Berlin. Die Politik diskutiert über das Problem doppelter Krankenkassenbeiträge für Betriebsrentner. Arbeitgeber fürchten einen Präzedenzfall.

Die SPD will es, CDU und CSU auch, und wenn beide Koalitionspartner sich einig sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich etwas ändert. In diesem Fall geht es um gesetzlich versicherte Betriebsrentner, die darunter leiden, dass sie zum Teil doppelte Krankenkassenbeiträge zahlen müssen.

Konkrete Vorschläge, wie das Problem zu lösen ist, gibt es. Das Problem: Sie alle kosten mehrere Milliarden Euro. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der aus den Vorschlägen ein Gesetz machen müsste, zögert unter anderem deshalb mit einem eigenen Vorschlag.

Arbeitgeber wollen an Status quo festhalten

Auch die Arbeitgeber sind skeptisch. Sie sind auch wegen grundsätzlicher Überlegungen gegen eine Entlastung von Betriebsrentnern: „Die jetzigen Vorschläge schaffen mehr Ungerechtigkeiten, als sie beseitigen“, sagt Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), unserer Redaktion.

Die Vorschläge würden „fast ausschließlich Betriebsrentner begünstigen, die gar nicht von der Doppelverbeitragung betroffen sind. Die Rechnung dafür müssten alle anderen Beitragszahler der Kranken- und Pflegeversicherung durch höhere Zusatzbeiträge zahlen.“ Mit anderen Worten: Die BDA würde am liebsten alles so lassen, wie es ist.

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    Gerichte halten unterschiedliche Belastungen für zulässig

    Das Problem an der Debatte ist, dass es zwei unterschiedliche Ansichten darüber gibt, was „doppelte Krankenkassenbeiträge“ sind. Die eine Sichtweise geht so: Etwa fünf Millionen Betriebsrentner – genaue Zahlen gibt es nicht – zahlen derzeit auf das Einkommen aus ihrer Betriebsrente nicht nur den normalen Arbeitnehmer- bzw. Rentneranteil des Kassenbeitrags. Sie zahlen auch den Arbeitgeberanteil in gleicher Höhe.

    Die Regel erscheint deshalb ungerecht, weil für die normale Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nur der halbe Kassenbeitrag von 7,3 Prozent und der Zusatzbeitrag fällig sind. Die andere Hälfte zahlt die Rentenversicherung. Riester-Renten sind sogar komplett frei von Kassenbeiträgen. Vor Gericht sind diese unterschiedlichen Belastungen mehrfach als zulässig erachtet worden.

    BDA spricht von Hunderttausenden Betroffenen

    Die andere Sichtweise auf die „Doppelverbeitragung“ ist diese: Von einem „doppelten Krankenkassenbeitrag“ kann nur gesprochen werden, wenn der Kassenbeitrag nicht nur auf die Betriebsrente fällig wird, sondern wenn er bereits während des Arbeitslebens auf die Beiträge für diese Betriebsrente gezahlt wurde – das heißt , wenn die Betriebsrente einst aus dem Netto-Einkommen finanziert wurde.

    Nach Angaben der BDA trifft dies auf mehrere Hunderttausend Betriebsrentner zu. Seit 2005 nämlich können Betriebsrenten vor dem Abzug der Kassenbeiträge aus Bruttoeinkommen finanziert werden.

    „Die Diskussion um Betriebsrenten hat einen sonderbaren Verlauf genommen“, wundert sich BDA-Mann Kampeter. „Aus der Klage über die zweimalige Belastung der betrieblichen Altersvorsorge mit Krankenkassenbeiträgen ist eine Kritik am vollen Krankenkassenbeitrag auf Betriebsrenten geworden.“ Das sei ein „großer Unterschied“.

    Arbeitgeber wollen Präzedenzfall verhindern

    Diskutiert wird in der Koalition tatsächlich nur, ob und inwieweit der volle Kassenbeitrag auf die Betriebsrente abgeschafft werden kann. Arbeitgebervertreter Kampeter kritisiert das: „Wenn auf die Einkünfte aus Betriebsrenten nicht mehr der volle Krankenkassenbeitrag gezahlt würde, würde das Betriebsrentner bevorzugen“, sagt er.

    Sein Argument: „Bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist Doppelverbeitragung die Regel, ohne dass das irgendjemand in der Politik stört.“ Entlastungen für die betriebliche Altersvorsorge könnten schnell dazu führen, dass auch für andere Alterssicherungssysteme entsprechende Beitragsentlastungen gefordert werden. „Dann würde es aber sehr teuer für alle“, so Kampeter.

    Vor allem westdeutsche Männer würden profitieren

    In einem Positionspapier der BDA heißt es ergänzend: „Die erheblichen Nachteile einer gesetzlichen Änderung wären größer als die Beibehaltung des Status quo.“ Weiter rechnen die BDA-Experten vor, dass von einem geringeren Kassenbeitrag auf Betriebsrenten vor allem westdeutsche Männer profitieren würden – sie haben in der Regel alle eine Betriebsrente.

    Die SPD hält dennoch an ihren Plänen fest: „Das Problem mit den doppelten Krankenkassenbeiträgen auf Betriebsrenten muss endlich aus der Welt geschafft werden“, sagt Fraktionsvize Karl Lauterbach. „Das sind wir den Bürgern schuldig.“

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