Berlin/Tunis. Sami A. ist in Tunesien aus der Haft freigekommen. Doch der mutmaßliche Ex-Leibwächter von bin Laden kann vorerst nicht frei reisen.

Der von den deutschen Behörden nach Tunesien abgeschobene Islamist Sami A. kommt vorläufig auf freien Fuß. Ein Untersuchungsrichter ordnete am Freitag seine Freilassung an, bestätigte Sofiène Sliti, der Sprecher der Anti-Terror-Justizbehörde, dieser Redaktion. „Er ist jetzt in Tunesien ein freier Mann und wird definitiv nicht an Deutschland ausgeliefert.“ Sami A. ist tunesischer Staatsbürger. Es gebe keine rechtliche Grundlage, ihn an ein anderes Land zu überstellen.

Wenn er sich etwas habe zuschulden kommen lassen, werde das vor einem tunesischen Gericht verhandelt und nicht in Deutschland. Bislang aber lägen keine konkreten Anschuldigungen gegen ihn vor. Aus Sicht des Untersuchungsrichters sei der Fall allerdings nicht abgeschlossen. Es werde vonseiten der Anti-Terror-Behörden weiter gegen Sami A. ermittelt, und sein Reisepass bleibe eingezogen, erklärte Sliti.

Mit dieser Entscheidung bleibt Tunesien nun auch offiziell bei seiner Linie, die sich bereits in den vergangenen Tagen abzeichnete. Der Anwalt von Sami A., Seif Eddine Makhlouf, hatte zuvor erklärt, die tunesische Justiz habe gegen seinen Mandanten nichts in der Hand.

Seehofer stellt sich hinter Abschiebung von Sami A.

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    informiert worden. Der Tunesier war am 13. Juli aus Deutschland in seine Heimat abgeschoben worden, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Abend zuvor entschieden hatte, dass dies nicht zulässig sei. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen weist den Vorwurf zurück, die Justiz bewusst getäuscht zu haben. Die Richter rügten die Aktion als „grob rechtswidrig“.

    Inzwischen hat das Verwaltungsgericht die Ausländerbehörde in Bochum unter Androhung eines Zwangsgeldes von 10.000 Euro aufgefordert,

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    spätestens bis kommenden Dienstag zurückzuholen. Das NRW-Flüchtlingsministerium hatte eine Beschwerde gegen die Vollstreckungsentscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vorbereitet. Sie wird von der Bochumer Ausländerbehörde eingereicht.

    Ungeachtet dessen steht der kleine nordafrikanische Staat nach dem Zusammenbruch des „Islamischen Staates“ vor gewaltigen Sicherheitsproblemen durch zurückkehrende Terroristen. Schätzungsweise 3000 Tunesier hatten sich seit Mitte 2014 dem „Islamischen Kalifat“ angeschlossen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung mehr als aus jeder anderen Nation der Welt. Nach Angaben der Anti-Terror-Justizbehörde landen 90 Prozent aller Rückkehrer hinter Gittern. 1500 Tunesier säßen derzeit wegen eines Terror-Delikts im Gefängnis. Die Strafverfolger plädieren dafür, tunesische IS-Rückkehrer aus Libyen, Syrien und dem Irak nicht abzuweisen. Aus ihren Verhören ergäben sich wichtige Hinweise. Wer seine Strafe abgesessen hat, wird oft als Gefährder eingestuft, muss sich regelmäßig bei der Polizei melden und jeden Ortswechsel genehmigen lassen. Menschenrechtler schätzen, dass etwa 1.000 Tunesier unter diesen strikten Auflagen leben.