Berlin. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) warnt die CSU – und will endlich Innenminister Seehofers „Masterplan“ sehen.

Daniel Günther setzt an diesem Wochenende auf das Prinzip Hoffnung. Darauf, dass die CSU den EU-Gipfel zumindest als Teilerfolg wertet und im Asylstreit einlenkt. Unsere Redaktion erreichte den schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten am Freitagnachmittag in seinem Dienstwagen am Telefon.

Herr Günther, die Regierung von Angela Merkel steht gefährlich nahe am Abgrund – etwas mehr als 100 Tage nach ihrer Vereidigung. Wer ist dafür verantwortlich?

Daniel Günther: Ganz eindeutig die CSU. Die Regierung hatte sich nach schwierigem Start gefangen. Aber jetzt leisten wir uns seit zwei Wochen einen unionsinternen Streit, weil die CSU abweichend vom Koalitionsvertrag neue Forderungen zur Bewältigung der Mi­gration erhoben hat. Das ist ein großes Ärgernis. So kann es nicht laufen in einer Koalition. Die letzten zwei Wochen haben viel Vertrauen in die Politik zerstört.

Worauf dürfen sich die Bürger in den nächsten Tagen einstellen? Den Rauswurf des Innenministers? Den Rücktritt der Kanzlerin? Auf Neuwahlen?

Die Menschen in Deutschland haben verdient, dass diese Regierung wieder zusammenfindet. Ich appelliere an CDU und CSU, sich zusammenzuraufen an diesem Wochenende.

Wird sich die CSU mit dem zufriedengeben, was Angela Merkel auf europäischer Ebene erreicht hat?

Die Ergebnisse des EU-Gipfels sind absolut ausreichend, um wieder zusammenzukommen in der Union. Die EU-Staaten haben gezeigt, dass sie sich auf eine gemeinsame Asylpolitik verständigen wollen. Auch das Thema Sekundärmigration – also die Frage, wie sich die Flüchtlinge innerhalb der EU aufteilen – wird jetzt endlich in den Fokus genommen. Von daher gibt es überhaupt keinen Grund für nationale Alleingänge. Ich setze sehr darauf, dass die Menschen in Deutschland wieder eine handlungsfähige Regierung bekommen.

Sind die europäischen Vorhaben denn „wirkungsgleich“ zur einseitigen Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze? Das war die Bedingung der CSU.

Beim Gipfel ist eine ganze Menge erreicht worden – und die CSU kann gerne behaupten, dass ihr Druck ein bisschen dabei geholfen hat. Es gibt in der gesamten Union eine große Bereitschaft, den Bruch einer bewährten Fraktionsgemeinschaft abzuwenden. Der Wille zu gemeinsamen Lösungen ist in CDU und CSU stark ausgeprägt.

Was würden Zurückweisungen an der deutschen Grenze bewirken?

Die einseitige Zurückweisung von Flüchtlingen, die in einem anderen EU-Staat registriert sind, ist rechtlich zweifelhaft und nur mit enormem Aufwand umsetzbar. Diese Frage hat auch gar nicht die Brisanz, die von der CSU unterstellt wird. Über die deutsch-österreichische Grenze kommen gerade nur wenige Hundert Flüchtlinge im Monat, die in anderen europäischen Ländern regis­triert sind.

Die Zurückweisung von Flüchtlingen ist einer von 63 Punkten im „Masterplan Migration“ von Innenminister Seehofer. Mit den übrigen 62 sind Sie einverstanden?

Ich habe diesen sogenannten „Masterplan“ leider immer noch nicht zu Gesicht bekommen. Es ist ein Unding, dass wir uns seit zwei Wochen öffentlich zerstreiten über einen Plan, den kein Mensch kennt. Ich bin nicht bereit, Politik zu machen auf diesem Niveau. Bevor ich mir eine Meinung zu einem Plan mache, will ich ihn erst gelesen haben. Er muss jetzt endlich vorlegt werden.

Wie wahrscheinlich ist ein Nein aus Schleswig-Holstein zum „Masterplan“?

Darüber will ich nicht spekulieren. Wir haben erhebliche Vollzugsdefizite bei Rückführungen. Die müssen wir beseitigen. Wir werden jeden einzelnen Vorschlag des Seehofer-Plans daraufhin überprüfen, ob er sinnvoll und zielführend ist.

Eignet sich ein solcher Plan, um die AfD kleinzuhalten?

Alles, was konkret Probleme löst, hilft im Kampf gegen die AfD. Sprüche und Problembeschreibungen dagegen stärken die AfD. Insofern waren die letzten beiden Wochen ein Konjunkturprogramm für Populisten. Jetzt brauchen wir ein Konjunkturprogramm, um sie wieder kleinzukriegen.