Berlin. Panne im Jet von Kanzlerin Merkel: Der Kommunikationsausfall war gravierender als bisher bekannt. Auch das Ersatzsystem streikte.

Als die Bundeskanzlerin wieder am Boden ist, wählt sie für ihre Verhältnisse geradezu drastische Worte: „Es war eine ernsthafte Störung“, beschreibt Angela Merkel (CDU) am Flughafen Köln/Bonn das Ereignis, das sich zuvor an Bord des vierstrahligen Regierungsfliegers Airbus A340-300 abgespielt hat. Sie habe „eine sehr, sehr exzellente Crew gehabt“, fügt sie an.

Es ist ein folgenschwerer Defekt, der die Piloten der „Konrad Adenauer“ mit der Kennung 16+01 in eine Ausnahmesituation gebracht und ihnen keine andere Wahl gelassen hat, als schnellstmöglich zu landen. Der ganze, eng getaktete politische Zeitplan – Makulatur. Die Kanzlerin kommt zu spät zu einem der bedeutendsten weltpolitischen Treffen, eine Peinlichkeit vor Augen der internationalen Öffentlichkeit.

Und das, weil wieder einmal ein Regierungsflugzeug Ärger macht. Doch der Vorfall vom Donnerstagabend ist gravierend, er hat die Piloten herausgefordert und sie vor eine Situation gestellt, die sie in der Form weder erlebt noch geprobt haben.

Schaden an Regierungsflugzeug verzögert Merkels G20-Reise

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    Was ist passiert? Donnerstagabend im Regierungsjet, die Maschine ist eine Stunde nach dem Start in Berlin-Tegel mit einer großen Delegation auf dem Weg zum G20-Gipfel nach Buenos Aires. Merkel und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sitzen mit Journalisten im engen Besprechungsraum, als eine Flugbegleiterin das Briefing mit den Worten „Es ist wichtig“ unterbricht.

    Ausfall eines Stromverteilers war Ursache für Panne

    Merkel wird im Cockpit erwartet.

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    Auch ein Ersatzsystem, das die Crew nach einem Checklisten-Verfahren benutzen will, gibt keinen Mucks von sich. Für die Piloten ein absolutes Novum. Selbst wenn sie im Flugsimulator den Systemausfall proben, springt immer das Ersatzsystem ein. Diesmal geht gar nichts. Aufgrund des Systemfehlers können sie auch keinen Treibstoff ablassen. Der Ausfall eines Stromverteilers mit dem Namen „Elec Buss“ gilt inzwischen als Hauptursache für die Pannen an Bord.

    Airbus mussten deutlich schneller landen als üblich

    Der Airbus hat inzwischen Amsterdam passiert, befindet sich schon über dem Meer. Der Chefpilot, einer der erfahrensten Kommandanten der Flugbereitschaft, nimmt nun per Funktelefon Kontakt zum Boden auf. Statt nach Berlin zurückzukehren, will die Crew nach Köln/Bonn. Dort ist nicht nur die Regierungsflotte beheimatet, sondern auch eine der längsten Landebahnen der Republik mit 3800 Metern.

    Noch aus der Luft wird Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) über den Vorfall in Kenntnis gesetzt, parallel zum Landeanflug beginnen die Ausweichplanungen: Wie kommt die Kanzlerin schnellstmöglich zum G20-Gipfel? Die Ersatzmaschine, der baugleiche Airbus „Theodor Heuss“, steht zwar in Berlin, aber ein neuer Flug mit alter Crew wäre ein Verstoß gegen Ruhezeiten. Und eine neue Crew ist so schnell nicht zur Hand.

    Die „Konrad Adenauer“ auf dem militärischen Teil des Berliner Flughafens Tegel (Archivbild).
    Die „Konrad Adenauer“ auf dem militärischen Teil des Berliner Flughafens Tegel (Archivbild). © dpa | Kay Nietfeld

    Im Cockpit wird es nun ernst. Wegen der vollen Tanks und dem damit verbundenen Gewicht muss der Airbus deutlich schneller landen als üblich. Statt mit 250 km/h setzt der Flieger mit rund 290 km/h auf. Weil die Bremsen stärker beansprucht werden, könnten sie Feuer fangen. Neben der Piste stehen schon Feuerwehrfahrzeuge bereit, doch sie können wieder abziehen. Diese sogenannte Overweight Landing verläuft problemlos, sogar mit dem für Piloten idealen Gegenwind. Auch ein Durchstarten wäre noch möglich gewesen. Für die Passagiere besteht zu keiner Zeit eine Gefahr.

    Kriminellen Hintergrund schließt Luftwaffe aus

    Dennoch, der Vorfall hat Konsequenzen: Die Flugbereitschaft der Bundeswehr wird nach Informationen unserer Redaktion alle Geschehnisse aufarbeiten, auch im Simulator wird man den Verlauf der Panne durchgehen. Dass ein krimineller Hintergrund vorliegen könnte, schließt die Luftwaffe bislang aus. Die Regierungsflugzeuge werden am Boden ohnehin rund um die Uhr bewacht. Auch der Verdacht, der Jet sei schlecht gewartet, ist nicht belegbar. Die Ausfallquote der Regierungsflieger lag laut Verteidigungsministerium in den vergangenen zwei Jahren bei gerade einmal zwei Prozent.

    Im Luftverkehr gelten zudem streng vorgeschriebene Wartungsintervalle und Sicherheitsvorschriften. Weshalb auch das Alter eines Flugzeugs keine Rückschlüsse auf seinen Zustand erlaubt. Die „Konrad Adenauer“ wurde 2011 von der Bundeswehr in Dienst gestellt, davor war der Airbus bereits zehn Jahre lang im Linienbetrieb der Lufthansa geflogen.

    Größer als der materielle Schaden am A340 erscheint nun ohnehin der Imageschaden für die Flugbereitschaft. Sie macht seit Jahren Schlagzeilen, wann immer ein Flieger mit einer Panne am Boden bleibt.

    Auch Steinmeier musste stundenlang warten

    Zuletzt durfte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stundenlang in Südafrika warten, bis endlich ein Triebwerk der „Konrad Adenauer“ ansprang und die Maschine sicher starten konnte. Als Finanzminister Scholz im Oktober von der Tagung des Internationalen Währungsfonds auf Bali mit der „Adenauer“ zurückfliegen wollte, musste er auf einen Linienflug ausweichen. Ein Nagetier soll wichtige Kabel am parkenden Flugzeug angefressen haben.

    Auch die oberste Dienstherrin der Flugbereitschaft hat so ihre Erfahrungen gemacht: Im Dezember 2016 meldet die Crew auf dem Flug nach Mali Computerprobleme und landet sicherheitshalber in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Sie bleibt über Nacht, bis Ersatz gefunden ist.

    Sonntag soll Merkel in Berlin landen

    Dass der Vorfall vom Donnerstagabend im Merkel-Flieger noch einmal gravierender ist, nimmt auch die Piloten-Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) zur Kenntnis. VC-Vorstandsmitglied Moritz Renn zollt den Piloten Respekt: „Die Piloten haben sicher unter Anspannung gearbeitet. Wenn auch Ersatzsysteme nach der Checkliste nicht laufen, ist das eine heftige Überraschung für die Crew.“ Normalerweise gebe es keine Fehler im Flug, sagt Renn, der selbst bei Germanwings den Airbus A320 steuert. „Wenn ein Fehler auftaucht, ist das schon Stress. Eine ganze Fehlerkette ist enormer Stress für die Piloten.“

    Doch eine längere Ruhephase ist der Merkel-Crew nicht gegönnt. Dieselben Piloten, die den Airbus sicher landeten, flogen am Freitagmittag mit dem zweiten großen Airbus A340 der Flugbereitschaft nach Buenos Aires – allerdings hob die „Theodor Heuss“ ohne Passagiere in Köln/Bonn ab. Die Kanzlerin hatte sich bereits am Freitagmorgen mit kleiner Delegation auf einem Linienflug via Madrid auf den Weg nach Buenos Aires zum G20-Gipfel gemacht. Ihr Ehemann Joachim Sauer, der mit an Bord des defekten Fliegers war, ist nach Berlin zurückgekehrt. Am Sonntag soll Merkel mit der „Heuss“ in der Hauptstadt landen – hoffentlich pannenfrei.

    Angela Merkels Flugzeugpanne – das Wichtigste in Kürze:

    • Angela Merkel wollte zum G20-Gipfel nach Argentinien mit ihrer Regierungsmaschine fliegen
    • Wegen eines gravierenden Systemfehlers musste die Maschine umkehren
    • Die Kanzlerin reist jetzt mit dem Linienflieger weiter
    • Nach Informationen unserer Redaktion versagte nicht nur das Kommunikationssystem
    • Auch auf das Ersatzsystem konnten die Piloten nicht zugreifen