Berlin. Der nächste Versuch: Die SPD will Thilo Sarrazin aus der Partei ausschließen. Doch die Hürden für einen Parteiausschluss sind hoch.

Der SPD-Vorstand will erneut versuchen, den umstrittenen Autor Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen. Das teilte Generalsekretär Lars Klingbeil am Montag mit.

Auf Twitter postete Klingbeil ein Video-Statement: „Im August haben wir entschieden, die Äußerungen Thilo Sarrazins erneut überprüfen zu lassen. Die Untersuchungskommission hat jetzt einen umfassenden und sehr fundierten Bericht vorgelegt.“

Dies Kommission sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Thesen Sarrazins nicht mit den Grundsätzen der Partei vereinbar seien und er der SPD einen „schweren Schaden zufügt“. Darum habe man entschieden, ein neues Parteiordnungsverfahren einzuleiten, erklärt Klingbeil weiter. Das Ziel sei, Sarrazin auszuschließen.

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Die Untersuchungsergebnisse wird die SPD vorerst nicht veröffentlichen. „Der Bericht ist Gegenstand des laufenden Verfahrens und wird entsprechend nicht veröffentlicht“, sagte eine Parteisprecherin der Deutschen Presse-Agentur.

Darüber hinaus gelte im Rahmen eines Parteiordnungsverfahrens die Verschwiegenheitspflicht nach Paragraf 17 Schiedsordnung. „Dies gilt für die Mitglieder der Schiedskommission sowie für alle Beteiligten und Beistände des Verfahrens“, erklärte sie.

Thilo Sarrazin: Habe keine SPD-Grundsätze verletzt

Sarrazin selbst reagierte gelassen. Der Beschluss des SPD-Parteivorstands sei „Teil des innerparteilichen Machtkampfes um die künftige Linie der SPD“, sagt er dem Berliner „Tagesspiegel“. Er sei nicht überrascht über die Entscheidung der Parteiführung und warte nun in Ruhe ab, „was der SPD-Vorstand mir schreiben wird“. Er behalte sich vor, einen Anwalt einzuschalten und den Rechtsweg zu beschreiten.

Der „Passauer Neuen Presse“ sagte er: „Ich weiß, dass ich in meinem neuen Buch ‘Feindliche Übernahme’ keine sozialdemokratischen Grundsätze verletzt habe. Das gilt auch für meine vorherigen Veröffentlichungen.“

Er arbeite mit Fakten, auf deren Basis er seine Argumentation aufbaue. Er sei seit 45 Jahren SPD-Mitglied und seine politischen Grundeinstellungen hätten sich „in diesen 45 Jahren nicht verändert“. Von dem Beschluss des Vorstandes habe er aus den Medien erfahren.

Thilo Sarrazin ist umstrittener Buchautor

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Damals gab es bereits Forderungen, den 73-Jährigen aus der SPD zu schmeißen. Eine Arbeitsgruppe wurde zudem damit beauftragt, das Buch zu prüfen und die Möglichkeit eines Parteiausschlussverfahrens auszuloten.

Die SPD ist schon zweimal mit dem Versuch gescheitert, den früheren Berliner Finanzsenator aus der Partei zu werfen. Sarrazin hatte unter anderem als Auflage bekommen, sich nicht parteischädigend zu verhalten. Er ist als Autor vor allem für seinen 2010 erschienen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ bekannt.

Hohe Hürden für Parteiausschluss

Sarrazin argumentiert, nur entstandene Zustände zu beschreiben, nicht aber rassistisch zu argumentieren. Eine der zentralen These ist, dass Deutschland eine schleichende Überfremdung durch die starke Zunahme von Einwanderern muslimischen Glaubens drohen könnte.

Die Hürden für einen Parteiausschluss sind generell hoch, damit er nicht als Instrument missbraucht werden kann, missliebige Menschen loszuwerden. Der frühere Ministerialbeamte, Staatssekretär, Senator und Bundesbanker Sarrazin hatte im Sommer gesagt, er fühle sich in der SPD „nach wie vor gut aufgehoben“.

(dpa/jha)

Parteien gegen Politpromis

Das Ausschlussverfahren ist die schärfste Sanktion gegen Parteimitglieder und ein in Deutschland eher seltener Vorgang. Gegen Björn Höcke – dem Entfant Terrible der AfD – wurde am 13. Februar ein Parteiausschlussverfahren beschlossen. Der Fall landet nun vor dem Schiedsgericht des AfD-Landesverbandes.
Das Ausschlussverfahren ist die schärfste Sanktion gegen Parteimitglieder und ein in Deutschland eher seltener Vorgang. Gegen Björn Höcke – dem Entfant Terrible der AfD – wurde am 13. Februar ein Parteiausschlussverfahren beschlossen. Der Fall landet nun vor dem Schiedsgericht des AfD-Landesverbandes. © dpa | Hendrik Schmidt
Begründet wurde dieser Schritt mit Höckes Rede zum deutschen Geschichtsverständnis am 17. Januar in Dresden. Darin hatte er eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert und beklagt, die positiven Elemente der deutschen Historie würden im Vergleich zu den Gräueltaten der Nazi-Zeit nicht genügend beachtet.
Begründet wurde dieser Schritt mit Höckes Rede zum deutschen Geschichtsverständnis am 17. Januar in Dresden. Darin hatte er eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert und beklagt, die positiven Elemente der deutschen Historie würden im Vergleich zu den Gräueltaten der Nazi-Zeit nicht genügend beachtet. © dpa | Martin Schutt
Thilo Sarrazin: In seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ hatte der frühere Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Vorstand umstrittene Thesen über muslimische Zuwanderer und „kleine Kopftuchmädchen“ verbreitet. Mit dem Versuch, Sarrazin aus der SPD auszuschließen, erlitt die Parteiführung im Jahr 2011 jedoch Schiffbruch.
Thilo Sarrazin: In seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ hatte der frühere Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Vorstand umstrittene Thesen über muslimische Zuwanderer und „kleine Kopftuchmädchen“ verbreitet. Mit dem Versuch, Sarrazin aus der SPD auszuschließen, erlitt die Parteiführung im Jahr 2011 jedoch Schiffbruch. © imago | Thomas Lebie
Beide Seiten verständigten sich auf eine gütliche Einigung. Sarrazins Verbleib in der Partei wurde damals jedoch von vielen Beobachtern als Niederlage für die SPD-Spitze beurteilt.
Beide Seiten verständigten sich auf eine gütliche Einigung. Sarrazins Verbleib in der Partei wurde damals jedoch von vielen Beobachtern als Niederlage für die SPD-Spitze beurteilt. © REUTERS | REUTERS / HEINZ-PETER BADER
Sebastian Edathy: Wegen Vorwürfen um den angeblichen Besitz von kinderpornografischen Fotos wollte die SPD-Spitze den früheren Bundestagsabgeordneten ausschließen. Damit scheiterte sie im Jahr 2015 jedoch vor der Bezirksschiedskommission der SPD Hannover, die einen schweren Schaden für die Partei als nicht nachweisbar einstufte.
Sebastian Edathy: Wegen Vorwürfen um den angeblichen Besitz von kinderpornografischen Fotos wollte die SPD-Spitze den früheren Bundestagsabgeordneten ausschließen. Damit scheiterte sie im Jahr 2015 jedoch vor der Bezirksschiedskommission der SPD Hannover, die einen schweren Schaden für die Partei als nicht nachweisbar einstufte. © Getty Images | Adam Berry
In einem Berufungsverfahren einigte man sich dann auf einen Kompromiss: Danach bleibt Edathy zwar in der Partei, aber er muss seine Rechte als SPD-Mitglied für fünf Jahre ruhen lassen.
In einem Berufungsverfahren einigte man sich dann auf einen Kompromiss: Danach bleibt Edathy zwar in der Partei, aber er muss seine Rechte als SPD-Mitglied für fünf Jahre ruhen lassen. © imago | Wiegand Wagner
Wolfgang Clement: Der frühere SPD-Vize und Bundeswirtschaftsminister warnte im Januar 2008 indirekt davor, bei der Hessen-Wahl die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zu wählen. Drei SPD- Gruppierungen beantragten daraufhin Clements Ausschluss wegen „parteischädigender Äußerungen“.
Wolfgang Clement: Der frühere SPD-Vize und Bundeswirtschaftsminister warnte im Januar 2008 indirekt davor, bei der Hessen-Wahl die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zu wählen. Drei SPD- Gruppierungen beantragten daraufhin Clements Ausschluss wegen „parteischädigender Äußerungen“. © imago | Wolf P. Prange
Nach monatelangem Streit entschied sich die Bundesschiedskommission gegen den Ausschluss und beließ es bei einer Rüge. Clement fand diese Rüge jedoch „unangemessen“ und trat im November 2008 aus der SPD aus – nach fast 40 Jahren.
Nach monatelangem Streit entschied sich die Bundesschiedskommission gegen den Ausschluss und beließ es bei einer Rüge. Clement fand diese Rüge jedoch „unangemessen“ und trat im November 2008 aus der SPD aus – nach fast 40 Jahren. © imago | Gerhard Leber
Martin Hohmann: Wegen einer als antisemitisch kritisierten Rede wurde der damalige Bundestagsabgeordnete im Jahr 2004 aus der CDU ausgeschlossen. Indem er Juden in Zusammenhang mit dem Begriff „Tätervolk“ brachte, habe er der Partei schweren Schaden zugefügt, entschied damals das Landesparteigericht der hessischen CDU.
Martin Hohmann: Wegen einer als antisemitisch kritisierten Rede wurde der damalige Bundestagsabgeordnete im Jahr 2004 aus der CDU ausgeschlossen. Indem er Juden in Zusammenhang mit dem Begriff „Tätervolk“ brachte, habe er der Partei schweren Schaden zugefügt, entschied damals das Landesparteigericht der hessischen CDU. © picture-alliance / dpa/dpaweb | dpa Picture-Alliance / Peer Grimm
Hohmann fühlte sich falsch verstanden. Seine Klage gegen den Rauswurf wurde jedoch in mehreren Instanzen abgewiesen.
Hohmann fühlte sich falsch verstanden. Seine Klage gegen den Rauswurf wurde jedoch in mehreren Instanzen abgewiesen. © imago | Hoffmann
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