Berlin. Die Behörden haben den Kampf gegen arabische Großclans in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Sie müssen jetzt den Druck erhöhen.

Gute Politik beginnt mit dem Betrachten der Realität. In der inneren Sicherheit aktuell mit dem Blick auf die arabischen Großclans in vielen Metropolen.

Organisierte Kriminalität ist ein weites Feld. Das Lagebild des Bundeskriminalamts bildet Gruppen ab, die womöglich bedrohlicher sind oder einen größeren Schaden verursachen. Von anderen Banden unterscheiden sich die

dadurch, dass sie mitten in Berlin oder im Ruhrgebiet

bilden, die faktisch längst rechtsfreie Räume sind.

Jahrelang haben die Behörden weggeschaut. Gut möglich, dass sich das gerade ändert und sie zumindest beginnen, unbequem, eine Spaßbremse zu werden, intern ist selbstironisch von „Störkommandos“ die Rede: Polizei und Justiz zeigen Präsenz, schreiten ein, mitunter gehen sie kreativ vor wie in Berlin mit der Konfiszierung von 77 Immobilien. Mal sehen, ob das ein Strohfeuer oder ein guter Anfang ist.

Clans entstammen Milieu der Libanon-Flüchtlinge aus 80ern

Angsträume gibt es in vielen (Problem-)Vierteln. Sie sind eine Realität, gehören tendenziell aber zu den Vier-Augen-Wahrheiten. Die gängige korrekte Erklärung für die

, für ethnische kriminelle Strukturen lautet, sie seien eine Folge der gescheiterten Integrationspolitik. Das klingt so, als wären die Kriminellen irgendwie auch die Opfer der „Verhältnisse“. Hätte man ihn bloß einen Job angeboten! Aber auch die schlechteste Integration kann keine Kriminalität entschuldigen.

Die Clans, die wir heute beklagen, entstammen großteils aus dem Milieu der Libanon-Flüchtlinge in den 80er-Jahren. Gar nicht auszudenken, wie ungleich viel größer in 20, 30 Jahren die Folgen wären, wenn auch die Integrationspolitik anno 2018 scheitern sollte.

Der Staat muss beides gleichzeitig tun: auf der einen Seite mehr Integration anbieten (und abverlangen), auf der anderem Seite keine rechtsfreien Räume zulassen. Null Toleranz, was sonst? Die Einsätze gegen die Großclans sind ein Vitalitätstest auf den Nerv des Rechtsstaates.

Polizisten in einem Café in Neukölln.
Polizisten in einem Café in Neukölln. © dpa | Paul Zinken

Man muss den Verfolgungsdruck erhöhen, den Kampf gegen die Clans entschlossen, mit größter Härte und der ganzen Kavallerie führen: Polizei, Zoll, Steuerfahnder, mit dem Strafrecht wie mit dem Gewerbe- und Steuerrecht, aber auch mit Hilfsangeboten, Sozial- und Jugendarbeit, Aussteigerprogrammen, kurzum: Die Sicherheitsbehörden müssen alle Register ziehen. Und auch die Justiz hat eine Verantwortung. Die Diskussion um die Abschiebung von Bin Ladens Leibwächter hat viele Vorzüge – Pragmatismus gehört nicht dazu.

Kein Erkenntnis-, sondern ein Erfolgsdefizit

Gehen die Landesregierungen in Berlin oder in Nordrhein-Westfalen planvoll und mit der nötigen Beharrlichkeit vor, wollen sie aufräumen oder bloß schnell politisch punkten? Skepsis ist nicht unbegründet. Der Begriff der

ist über 20 Jahre alt. Wir haben kein Erkenntnis- , sondern ein Erfolgsdefizit. Wir haben keinen Mangel an Analysen und Ankündigungen, sondern an Taten.

Die eigentliche Herausforderung für die Zivilgesellschaft besteht darin, trotz allem sauber zu argumentieren, das heißt: zu differenzieren. Nur weil es einige arabische Großclans mit bis zu Tausenden Mitgliedern gibt, heißt das nicht, dass jeder Zuwanderer ein potenzieller Krimineller ist. Auch Parallelgesellschaft ist nicht gleich Parallelgesellschaft. Unter sich zu bleiben kann erst mal ein normaler Reflex sein; als Tourist findet man es in „Little Italy“ und „Chinatown“ pittoresk.

Wenn aber ein Stadtviertel zum rechtsfreien Raum wird und nicht mehr die staatliche Justiz, sondern der Friedensrichter des Clanchefs schlichtet und urteilt, dann ist jedenfalls eine Grenze überschritten. Und das darf sich kein Rechtsstaat bieten lassen.