. Das Einzige, was Brüssel tun kann, ist, London Zeit zu geben.

Die Abgeordneten im britischen Unterhaus haben „No“ gesagt zum Brexit-Vertrag, den Premierministerin Theresa May mit der Europäischen Union ausgehandelt hatte. Klar und eindeutig. Und endlich hatten die Anti-EU- und die Pro-EU-Demonstranten auf der Straße vor dem Parlament etwas gemeinsam – sie bejubelten die krachende Niederlage, die May erlitten hatte. Nichts macht das Dilemma, in dem sich Großbritannien befindet, deutlicher.

Getrieben von den Hardlinern und Lautsprechern, von Vorurteilen und Ressentiments hat die Premierministerin das Land an den Rande des Abgrunds geführt. Doch das Problem heißt jetzt nicht Theresa May – auch wenn sie so ziemlich alles falsch gemacht hat, was falsch zu machen war: Sie hat den Austrittsprozess (Artikel 50) ausgelöst, ohne ein Konzept in der Schublade zu haben oder auch nur eine Idee davon.

May steht nach Niederlagen immer wieder auf

Vor allem aber war sie unfähig, den Brexit zu einer nationalen Schicksalsfrage zu machen, die er zweifellos ist, auf die parteiübergreifend Antworten gefunden werden müssen. Viel zu lange dachte May, sie könne Brexiteers wie Boris Johnson zähmen, indem sie sie einbindet – und hat dabei unendlich viel Zeit verloren.

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    May, das ist offensichtlich, war und ist nicht die richtige Frau an der Spitze des Landes in diesen chaotischen Zeiten, auch wenn sie es erst mal bleibt. Und man weiß nicht, ob man Mitleid haben oder sie bewundern soll, wenn sie nach all den beispiellosen Niederlagen und Demütigungen immer wieder aufsteht und zum Rednerpult schreitet.

    Großbritannien taumelt haltlos durch die Gegenwart

    Aber es geht längst um mehr als um das Schicksal der Premierministerin. Großbritannien ist zutiefst gespalten.

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    Selbst der schwarze britische Humor hilft nicht mehr weiter. Abwarten und Tee trinken?

    Es wäre zu schön, die Briten fänden zu Gelassenheit und Vernunft zurück. Doch wir leben in Zeiten der Unvernunft, im „Ich“-Zeitalter, in dem Donald Trumps „America first“ Vorbildcharakter hat. Und es sieht eher danach aus, als taumele Großbritannien – angetrieben von den Schlachtrufen aus den politischen Grabenkämpfen – haltlos durch die Gegenwart.

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    So traurig es ist: Der giftige politische Egoismus ist dabei, das einst so stolze Königreich der Lächerlichkeit preiszugeben. Partner von früher würden sich am liebsten frustriert und kopfschüttelnd abwenden: Sollen sie doch gehen, sollen sie doch zusehen, wie sie klarkommen, sollen sie doch …

    Niemand glaubt, dass May einen „Plan B“ in der Schublade hat

    Aber so einfach ist das nicht. In der globalisierten Welt ist autonomes Inselglück eine Illusion. Doch nicht die Europäische Union ist am Zuge, eine Lösung zu finden, sondern die Regierung in London selbst. Nicht Brüssel muss Vorschläge unterbreiten, sondern die Briten müssen ihren Weg finden – wohl wissend,

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    Und die ehrliche Antwort auf die Frage, warum es so weit gekommen ist, steht immer noch aus.

    Das Einzige, was Brüssel noch tun kann, ist, den Briten Zeit zu geben, denn der Stichtag – 29. März – rückt immer näher. Und niemand wird ernsthaft glauben, dass May einen „Plan B“ in der Schublade hat, der, wenn er denn existiert, eine Mehrheit finden kann. Es ist Zeit, zur Besinnung zu kommen. Zeit, das Scheitern einzugestehen und erneut das Volk zu befragen. Und Zeit für Europa selbst, sich auch nach einer weiteren Volksbefragung auf einen harten Brexit vorzubereiten.