Washington. Vor dem Nato-Gipfel Mitte Juli wiederholt Trump seine Forderungen an Deutschland. Doch es könnte noch mehr kommen vom US-Präsidenten.

„Ich gebe mich überhaupt keinen Illusionen hin.“ Als Ursula von der Leyen kürzlich in Washington zur vorbeugenden Schadensbegrenzung vor dem kommenden Nato-Gipfel weilte, war das einer ihrer häufigsten Sätze – wenn sie auf die Wahrscheinlichkeit neuer Störmanöver von

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angesprochen wurde.

Die Bundesverteidigungsministerin lag mit ihrer Einschätzung offenbar richtig. Vor der Zusammenkunft der 29 Staats- und Regierungschefs des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses am 10. und 11. Juli in Brüssel trudeln in dichter Taktfolge Hiobsbotschaften ein, die auf ein ungemütliches Treffen hindeuten.

Dass der US-Präsident am Freitag auf dem Weg in seinen Wochenend-Golfklub in New Jersey zum x-ten Mal die Forderung aufstellte, Berlin müsse der Zwei-Prozent-Vorgabe bei den Kosten für die Nato-Gemeinschaftskasse nachkommen („Deutschland muss mehr Geld ausgeben“), erschien dabei noch als das geringste Problem.

Für größere Irritationen sorgte ein in den mittleren Ebenen des US-Verteidigungsministeriums recherchierter Bericht der „Washington Post“, der – im Falle der Realisierung – auf eine Zäsur im deutsch-amerikanischen Verhältnis hinausliefe.

Diffuse Unruhe unter Europas Nato-Mitgliedern

Das Blatt hat erfahren, dass im Pentagon auf Wunsch Trumps seit Monaten unverbindlich ermittelt wird, welche Folgen ein

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der 35.000 noch in Deutschland stationierten US-Soldaten hätte, sowie deren eventuelle Teilverlegung nach Polen. Trump hatte sich Anfang des Jahres über die (teure) Truppenstärke in „good old Germany“ verwundert gezeigt und in Verbindung mit seiner Dauerkritik an den aus seiner Sicht viel zu geringen deutschen Verteidigungsausgaben (derzeit 1,24 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung) um Korrekturvorschläge gebeten.

Donald Trump - Vom aufmüpfigen Jungen zum US-Präsidenten

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    Die Kosten für die USA in Polen wären laut Washington Post vergleichsweise „peanuts“ – heißt: entschieden geringer als an den verschiedenen Militärstützpunkten in Deutschland. Kaum war die Nachricht in Umlauf gebracht, die eine diffuse Unruhe unter europäischen Nato-Mitgliedern auslöste und von der bei von der Leyens Besuch vor zehn Tagen keine Rede war, versuchten das Pentagon und der Nationale Sicherheitsrat in Washington den Vorgang einzufangen. Tenor: Es gebe keinerlei Pläne für eine Truppenreduzierung in Deutschland, Amerika bleibe der Bundesrepublik weiter verpflichtet.

    Bei den Untersuchungen, die noch längst nicht die Spitzenebene erreicht hätten, handele es sich um routinemäßige „Kosten-Nutzen-Erwägungen“. Aus informierten Kreisen rund um Trump ist dagegen zu hören, dass der Präsident mit dem Thema „Verhandlungsmasse“ aufbauen wolle, um in Brüssel zu „echten Fortschritten zu kommen“. Sprich: zu substanziell mehr Geld von den übrigen 28 Nato-Mitgliedern.

    Donald Trump schickt Nato-Mitgliedern „blauen Brief“

    Zur Untermauerung seiner Forderung ließ Trump vor wenigen Tagen acht Nato-Ländern (Deutschland, Belgien, Niederlande, Italien, Spanien, Portugal, Luxemburg und Norwegen) einen „blauen Brief“ zukommen. Sinngemäßer Inhalt: Ihr habt das 2014 in Wales vereinbarte Zwei-Prozent-Klassenziel bislang verfehlt. Haltet euch ran, die Zielmarke bis 2024 zu schaffen.

    Dabei ist im Falle von Berlin sonnenklar, dass die Hürde nicht genommen werden kann. Sollte der Präsident in Brüssel, wo er zu Beginn seiner Präsidentschaft die Nato als „obsolet“ bezeichnet hat, erneut abseits der Rede-Manuskripte Giftpfeile gegen Verbündete richten, „werden die Risse im transatlantischen Verhältnis, das bereits unter der Strafzoll-Politik Trumps leidet, noch größer“, sagen demokratische Verteidigungspolitiker. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass Trump unmittelbar nach dem Nato-Gipfel und Abstechern nach England und Schottland am 16. Juli im finnischen Helsinki mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammentreffen will.

    Beim ersten offiziellen Gipfeltreffen der beiden seit Trumps Amtsantritt im Januar 2017, so befürchtet die Nato, könnte Trump versucht sein, Moskau Vergünstigungen anzubieten, die zwischen Berlin, London und Paris schwere Schluckbeschwerden auslösen würden. Etwa eine nachträgliche Anerkennung der völkerrechtswidrigen Invasion auf der Krim, die Russland 2014 international zum Paria werden ließ. Trump, auch dies geschah hinter verschlossenen Türen, äußerte jüngst Unverständnis über die (noch) geschlossene Ablehnungsfront Europas. Seine Begründung: Auf der Krim werde mehrheitlich Russisch gesprochen – was soll das Theater? Sollte Trump Putin in der Frage den roten Teppich ausrollen, sagen Experten in Washingtoner Denkfabriken, „wäre das geltende Sanktionsregime am Ende“.