Berlin. Deniz Yücel ist zwar frei, doch die Türkei fordert weiter seine Haft. Der Prozess begann mit einer Forderung des Richters an Yücel.

In Istanbul hat der Prozess gegen den deutsch-türkischen

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begonnen. 18 Jahre Haft fordert die Staatsanwaltschaft. Yücel war nach seiner Haftentlassung im Februar ausgereist und wird an der Verhandlung nicht teilnehmen, wie sein Anwalt Veysel Ok der dpa bestätigte.

Am ersten Tag des Prozesses hat der Richter einen Freispruch des Angeklagten abgelehnt. Die Bedingungen dafür seien unter anderem „wegen der Schwere der Anklage nicht gegeben“, sagte er am Donnerstag im Gericht im Istanbuler Stadtviertel Caglayan. Außerdem müssten erst noch Beweise geprüft werden.

Richter fordert von Deniz Yücel schriftliche Aussage

Er forderte außerdem eine „schriftliche Aussage“ von Yücel. Eine Videoaussage, wie von Yücels Anwalt Veysel Ok vorgeschlagen, wollte er nicht akzeptieren. Das Gericht vertagte sich nach einer knappen Dreiviertelstunde Verhandlungsdauer auf den 20. Dezember.

Die Vorwürfe gegen den Korrespondenten der Zeitung „Die Welt“ sind in einer nur drei Seiten umfassenden Anklageschrift nachzulesen: „Propaganda für eine Terrororganisation“ und „Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit“, steht da unter anderem.

Auch Yücels Anwalt steht in der Türkei wegen Justiz-Beleidigung vor Gericht

Vor Prozessbeginn sagte Ok: „Wenn die Richter sich an die Gesetze und an die Verfassung halten, muss Deniz in der ersten Sitzung freigesprochen werden.“ Der Anwalt sprach von einem „politischen Prozess“ und kritisierte, Yücel sei illegalerweise für seine Arbeit als Journalist inhaftiert worden.

Die Inhaftierung von Yücel und anderer Deutscher – darunter der Menschenrechtler

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– hatte im vergangenen Jahr zu einer Krise zwischen Berlin und Ankara geführt. Steudtner konnte im Oktober ausreisen, aber gegen ihn und weitere Menschenrechtler geht in Abwesenheit ein Gerichtsprozess weiter.

Der Prozess ist wie die gesamte Vorgeschichte ein Politikum. Yücel verbrachte rund ein Jahr in türkischer Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul, bevor er im

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. Die Untersuchungshaft hatte Ende Februar 2017 ein Haftrichter angeordnet und die Entscheidung damit begründet, dass Yücel sich in einigen seiner Artikel kritisch über den Kurdenkonflikt und den Putschversuch im Juli 2016 geäußert habe.

Von der Verhaftung bis zu Freilassung – Deniz Yücels Weg in die Freiheit

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    Der türkische Präsident

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    verurteilte den Journalisten bereits kurz nach der Entscheidung des Haftrichters in einer öffentlichen Rede. Darin nannte er Yücel einen „PKK-Vertreter“ und „deutschen Agenten“.

    Auch der Anwalt Ok steht in der Türkei vor Gericht, weil er in einem Zeitungsinterview im Jahr 2015 die türkische Justiz beleidigt haben soll. Ok hatte gesagt, die Richter in der Türkei seien nicht unabhängig. Ihm drohen zwei Jahre Haft, der Prozess wird am 4. Juli fortgesetzt.

    Diese Deutschen waren in türkischer Haft

    Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation.
    Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation. © dpa | Soeren Stache
    Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte.
    Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte. © REUTERS | HANDOUT
    #FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels.
    #FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels. © picture alliance / Eventpress | dpa Picture-Alliance /
    Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt.
    Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt. © dpa | Lefteris Pitarakis
    Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt.
    Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt. © Facebook/Mesale Tolu | Facebook/Mesale Tolu
    Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben.
    Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben. © dpa | Linda Say
    Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen.
    Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen. © dpa | Emrah Gurel
    Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“
    Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“ © REUTERS | OSMAN ORSAL
    Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden.
    Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden. © dpa | Privat
    Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören.
    Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören. © privat | privat
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    Reporter ohne Grenzen: „Druck auf die türkische Willkürjustiz darf nicht nachlassen“

    Für den Geschäftsführer der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG), Christian Mihr, ist der Prozess gegen Yücel wie viele andere Prozesse gegen Journalisten in der Türkei „eine Farce“. Mihr fordert die türkische Justiz auf, die Anschuldigungen fallenzulassen. Alles andere als ein Freispruch wäre unerträglich, sagt er.

    „Der Druck auf Erdogan und die türkische Willkürjustiz darf nicht nachlassen, bis der Medienpluralismus wiederhergestellt ist und alle zu Unrecht inhaftierten Journalisten freigelassen wurden“, ist Mihr überzeugt. Denn obwohl Yücel bereits freigelassen wurde, setze die Türkei die

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    fort. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz 157 von 180 Staaten.

    Beschwerde vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof

    Yücel hat sich seinerseits bereits kurz nach seiner Inhaftierung in der Türkei zur Wehr gesetzt und dagegen im April 2017 Beschwerde beim Europäische

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    (EGMR) eingelegt. Laut einem Bericht der „Welt“ vom Anfang des Jahres, wird das Gericht voraussichtlich Ende Juli über die Klage von Yücel entscheiden.

    Yücel: "Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack"

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      Die Entscheidungen des EGMR sind eigentlich bindend für die Türkei. Im März dieses Jahres hatte der Gerichtshof im Fall von zwei inhaftierten Journalisten die Türkei wegen der Verletzung von Menschenrechten verurteilt. Die Untersuchungshaft verstoße gegen das Recht auf Freiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung, heißt es in der Pressemitteilung des EGMR. Kritik an der türkischen Regierung dürfe die Türkei nicht als Terrorunterstützung ahnden.

      Allerdings betonte der EGMR damals zugleich, dass er das türkische Verfassungsgericht weiterhin als effektive Beschwerdeinstanz sieht und damit zunächst der Rechtsweg in der Türkei komplett ausgeschöpft werden muss. (nsa/dpa)

      Yücel bei erstem öffentlichen Auftritt frenetisch gefeiert

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