Riad. Saudi-Arabien war das letzte Land, in dem Frauen nicht Auto fahren durften. Die Freude über das Ende des Fahrverbots ist aber getrübt.

Erstmals in der Geschichte Saudi-Arabiens dürfen Frauen in dem islamisch-konservativen Königreich ans Steuer. Um Mitternacht Ortszeit endete am Sonntag (Samstag/23 Uhr MESZ) das Autofahrverbot für Frauen. Die Maßnahme sei offiziell in Kraft getreten, meldete der von Saudi-Arabien finanzierte Nachrichtenkanal Al-Arabija.

Viele Saudis sehen darin eine historische Zäsur für das Land. Al-Arabija zeigte live, wie sich eine Frau in der Hafenstadt Dammam im Osten des Landes hinter das Steuer setzte und losfuhr. Saudi-Arabien war weltweit das letzte Land, in dem Frauen nicht Auto fahren durften.

Verhaftungswelle in den vergangenen Wochen

In der Hauptstadt Riad startete die 30 Jahre alte Wala Abu Nadschm im Wagen ihres Mannes die erste Fahrt im saudischen Verkehr. „Endlich kann ich meine Familie besuchen, ohne meinen Mann fragen zu müssen, ob er mich fährt“, freute sie sich. Ihre größte Sorge sei die Reaktion der Öffentlichkeit auf das Ende des Fahrverbots. Im Internet kursieren seit Monaten saudische Witze über Frauen am Steuer.

Auch in anderen saudischen Städten fuhren Frauen erstmals los. Allerdings liegt über dem historischen Tag ein Schatten: Ausgerechnet viele der Aktivistinnen, die sich über Jahre für das Ende des Frauenfahrverbots eingesetzt hatten, müssen ihn nach einer Verhaftungswelle in den vergangenen Wochen im Gefängnis erleben.

Frauen aus Saudi-Arabien und Bahrain feiern das Ende des Frauenfahrverbots.
Frauen aus Saudi-Arabien und Bahrain feiern das Ende des Frauenfahrverbots. © REUTERS | HAMAD I MOHAMMED

Das Ende des Autofahrverbots für Frauen gehört zu einer Reihe von Reformen, mit denen das saudische Königshaus das Land öffnen möchte. Seit einigen Monaten sind bereits Konzerte erlaubt.

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Vorangetrieben werden die Reformen vom 32 Jahre alten Kronprinz Mohammed bin Salman, der als starker Mann und künftiger Herrscher des autokratischen regierten Königreiches gilt.

Vor allem unter jungen Saudis genießt er Ansehen – konservative beobachten die Reformen jedoch skeptisch. Sie stoßen sich vor allem an der Aufweichung der strikten Trennung von Männern und Frauen.

Ende des Verbots soll Frauen Zugang zu Jobs verschaffen

In den vergangenen Wochen hatten die Behörden die ersten Führerscheine an Frauen ausgegeben, damit diese direkt am Sonntag starten können. In den vergangenen Tagen wurden die Menschen in den größten Städten des Landes mit Veranstaltungen auf das Ereignis eingestimmt. Das Bewusstsein für sicheres Autofahren sollte dabei mit Trainings und Fahrsimulatoren gestärkt werden.

Eine saudische Frau und Fahrlehrerin hält vor einer Fahrschule ihren Führerschein hoch.
Eine saudische Frau und Fahrlehrerin hält vor einer Fahrschule ihren Führerschein hoch. © dpa | Gehad Hamdy

Das Ende des Verbots soll den Frauen auch helfen, stärker auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Bisher sind sie oft auf Chauffeure angewiesen. Saudi-Arabien bemüht sich darum, seine hohe Abhängigkeit vom Öl zu verringern und will deswegen die Wirtschaft umbauen.

Viele Frauen befürchten jedoch, dass die Straße zu einem Ort der Belästigung durch Männer werden könnte. Als Reaktion auf die Sorgen der Frauen hatte die Regierung ein Gesetz beschlossen, das sexuelle Belästigung unter hohe Strafen stellt. Wer sich eines Vergehens schuldig macht, kann mit bis zu fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe von umgerechnet bis zu 70.000 Euro bestraft werden.

Hartes Vorgehen gegen Aktivisten

Der historische Tag wird von einer Verhaftungswelle überschattet. Die Behörden hatten im Mai mehr als ein Dutzend Frauenrechtsaktivisten festgenommen. Mindestens neun von ihnen sind noch immer in Haft. Ihnen wird vorgeworfen, mit „feindlichen“ ausländischen Mächten in Kontakt gestanden zu haben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sprach von einer „Razzia gegen abweichende Meinungen“.

Das harte Vorgehen gegen Aktivisten wird als Warnung der autokratischen Führung gesehen, dass sie das Ausmaß der Reformen selbst bestimmen will. Das „Project on Middle East Democracy“ schrieb, die Festnahmen seien ein bedrohliches Zeichen, dass Saudi-Arabien die Zivilgesellschaft auslöschen wolle. (dpa)