Pristina/Belgrad . Die befürchtete Gewalt im Kosovo-Streit ist vorerst ausgeblieben. Doch Serbien sieht eine Bedrohung der Situation durch die Albaner.

Der serbische Außenminister Ivica Dacic hat vor der Errichtung eines Groß-Albaniens gewarnt. „Alle Albaner haben nur ein Interesse: Ein unabhängiges Kosovo und in ihrer tiefsten Seele ein Großalbanien“, zitierten mehrere Zeitungen am Dienstag in Belgrad den Politiker.

Während die Albaner alle an einem Strang zögen, seien in Serbien Regierung und Opposition über die Frage zerstritten, welche Politik man gegenüber den Albanern verfolgen solle, kritisierte Dacic.

Groß-Albanien bezeichnet die Idee, alle auf dem Balkan lebenden Albaner in einem Staat zusammenzuführen. Sowohl die EU, als auch die USA und die Bundesregierung lehnen ein solches Projekt strikt ab, weil dadurch Grenzen verändert werden.

Kosovo-Konflikt schwelt seit mehr als zehn Jahren

Kosovo war vor zehn Jahren von Serbien abgefallen. Zuvor hatte die Nato im Jahr 1999 unter anderem mit Bomben-Angriffen dafür gesorgt, dass sich serbisches Militär und Paramilitär aus dem Kosovo zurückziehen musste. Diese hatten zuvor bis zu 800.000 Albaner vertrieben.

Das Kosovo und seine Siedlungsgruppen.
Das Kosovo und seine Siedlungsgruppen. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH

Das Kosovo wird heute von über 110 Staaten völkerrechtlich anerkannt. Serbien will seine frühere Provinz mit Hinweis auf seine dort gelegenen mittelalterlichen Klöster und Schlachtfelder wieder zurückhaben. Allerdings ist dem

Auch interessant

der Weg nach Brüssel versperrt, sollte er sich nicht mit dem Kosovo aussöhnen.

Welche Gebiete würde ein Großalbanien umfassen, das sowohl von der EU als auch von den USA strikt abgelehnt wird? Kernstück wären die heutige Republik Albanien und das Kosovo. Daneben leben noch in Mazedonien eine halbe Million Albaner, plus die Landsleute in Südserbien und einige Zehntausende in Montenegro.

Auch auf Regionen in Griechenland haben es die großalbanischen Theoretiker wie Koco Danaj in Tirana abgesehen, obwohl Griechenland keinen einzigen Albaner offiziell als Teil einer Minderheit anerkennt. Alles in allem an die sechs Millionen Menschen.

Der Streit um die Autonomie der serbischen Minderheit im Kosovo hatte am Wochenende nicht wie befürchtet zu neuer Gewalt geführt. Nach Appellen zur Ruhe auf Seiten von Albanern und Serben sowie einem entschlossenen Eingreifen der Nato-geführten internationalen Schutztruppe KFOR, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist, blieb es in dem jahrzehntelangen Konflikt ruhig.

Hintergrund war eine am Samstag abgelaufene viermonatige Frist der EU an die Kosovo-Regierung zur Vorlage eines schon lange verabredeten Autonomie-Statuts für die Serben im Norden des Landes.

Nato-Soldaten blockieren Talsperre

Schon kurz nach Mitternacht am Samstag hatte KFOR die Zugänge zum Gazivoda-Stausee blockiert. Das war offensichtlich die Reaktion auf Spekulationen, albanische Spezialpolizei wolle den Serben die Kontrolle der für Kosovo lebenswichtigen Talsperre auf der Grenze zwischen beiden Ländern entreißen. In Serbien wurde die Armee „präventiv“ in Kampfbereitschaft versetzt, berichtete die Regierungszeitung „Novosti“ am Sonntag in Belgrad.

Kosovo-Präsident Hashim Thaci versicherte am Samstag in Pristina, die Ausarbeitung des Autonomiestatus werde bald vorgelegt. Damit sollen die Serben, die nur noch weniger als zehn Prozent der knapp zwei Millionen Menschen im Kosovo ausmachen, aber im Norden des Landes die lokale Mehrheit bilden, weitgehende Selbstverwaltung erhalten.

Gebietsaustausch wohl vom Tisch

„Ich habe die Serben im Kosovo gebeten, nichts zu unternehmen und noch einige Tage auszuhalten“, sagte der serbische Staatspräsident Aleksandar Vucic nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates. Zuvor hatten Medien berichtet, die Kosovo-Serben wollten am Samstag einseitig ihre Autonomie ausrufen. „Ich hoffe, dass KFOR seine Arbeit macht“, sagte Vucic offenbar mit Blick auf die umstrittene Talsperre Gazivoda, die für die Strom- und Wasserversorgung des Kosovos lebenswichtig ist.

Eine in den letzten Wochen von den Medien berichtete Lösung des jahrzehntelangen Konflikts durch einen Gebietsaustausch ist wohl endgültig vom Tisch. Kosovo-Regierungschef Ramush Haradinaj lehnte das strikt ab, weil es zum Krieg führe. Auch Serbiens starker Mann Vucic zeigte sich pessimistisch: „Ist ein Kompromiss in Sicht? Ich glaube nicht, ich bin nicht optimistisch“, sagte er nach einem Gespräch mit dem einflussreichen Serbisch-Orthodoxen Patriarchen Irinej in Belgrad. (dpa)