London. Nach dem Rücktritt von Boris Johnson gerät Theresa May weiter in Bedrängnis. Zwei weitere Politiker kündigten ihre Rücktritte an.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May verliert in der Regierungskrise wegen des geplanten EU-Austritts weiter an Zustimmung aus den eigenen Reihen. Am Dienstag kündigten zwei weitere Politiker ihren Rücktritt an: die Vize-Vorsitzenden der konservativen Partei, Ben Bradley und Maria Caulfield.

Sie könne nicht unterstützen, in welche Richtung die Brexit-Verhandlungen derzeit gingen, schrieb Caulfield laut Nachrichtenagentur PA in ihrem Rücktrittsbrief. Die beiden Politiker sind zwar weitgehend unbekannt, ihr Rücktritt ist aber als deutliches Signal in der Partei zu werten.

Hunt wird Nachfolger von Johnson

Der britische Außenminister Boris Johnson war zuvor am Montag zurückgetreten. Er geht offenbar im Streit um die Brexit-Politik der Regierung. Der bisherige Gesundheitsminister Jeremy Hunt wird neuer britischer Außenminister. Das teilte die Regierung in London am Montagabend mit. Hunt gilt als Vertrauter Mays und stimmte beim Brexit-Referendum 2016 für einen Verbleib Großbritanniens in der EU.

Premierministerin Theresa May akzeptierte zuvor den Rücktritt von Johnson, wie ihr Büro in London am Montag mitteilte. Mit dem Ausstieg von Boris Johnson hat im Kabinett von May ein Stühlerücken begonnen. Mit dem Wechsel von Jeremy Hunt wurde der Posten als Gesundheitsminister frei. Diesen Posten übernimmt nun der bisherige Kulturminister Matt Hancock. Als Kulturminister wurde Jeremy Wright bestätigt. Die weiteren Wechsel im Kabinett lassen sich chronologisch auf dem Twitter-Profil der Premierministerin nachvollziehen.

Merkel begrüßt „White Paper“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat begrüßt, dass die britische Regierung Vorschläge über das künftige Verhältnis zwischen dem Königreich und der EU vorgelegt hat. „Jetzt geht es darum, dass der Verhandlungsprozess vorankommt. Durch das „White Paper“ sind wir einen ganzen Schritt vorangekommen“, sagte Merkel am Dienstag in London nach der Westbalkan-Konferenz.

Die 27 EU-Staaten würden sich nun zusammen mit der EU-Kommission eine Meinung bilden, sagte sie auf die Frage, ob die von Premierministerin Theresa May angestrebte Freihandelszone für die EU akzeptabel sei. „Aber es ist gut, dass Vorschläge auf dem Tisch liegen“, sagte Merkel. Leitlinie bei den Verhandlungen müsse weiterhin sein, dass man mit Großbritannien auch nach dem Austritt enge Beziehungen haben wolle. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki unterstrich sein Interesse an einer engen Sicherheitspartnerschaft zwischen der EU und Großbritannien.

Brexit-Befürworter gegen Mays Kurs

Die Konservative May ist offenbar mit einer Rebellion im eigenen politischen Lager konfrontiert. Vor den beiden Torie-Vorsitzenden war bereits am Sonntagabend Mays Brexit-Minister

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aus Protest gegen den neuen, weicheren Brexit-Kurs Mays zurückgetreten. Nur knapp neun Monate vor dem angepeilten EU-Austritt am

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steckt die Regierung May nun in einer massiven Regierungskrise.

Die

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-Befürworter in der britischen Regierung rebellieren gegen den neuen Kurs Mays, die einen weicheren Ausstieg aus der EU anstrebt. Fraglich ist, ob Johnson nun selbst Regierungschef werden will. Mays politische Zukunft steht mit dem Rücktritt der Minister ebenfalls infrage.

Premierministerin Theresa May, neben ihr der bisherige Außenminister Boris Johnson.
Premierministerin Theresa May, neben ihr der bisherige Außenminister Boris Johnson. © dpa | Pa

Für May, die seit der Neuwahl im vergangenen Jahr im Parlament nur noch über eine hauchdünne Mehrheit verfügt, sind die Rücktritte ein herber Schlag. Sie muss nun mit weiterem Widerstand aus dem Brexit-Flügel ihrer Partei rechnen. Etwa 60 Abgeordnete in ihrer Fraktion werden dazu gezählt. May bedauerte am Montag im Unterhaus den Rückzug Johnsons und Davis’. Ihr Ziel, weiterhin enge Beziehungen zur EU zu pflegen, schütze Arbeitsplätze und sei das beste für die Bevölkerung, sagte May. „Es ist der richtige Deal für Großbritannien.“

Unter den britischen Konservativen gibt es einen erbitterten Streit darüber, ob es einen „harten“ oder „weichen“ Brexit geben soll. May hatte am Wochenende offenbar nur mit Mühe das Kabinett auf ihren Brexit-Plan einschwören können. Einem Bericht der „Sunday Times“ zufolge sprachen sich sieben der bei der Kabinettsklausur am Freitag anwesenden 27 Minister gegen Mays Vorschläge zur Umsetzung des

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aus der EU aus, bevor sie ihm dann doch zustimmten.

Brexit-Hardliner Davis fürchtete, die Pläne könnten Großbritannien zu eng an die EU binden. Außerdem drohten weitere Konzessionen an Brüssel im Lauf der Verhandlungen.

Unter den Skeptikern war der BBC zufolge auch Außenminister Boris Johnson. Der habe den Plan als großen Mist bezeichnet, der noch aufpoliert werden müsse, um ihn der britischen Öffentlichkeit vermitteln zu können.

Brüssel gibt sich gelassen nach Rücktritten

Die Opposition warf der Regierung Chaos und mangelnde Glaubwürdigkeit vor. „Wie kann irgendjemand der Premierministerin zutrauen, einen guten Deal mit 27 EU-Regierungen zu bekommen, wenn sie nicht mal einen Deal innerhalb ihres eigenen Kabinetts aushandeln kann?“, fragte Labour-Chef Jeremy Corbyn am Montag im Unterhaus in London.

EU-Ratspräsident Donald Tusk reagierte zurückhaltend auf die Rücktritte der britischen Minister David Davis und Boris Johnson. „Politiker kommen und gehen, aber es bleiben die Probleme, die sie für ihr Volk geschaffen haben“, sagte Tusk am Montag in Brüssel. „Das Durcheinander aufgrund des Brexits ist das größte Problem in der Geschichte der Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Es ist immer noch weit von einer Lösung entfernt.“

Johnson fehlte bei Treffen mit Vertretern anderer Staaten

Für Unruhe hatte Johnsons Rücktritt laut Medienberichten bei einem Vorbereitungsmeeting zum EU-Balkan-Treffen gesorgt. Am Dienstag ist ein Treffen mit Staats- und Regierungschefs aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien und aus EU-Staaten geplant. Doch bei der Vorbereitungsveranstaltung fehlte Boris Johnson laut „Independent“. Die Vertreter aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Polen und anderen EU-Staaten warteten vergeblich auf den britischen Außenminister, der zu diesem Zeitpunkt wohl seinen Rücktritt vorbereitete. Aus Deutschland war laut Bericht Staatsminister Michael Roth nach London gereist. (rtr/dpa/ac)