Berlin/Rom. Er verbot Verhütung – und modernisierte die Kirche. Papst Paul VI. ist eine zwiespältige Figur. Am Sonntag wurde er heiliggesprochen.

Während die Heiligsprechung der deutschen Ordensschwester Maria Katharina Kasper und des 1980 ermordeten Erzbischofs von San Salvador, Oscar Romero, an diesem Sonntag in Rom weitgehend auf Zustimmung stieß, war die Ehrung für Papst Paul VI. selbst in der katholischen Kirche nicht unumstritten.

Das hat hauptsächlich einen Grund: Der Pontifex, der von 1963 bis 1978 an der Spitze des Vatikan stand, ging als der Papst in die Geschichte ein, der den Gläubigen Verhütungsmittel wie Kondome und die Anti-Baby-Pille verbot – und ihm den Beinamen „Pillen-Paul“ eintrug.

Paul VI. bereitete auch Franziskus den Weg

Seine 1968 veröffentlichte Enzyklika „Humanae Vitae“ steht bis heute exemplarisch für Antiquiertheit und Lustfeindlichkeit der Amtskirche. Sie stellt eines der umstrittensten päpstlichen Schreiben der neueren Kirchengeschichte dar. Durch die Enzyklika verloren Papsttum und kirchliche Sexuallehre für viele bis heute ihre Glaubwürdigkeit.

Die Laienbewegung „Wir sind Kirche“ mahnte anlässlich der

, es sei „dringend notwendig, diese Enzyklika einer grundlegenden Kritik zu unterziehen“.

Doch wer den Italiener Giovanni Battista Montini, der am 21. Juni 1963 zum 262. Nachfolger Petri gewählt wurde, auf das Pillen-Verbot beschränkt, greift zu kurz. Tatsächlich war Papst Paul VI. ein – wenn auch vorsichtiger – Reformer, der seinen Nachfolgern Johannes Paul II. und

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den Weg bereitete.

Papst Franziskus – Sein Leben in Bildern

Das war sein erster Auftritt als Papst Franziskus: Am Abend des 13. März 2013 zeigte sich der neu gewählte Pontifex auf der Loggia des Vatikans. Papst Franziskus ist der erste Lateinamerikaner und der erste Jesuit, der zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt wurde.
Das war sein erster Auftritt als Papst Franziskus: Am Abend des 13. März 2013 zeigte sich der neu gewählte Pontifex auf der Loggia des Vatikans. Papst Franziskus ist der erste Lateinamerikaner und der erste Jesuit, der zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt wurde. © © epd-bild / Cristian Gennari | Cristian Gennari
Seit seinem Amtsantritt hat Franziskus bei vielen Katholiken Hoffnungen geweckt. Dieses Schwarzweiß-Foto zeigt den jungen Argentinier Jorge Mario Bergoglio (hintere Reihe, 2. v.li.) mit Familienangehörigen in Buenos Aires.
Seit seinem Amtsantritt hat Franziskus bei vielen Katholiken Hoffnungen geweckt. Dieses Schwarzweiß-Foto zeigt den jungen Argentinier Jorge Mario Bergoglio (hintere Reihe, 2. v.li.) mit Familienangehörigen in Buenos Aires. © picture alliance / AP Photo | dpa Picture-Alliance / Uncredited
Schon bald nach seiner Wahl traf sich Franziskus mit seinem zurückgetretenen Vorgänger Benedikt XVI. Das Treffen zwischen dem amtierenden und dem emeritierten Papst gilt als „weltgeschichtliche Stunde
Schon bald nach seiner Wahl traf sich Franziskus mit seinem zurückgetretenen Vorgänger Benedikt XVI. Das Treffen zwischen dem amtierenden und dem emeritierten Papst gilt als „weltgeschichtliche Stunde". © © epd-bild / Osservatore Romano | Osservatore Romano
Mit einer feierlichen Messe auf dem Petersplatz in Rom trat der neue Papst sein Amt an. Der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano (re.), steckte Franziskus den Fischerring auf. Den Amtsring aus vergoldetem Silber ziert eine Darstellung des Apostel Petrus, dessen Nachfolger die Päpste sind. Hunderttausende Gläubige hatten sich versammelt, um mit dem Oberhaupt der weltweit mehr als einer Milliarden Christen die rund zweistündige Messe zu feiern.
Mit einer feierlichen Messe auf dem Petersplatz in Rom trat der neue Papst sein Amt an. Der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano (re.), steckte Franziskus den Fischerring auf. Den Amtsring aus vergoldetem Silber ziert eine Darstellung des Apostel Petrus, dessen Nachfolger die Päpste sind. Hunderttausende Gläubige hatten sich versammelt, um mit dem Oberhaupt der weltweit mehr als einer Milliarden Christen die rund zweistündige Messe zu feiern. © © epd-bild/Cristian Gennari/Agen | Cristian Gennari
Da durfte der Sombrero nicht fehlen: Im Februar 2016 besuchte Franziskus Mexiko. In der Basilika der Heiligen Jungfrau von Guadalupe zelebrierte er eine Messe.
Da durfte der Sombrero nicht fehlen: Im Februar 2016 besuchte Franziskus Mexiko. In der Basilika der Heiligen Jungfrau von Guadalupe zelebrierte er eine Messe. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | dpa Picture-Alliance / Presidenciamx
Große Aufmerksamkeit erregte der Besuch des Papstes im April 2016 auf der griechischen Insel Lesbos. Dort waren Tausende Flüchtlinge gestrandet. Viele von ihnen begrüßten den Pontifex. Am Ende nahm Franziskus zwölf Flüchtlinge mit nach Rom.
Große Aufmerksamkeit erregte der Besuch des Papstes im April 2016 auf der griechischen Insel Lesbos. Dort waren Tausende Flüchtlinge gestrandet. Viele von ihnen begrüßten den Pontifex. Am Ende nahm Franziskus zwölf Flüchtlinge mit nach Rom. © imago/Independent Photo Agency Int. | imago stock&people
Ein Höhepunkt war der Besuch des Papstes in den USA im September 2015, wo er in Washington mit US-Präsident Barack Obama zusammentraf. Die beiden verstanden sich offenbar bestens.
Ein Höhepunkt war der Besuch des Papstes in den USA im September 2015, wo er in Washington mit US-Präsident Barack Obama zusammentraf. Die beiden verstanden sich offenbar bestens. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Karfreitag 2016 im Vatikan: Papst Franziskus begeht die Leiden Christi am Kreuz in tiefer Demut.
Karfreitag 2016 im Vatikan: Papst Franziskus begeht die Leiden Christi am Kreuz in tiefer Demut. © Getty Images | Franco Origlia
Papst Franziskus ist ein Mann der großen Gesten.
Papst Franziskus ist ein Mann der großen Gesten. © Getty Images | Franco Origlia
Es fällt ihm nicht schwer, die Menschen für sich einzunehmen.
Es fällt ihm nicht schwer, die Menschen für sich einzunehmen. © REUTERS | MAX ROSSI
Auf seiner Afrikareise besuchte Franziskus im November 2015 auch das Armenviertel Kangemi in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Beim Besuch des Slums am Stadtrand beklagte er die Ausgrenzung großer Bevölkerungsteile in Elendsvierteln am Rande von Metropolen.
Auf seiner Afrikareise besuchte Franziskus im November 2015 auch das Armenviertel Kangemi in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Beim Besuch des Slums am Stadtrand beklagte er die Ausgrenzung großer Bevölkerungsteile in Elendsvierteln am Rande von Metropolen. © Agenzia Romano Siciliani/O.R. | L'Osservatore Romano
Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau im Juli 2016. Schweigend durchschritt Franziskus das Eingangstor mit dem zynischen Motto „Arbeit macht frei
Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau im Juli 2016. Schweigend durchschritt Franziskus das Eingangstor mit dem zynischen Motto „Arbeit macht frei". © Agenzia Romano Siciliani/O.R. | Osservatore Romano
Das katholische Kirchenoberhaupt verharrte in stillem Gebet sitzend vor einer der KZ-Barracken.
Das katholische Kirchenoberhaupt verharrte in stillem Gebet sitzend vor einer der KZ-Barracken. © imago/epd | imago stock&people
Im Juli 2013 besuchte Papst Franziskus in Rio de Janeiro den Weltjugendtag. Am Strand der Copacabana feierte er in Anwesenheit von einer Million Menschen ein Begrüßungsfest mit brasilianischer Musik, Tanz und Feuerwerk.
Im Juli 2013 besuchte Papst Franziskus in Rio de Janeiro den Weltjugendtag. Am Strand der Copacabana feierte er in Anwesenheit von einer Million Menschen ein Begrüßungsfest mit brasilianischer Musik, Tanz und Feuerwerk. © © epd-bild / Cristian Gennari | Cristian Gennari
Wortgewandt und mit viel Witz übt Papst Franziskus sein Amt an der Spitze der katholischen Kirche aus.
Wortgewandt und mit viel Witz übt Papst Franziskus sein Amt an der Spitze der katholischen Kirche aus. © Thomas Lohnes
Im Mai 2016 erhielt der Pontifex den Internationalen Karlspreis. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (re.) gratulierte. Der Papst bekam die Auszeichnung „in Würdigung seines herausragenden Engagements für Frieden, Verständigung und Barmherzigkeit in einer europäischen Gesellschaft der Werte
Im Mai 2016 erhielt der Pontifex den Internationalen Karlspreis. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (re.) gratulierte. Der Papst bekam die Auszeichnung „in Würdigung seines herausragenden Engagements für Frieden, Verständigung und Barmherzigkeit in einer europäischen Gesellschaft der Werte". © Agenzia Romano Siciliani/O.R. | Osservatore Romano
Ein historischer Moment: Am Reformationstag 2016 trafen sich Franziskus und der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan (li.), im schwedischen Lund zu einer gemeinsamen Messfeier.
Ein historischer Moment: Am Reformationstag 2016 trafen sich Franziskus und der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan (li.), im schwedischen Lund zu einer gemeinsamen Messfeier. © imago/Independent Photo Agency Int. | imago stock&people
Bei dem Treffen mit den Lutheranern in Lund, mit dem das Lutherjahr 2017 offiziell eingeläutet wurde, warb Franziskus für mehr Gemeinsamkeit zwischen Katholiken und Protestanten.
Bei dem Treffen mit den Lutheranern in Lund, mit dem das Lutherjahr 2017 offiziell eingeläutet wurde, warb Franziskus für mehr Gemeinsamkeit zwischen Katholiken und Protestanten. © Agenzia Romano Siciliani/O.R. | Osservatore Romano
Papst Franziskus rückt einen traditionellen Kopfschmuck zurecht, der ihm während einer Zeremonie in Kanada überreicht wurde. Dort bat Franziskus die Ureinwohner um Vergebung - einst wurden indigene Kinder ihren Familien entrissen und in kirchlich geführten Internaten untergebracht, wo sie Gewalt und Missbrauch erlebten.
Papst Franziskus rückt einen traditionellen Kopfschmuck zurecht, der ihm während einer Zeremonie in Kanada überreicht wurde. Dort bat Franziskus die Ureinwohner um Vergebung - einst wurden indigene Kinder ihren Familien entrissen und in kirchlich geführten Internaten untergebracht, wo sie Gewalt und Missbrauch erlebten. © Nathan Denette/The Canadian Press/AP/dpa
Tod seines Vorgängers: Franziskus berührt den Sarg Benedikts XVI.
Tod seines Vorgängers: Franziskus berührt den Sarg Benedikts XVI. © Ben Curtis/AP/dpa
Neuerung auf Twitter Anfang  2023: Nur noch zahlende Kunden bekommen das berühmte blaue Häkchen. Selbst Papst Franziskus wurde es weggenommen - er ist offenbar kein zahlender Abo-Kunde.
Neuerung auf Twitter Anfang 2023: Nur noch zahlende Kunden bekommen das berühmte blaue Häkchen. Selbst Papst Franziskus wurde es weggenommen - er ist offenbar kein zahlender Abo-Kunde. © Yui Mok/PA Wire/dpa
Kirche im Zeichen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine: Der ukrainische Präsident Selenskyj trifft im Vatikan Papst Franziskus (Mitte Mai 2023).
Kirche im Zeichen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine: Der ukrainische Präsident Selenskyj trifft im Vatikan Papst Franziskus (Mitte Mai 2023). © -/Vatican Media/dpa
Papst Franziskus muss im Juni 2023 notoperiert werden. Es handelt sich um einen Eingriff am Darm.
Papst Franziskus muss im Juni 2023 notoperiert werden. Es handelt sich um einen Eingriff am Darm.
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Es war Paul VI. der nach dem Tod Johannes XXIII. die beim Zweiten Vatikanischen Konzil angestoßenen kirchlichen Reformen vorantrieb und umsetzte. Während der 15 Jahre seines Pontifikats entstaubte er die Amtskirche, schaffte Jahrhunderte alte Posten und Pöstchen ab. Paul VI. selbst legte die päpstliche Tiara, ein Symbol päpstlicher Machtansprüche, endgültig ab.

Er setzte eine Liturgiereform um und war der erste Papst, der die Messe nicht in lateinischer Sprache hielt. Ebenfalls als erster Papst der Neuzeit reiste er ins Ausland, seine Rede zum Weltfrieden 1965 vor der UN-Vollversammlung in New York war ein flammender Appell gegen den Krieg, sein Besuch im Heiligen Land trug in erheblichem Maße zur Verständigung mit dem Judentum bei.

Er rückte die soziale Frage ins Zentrum

Dass Paul VI. dabei nicht so resolut und mutig voran ging wie seine Nachfolger, erklärt sich auch aus der Zeit. In den 60er-Jahren spielte sich das Wirken des Papstes gleichsam in ganz dünner Luft ab, unnahbar, meist abgeschirmt hinter den hohen Mauern und schweren Portalen des Vatikan.

Doch ohne die Auslandsbesuche Pauls VI. wäre der Rekord-„Reise-Papst“ Johannes Paul II. nicht denkbar gewesen; genauso wenig wie ein

, der eine „arme Kirche für die Armen“ einfordert, ohne die „Vorarbeit“ Pauls denkbar wäre, der 1967 die soziale Frage erstmals behandelte und den Nord-Süd-Konflikt thematisierte.