Berlin. Gesundheitsminister Jens Spahn will die Wartezeiten für Patienten verkürzen. Doch Kassenärzte sind gegen einen Gesetzesentwurf dazu.

Die Kassenärzte wehren sich gegen Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Sprechzeiten für gesetzlich Versicherte auszuweiten. „Den Plan, Ärzten eine Mindestsprechstundenzeit von 25 Stunden vorzuschreiben, lehnen wir Kassenärzte ab. Damit greift die Politik viel zu stark in die Abläufe der einzelnen Praxis ein“, sagte der Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, dieser Redaktion. Er begründete dies damit, dass Ärzte Freiberufler seien und ihre Arbeit frei gestalten müssten.

Mit einem neuen Gesetz will Minister Spahn die Wartezeit auf Arzttermine für gesetzlich Versicherte verkürzen. Dafür will er Ärzte unter anderem dazu zwingen, mindestens 25 Sprechstunden pro Woche für Kassenpatienten zu reservieren. Das sieht auch der Koalitionsvertrag mit der SPD vor.

Bisher müssen Ärzte mindestens 20 Stunden Zeit für gesetzlich Versicherte da sein, wenn sie eine Kassenzulassung haben wollen. Im Gegenzug verspricht Spahn den Ärzten zusätzliches Geld, wenn sie neue Patienten behandeln oder notwendige Behandlungstermine vermitteln. Rund eine halbe Milliarde Euro zusätzlich sollen die Krankenkassen für solche Leistungen zahlen.

KBV-Chef Gassen fordert Abschaffung von Budget

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bewertet diesen Teil des Gesetzes positiv: „Das Geld wird dringend für die Versorgung der Patienten gebraucht.“ Noch besser wäre es, wenn die Budgets für die niedergelassenen Ärzte ganz abgeschafft würden, sagte er. Das aber würden die Kassen auf keinen Fall mitmachen. Schon die von Spahn geplanten Zusatzausgaben sehen sie kritisch: Das seien „Selbstverständlichkeiten“, die Spahn nun besser vergüten wolle, kritisiert der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch. Die geplante zusätzliche Sprechstunde pro Tag lobt Litsch dagegen. Gleiches gilt für den Plan, die Terminservicestellen leichter und rund um die Uhr erreichbar zu machen. „Bisher waren die Telefonnummern dafür ja eher ein Geheimtipp“, so Litsch.

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    Die Servicestellen waren von Spahns Vorgänger Hermann Gröhe (CDU) eingerichtet worden, um Patienten bei der Suche nach Facharztterminen zu unterstützen. Jetzt sollen sie unter der einheitlichen Nummer 116117 rund um die Uhr erreichbar sein. und die Patienten je nach Dringlichkeit in eine offene Arztpraxis oder in die Notaufnahme einer Klinik lenken. Künftig sollen die Servicestellen nicht nur telefonisch, sondern auch online erreichbar sein. „In Zeiten der Digitalisierung sollte das selbstverständlich sein“, kommentierte die Chefin des Kassenverbands VdEK, Ulrike Elsner.

    Darüber hinaus sollen Kassenärzte pro Woche mindestens fünf Stunden lang eine „offene Sprechzeit“ anbieten, für die Patienten keine Termine benötigen. Die Regelung soll für Haus- und Kinderärzte gelten, aber auch für Frauenärzte, HNO-Ärzte und Augenärzte. Wie schon seine Vorgänger will Spahn auch daran arbeiten, den Ärztemangel auf dem Land weiter zu beseitigen. Dafür soll es je nach Region unterschiedlich hohe Zuschläge geben. Bisher waren diese Zusatzzahlungen freiwillig. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen außerdem die Pflicht haben, in unterversorgten Gebieten notfalls eigene Praxen einzurichten.

    Gesetz soll Verbesserungen für Kassenpatienten bringen

    In dem Gesetz, das jetzt erst einmal den anderen Ministerien in der Bundesregierung zur Abstimmung zugeleitet wird und im April 2019 in Kraft treten soll, treibt der Gesundheitsminister auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens voran. Bis 2021 müssen alle Krankenkassen ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte zur Verfügung stellen. Der Zugriff darauf soll dann über das Internet oder das Smartphone möglich sein – und zwar ohne die elektronische Gesundheitskarte. An der Karte, die seit mehr als zehn Jahren entwickelt wird und im Alltag noch immer nicht einsatzbereit ist, will Spahn gleichwohl festhalten.

    Das Gesetz sieht auch bessere Leistungen für Kassenpatienten vor. So soll unter anderem der Zuschuss, den die Krankenkassen für Zahnersatz wie Kronen, Brücken und Prothesen zahlen, von 50 auf 60 Prozent der Kosten der Standardtherapie erhöht werden. Dies soll dem Gesetzentwurf zufolge 570 Millionen Euro pro Jahr kosten. Die Neuerung soll deshalb auch erst ab dem Jahr 2021 gelten.

    Die Opposition übt scharfe Kritik an den Plänen. FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus sagte, die Versorgung werde nicht besser, sondern nur komplizierter. Offene Sprechstunden würden ein „Ärztehopping“ fördern, also den permanenten Wechsel der Patienten zu anderen Ärzten. Chronisch Kranke hätten dabei das Nachsehen, weil Ärzte keine Zeit mehr für sie hätten. Die Einführung einer höhere Mindestsprechstundenzahl „atmet den Geist einer Überwachungsmentalität“.

    Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink sagte, Spahn doktere nur an Symptomen herum. Viele Ärzte arbeiteten bereits am Limit. Wichtiger sei eine engere Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern und eine Aufwertung der Gesundheitsberufe. Sie vermisse auch „eine gesetzliche Klarstellung, dass Privatversicherte bei der Terminvergabe nicht bevorzugt werden dürfen“, so Klein-Schmeink.