Berlin. Nach einem umstrittenen Internet-Video verabschiedet sich der Grünen-Chef aus den sozialen Netzwerken. Er folgt damit einem Trend.

Robert Habeck hat genug. Steigt aus. Macht nicht mehr mit bei Twitter und Facebook. In einer Zeit, in der ein Politiker, der nicht in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, als gestrig gilt, und in der die Deutschen über eine Kanzlerin spotten, die das Internet als „Neuland“ bezeichnete, entscheidet sich der Grünen-Chef für die digitale Entschleunigung. Schluss mit dem Online-Stress.

Der Grund: Habeck hat, wie er sagt, in der Nacht zum Montag kein Auge zugemacht. Sein verunglücktes Internet-Video ließ ihm keine Ruhe. Er hatte zur Landtagswahl in Thüringen, die im Oktober stattfindet, gesagt: „Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land.“

Ist das Bundesland etwa nicht demokratisch? Die Kritik am Grünen-Vorsitzenden war massiv. Für Irritation sorgte zusätzlich, dass seine Partei mit Linken und Sozialdemoraten Thüringen regiert.

„Ich beiß mir in den Arsch“, sagt Habeck am Montagmorgen. Und: Das sei „einfach nur dämlich“ gewesen. Mit anderen Worten: Er sieht ein, dass er die sozialen Medien nicht beherrscht. Schlaflos in Twitter-Land.

Robert Habeck hat keine Lust mehr auf das Instrument von Donald Trump

Das verunglückte Video zur Thüringen-Wahl ist der erste große Fehler von Robert Habeck seit er vor einem knappen Jahr neben Annalena Baerbock zum Grünen-Vorsitzenden gewählt wurde.

2018 war das Jahr der großen Erfolge bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen, die Umfragen sehen die Grünen bundesweit immer noch relativ stabil bei knapp 20 Prozent.

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15.10.2018, Berlin: Robert Habeck, Bundesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, beantwortet auf dem Podium der Bundespressekonferenz Fragen zu den Ergebnissen der Landtagswahlen in Bayern. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Von Jochen Gaugele und Alexander Kohnen

Habeck hat Literatur und Philosophie studiert, vor kurzem hat er ein Buch geschrieben mit dem Titel „Wer wir sein könnten – Warum unsere Demokratie eine offene und vielfältige Sprache braucht“.

Ja, das mit der Sprache.

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Habeck trägt manchmal etwas zu dick auf, doch das Image des nachdenklichen Mannes hat einen wahren Kern: Er ist kein Polarisierer, kein Holzhammer-Politiker.

Auch das schwingt bei dem Twitter-Verzicht mit: Habeck hat keine Lust mehr auf das Instrument von US-Präsident Donald Trump.

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Habeck macht aus einem Fehler einen Vorteil

Und es ist nicht nur eine Entscheidung, die zu Habeck passt. Sondern auch eine Entscheidung, die wahrscheinlich viele Grünen-Sympathisanten nachvollziehen können.

Habeck schließt sich dem Trend der digitalen Entschleunigung an, des achtsamen und bewussten Umgangs mit sozialen Netzwerken – was auch im Verzicht münden kann.

Detox you life – Entgifte dein Leben, auch digital. Viele Menschen, die morgens zuerst zum Smartphone greifen und sich vielleicht schon als onlinesüchtig einstufen, denken darüber nach, wie man seine knappe Zeit entspannter und damit auch gesünder verbringen kann. Vielleicht wird Habeck diesen Trend noch verstärken.

Am Ende gelingt es Habeck, einen politischen Fehler in einen Vorteil umzumünzen.