Brüssel/London. Das britische Parlament hat den Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May abgelehnt. Sieben Szenarien, was jetzt folgen könnte.

Ganz Europa blickt besorgt nach London: Das britische Parlament hat nach monatelangem Drama über den Brexit-Vertrag abgestimmt – und ihn mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

In London, Brüssel und Berlin wächst dadurch die Furcht vor einem Chaos-Brexit am 29. März mit drastischen Folgen für ganz Europa und

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Noch aber gibt es Auswege, ein Austritt ohne Vertrag kann noch abgewendet werden. Aber wie?

So kann es beim Brexit-Poker weitergehen – die Szenarien vor der Abstimmung:

• Brexit-Szenario 1: Zweite Abstimmung

May kann nach der Niederlage eine zweite Abstimmung im Unterhaus ansetzen in der Hoffnung, dass dann doch noch eine Mehrheit zustande kommt. Das ist der Plan, den die Premierministerin seit Monaten verfolgt.

Theresa May kämpfte für das Abkommen - und scheiterte.
Theresa May kämpfte für das Abkommen - und scheiterte. © dpa | Mark Duffy

Ihr Kalkül: Das Nein löst wegen des drohenden Chaos’

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Schon jetzt steigt die Nervosität auf der Insel, die Furcht vor einer Rezession wächst: Den nahenden Chaos-Brexit als Alternative vor Augen, könnte im zweiten Anlauf womöglich doch noch eine Parlamentsmehrheit für den Vertrag stimmen. Zumal es für Mays Gegner immer schwerer wird, Alternativen durchzusetzen, je näher der Austrittstermin rückt.

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    Sie will Garantien, dass Großbritannien unter keinen Umständen gezwungen ist, dauerhaft eine Zollunion mit der EU einzugehen – auch wenn es keine andere Lösung gibt, um die Grenze zwischen Irland (EU-Mitglied) und Nordirland (Vereinigtes Königreich) offen zu halten.

    An dieser Notfallklausel im Vertrag („backstop“) vor allem entzündet sich der Widerstand von Mays Kritikern: Sie sehen die Handlungsfreiheit Großbritanniens nach dem EU-Austritt unzumutbar stark eingeschränkt.

    Die EU-Spitzen lehnen zwar offiziell substanzielle Änderungen am Vertrag ab, an der offenen Grenze in Irland und dem „backstop“ wollen sie nicht rütteln lassen. Aber in Brüssel signalisieren Diplomaten unter der Hand, dass es noch Spielraum geben könnte.

    „Auch die EU muss einen ungeregelten Brexit fürchten“, sagt ein Beteiligter unserer Redaktion. Außenminister Heiko Maas sagte am Dienstag in Straßburg, sicher würden noch einmal Gespräche geführt, wenn auch nicht über ganz neue Lösungen. Sogar ein neuer Brexit-Sondergipfel der EU-Regierungschefs gilt als möglich.

    Dort würde der irische Premierminister unter Druck gesetzt, einen Kompromiss zur irischen Grenze – eine klare zeitliche Befristung der „backstop“-Notlösung – zu akzeptieren. Doch ein solches Entgegenkommen der EU halten Diplomaten nur für denkbar, wenn die Aussicht auf eine Mehrheit im zweiten Anlauf besteht – geht May im Parlament krachend unter, wird Brüssel wohl mauern.

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    Winken die britischen Abgeordneten am Ende den Vertrag aber doch durch, steht nur noch die Zustimmung des EU-Parlaments aus, aber die gilt als Formsache. Dann würde Großbritannien die EU am 29. März mit einem ordentlichen Scheidungsvertrag verlassen.

    • Brexit-Szenario 2: Chaos-Brexit ohne Vertrag

    Kommt es nicht zu einem zweiten Versuch oder scheitert auch der, ist ein ungeregelter Austritt wahrscheinlich – aber nicht zwingend.

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    Großbritannien wäre für die EU über Nacht „Drittland“, nach den Welthandels-Regeln müssten sofort gegenseitig Zölle erhoben werden. Als Folge dürfte es an den Grenzen zum Chaos kommen. Bricht die Aus- und Einfuhr von Waren zusammen, drohen auf der Insel erst Panikkäufe, dann Versorgungsengpässe – die britische Regierung hat vorsorglich Schiffe gechartert und will Teile der Armee mobilisieren.

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    aber auch auf dem Kontinent käme es zu großen Problemen, weil britische Airlines ihre Lizenzen für innereuropäische Flüge verlören.

    Auf dem Kontinent hätte die Wirtschaft den größten Schaden: Lieferketten würden unterbrochen, die Bürokratie würde zur Belastung. Die deutsche Wirtschaft würde mit drei Milliarden Euro jährlich für den Zoll belastet, schätzen Experten.

    Labour-Chef Jeremy Corbyn.
    Labour-Chef Jeremy Corbyn. © dpa | House Of Commons

    Ungewissheit steht auch Briten in der EU und EU-Bürgern auf der Insel bevor, die sich neu um Aufenthaltsrechte bemühen müssten.

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    Im EU-Haushalt würden bis Ende 2020 rund 16,5 Milliarden Euro an britischen Nettobeiträgen fehlen – Deutschland müsste zum Ausgleich einen Anteil von 4,2 Milliarden Euro zusätzlich überweisen.

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    und die Folgen möglichst abzumildern – mit Plänen für Notgesetze oder zusätzlichem Personal etwa beim Zoll. Aber vieles ist noch nicht geklärt.

    • Brexit-Szenario 3: Verschiebung des Austritts

    Um einen wilden Brexit erstmal abzuwenden, könnte die britische Regierung beantragen, das Austrittsdatum zu verschieben. Die EU-Mitgliedstaaten müssten dem zustimmen, werden eine Verlängerung wohl akzeptieren. Entsprechende Signale haben Londoner Emissäre in Brüssel bereits erhalten.

    Allerdings gilt nur eine Verlängerung bis 1. Juli als unproblematisch: Danach tritt das Ende Mai neugewählte EU-Parlament zusammen. Wenn Großbritannien dann noch EU-Mitglied sein will, müssten die Briten vorher an der Europawahl teilnehmen – trotz Austritts-Plan.

    Was der Zeitgewinn bringen würde, ist ohnehin unklar. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, der dem Brexit-Komitee des EU-Parlaments angehört, winkt bereits ab: „Ich sehe nicht, was es bringen soll, noch länger zu verhandeln – wir werden dann zu keinen neuen Lösungen kommen.“

    Die EU will den Vertrag auf keinen Fall neu verhandeln, sieht allein London am Zug – etwa indem in Großbritannien ein erneutes Brexit-Referendum abgehalten wird. Die britische Regierung könnte aber umgekehrt den Druck auf die EU erhöhen.

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    Zum Beispiel so: Brüssel soll gedrängt werden, Großbritannien auch ohne Deal eine mehrjährige Übergangsphase einzuräumen, in der die künftigen Beziehungen geregelt werden und sich erstmal nur wenig ändert – London müsste nicht die Kröten des Scheidungsvertrags schlucken und könnte ein ganz neues Paket schnüren. In Brüssel wird das offiziell abgelehnt. Aber Beamte in der Kommission räumen ein: „Es wird nicht einfach, an dieser Position festzuhalten.“

    • Brexit-Szenario 4: Neuverhandlungen

    Im britischen Parlament ist die Weigerung der EU, den Brexit-Deal neu zu verhandeln, bekannt – trotzdem diskutieren Abgeordnete, May einen neuen Verhandlungsauftrag zu erteilen, mit dem sie nach Brüssel reisen müsste.

    Dabei kursiert auch der Vorschlag, Großbritannien solle dem Beispiel Norwegens folgen: Es bliebe Mitglied des Binnenmarktes und eng an die EU angebunden. Noch ist eine Mehrheit dafür nicht in Sicht.

    • Brexit-Szenario 5: Volksabstimmung

    Die Idee eines zweiten Brexit-Referendums in Großbritannien findet auf der Insel immer mehr Sympathisanten. Eine Variante wäre, die Bürger über den Brexit-Vertrag abstimmen zu lassen. Denkbar wäre aber auch ein erneutes Votum zum EU-Austritt –

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    Doch sicher ist nur, dass die Entscheidung auch diesmal knapp wäre. Premierministerin May hat ein zweites Referendum kategorisch abgelehnt. Sie warnt, damit würde die Spaltung des Landes bloß noch weiter vertieft. Das Parlament könnte das Verfahren trotzdem in Gang setzen. Aber: Auch für diese Variante ist bislang keine Parlamentsmehrheit in Sicht.

    • Brexit-Szenario 6: Neuwahlen

    Eine andere Variante der Volksbefragung bevorzugt die oppositionelle Labour-Partei: Die Neuwahl des Parlaments. Labour-Chef Jeremy Corbyn hatte im Vorfeld schon angekündigt, ein Misstrauensvotum einzubringen. Weil Mays konservative Tory-Fraktion aber kein Interesse an Neuwahlen hat, stehen ihre Chancen gut, dass Misstrauensvotum zu überstehen.

    • Szenario 7: Exit vom Brexit

    Theoretisch könnte Großbritannien angesichts der Probleme den Brexit auch ohne Referendum oder Wahl noch ganz absagen. Dafür bräuchte es nicht mal das Einverständnis der EU. Einem solchen

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    müsste allerdings, wenn er nicht per Referendum erzwungen wird, das britische Parlament zustimmen. Bislang scheint das aussichtslos.