Berlin. Riskiert Seehofer den Bruch der Koalition? Ein Zeitungsbericht legt das nahe. Am Sonntag trifft sich der CSU-Parteivorstand in München.

Mit Spannung wird morgen (Montag) die Sitzung des CSU-Parteivorstandes in München erwartet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) droht im unionsinternen Asylstreit damit, im Alleingang Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Darüber will er mit dem CSU-Vorstand beraten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will in der Frage auf einem EU-Gipfel Ende Juni mit den EU-Partnern verhandeln. Dafür hat Merkel zwar die Rückendeckung der CDU, aber die CSU will nicht so lange warten. Über Ergebnisse der CSU-Sitzung will Seehofer auf einer Pressekonferenz um 14 Uhr informieren.

Seehofer zu Koalitionsbruch bereit

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist laut „Welt am Sonntag“ zu einem Bruch der Koalition bereit. Am Donnerstagmorgen soll der CSU-Chef dem Blatt zufolge in einer kleinen Runde aus CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und den Regierungsmitgliedern der CSU über Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesagt haben: „Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten.“

Die Zeitung beruft sich auf Teilnehmer dieser kleinen Runde. Seehofer soll das zwei Mal gesagt haben – in der darauffolgenden getrennten Fraktionssitzung der CSU habe er es jedoch nicht wiederholt. Vorausgegangen war am Mittwochabend ein Gespräch zwischen Merkel, Seehofer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Kanzleramt. Dreieinhalb Stunden sollen die drei über die von Seehofer geforderte Zurückweisung von Flüchtlingen an deutschen Grenzen diskutiert haben. Söder soll dieses Gespräch laut dem „WamS“-Bericht kurz vor Mitternacht mit den Worten „Das bringt nichts“ abgebrochen haben.

Angela Merkel will eine europaweite Lösung

Über die Grenzpolitik ist ein heftiger unionsinterner Streit entbrannt. Seehofer hat damit gedroht, im Alleingang Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, an der Grenze zurückzuweisen.

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, Seehofer will aber nicht warten und bereits an diesem Montag mit dem CSU-Vorstand über das Thema beraten.

Merkel: "Glaube, dass wir nicht unilateral handeln sollten"

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    Im Kontrast zu den Worten, mit denen Horst Seehofer in der „Welt am Sonntag“ zitiert wird, steht ein Interview, das der Bundesinnenminister der „Bild am Sonntag“ gegeben hat: „Niemand in der CSU hat Interesse, die Kanzlerin zu stürzen, die CDU/CSU-Fraktionsgemeinschaft aufzulösen oder die Koalition zu sprengen. Wir wollen endlich eine zukunftsfähige Lösung für die Zurückweisung von Flüchtlingen an unseren Grenzen“, sagte er dem Blatt.

    Versöhnlichere Töne

    Und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag) sagte Seehofer, er hoffe auf die Möglichkeit, sich mit Merkel zu einigen. Was seine Forderungen in der Asylpolitik anging, wich er aber nicht zurück. „Der Zusammenhalt Europas steht auf dem Spiel, ebenso der Zusammenhalt in Deutschland. Die Lage ist ernst, aber sie ist bewältigbar“, argumentierte Seehofer.

    Auch der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, bekräftigte die von der CDU-Spitze abgelehnte Forderung Seehofers, solche Migranten an der Grenze zurückzuweisen, die schon andernorts in der EU als Asylbewerber registriert sind. „Dabei können wir nicht nur weiter auf eine europäische Lösung warten, sondern müssen wieder bestehendes europäisches und deutsches Recht anwenden. Dazu gehören auch Zurückweisungen an der deutschen Grenze“, sagte er dem Blatt.

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      Richter hält Zurückweisungen an der deutschen Grenze für möglich

      Die „Neuordnung des Asylsystems“ macht Dobrindt demnach zur „Frage der Identität“ der Unionsparteien. „Wir müssen zeigen: Wir setzen nicht nur Recht, sondern wir sind auch bereit, es durchzusetzen.“ Systemfehler müssten abgestellt werden, um denen Schutz zu bieten, die ihn wirklich brauchen. „Und die abzuweisen und zurückzuführen, die keinen Anspruch auf Hilfe haben.“

      Grüne rufen Union zur Ordnung

      Der Vorsitzende des Bunds Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller, hält Zurückweisungen von Asylbewerbern an der deutschen Grenze für rechtlich möglich. Er sagte der „BamS“, die Prüfung der Zuständigkeit für das jeweilige Asylverfahrens sei „in dem Land durchzuführen, aus dem der Asylbewerber gerade ausreisen möchte und nicht in dem Land, in das er einreisen möchte“. Folge man dieser Ansicht, die er persönlich überzeugend finde, „steht Europarecht einer Zurückweisung an der Grenze nicht entgegen“.

      Die Grünen haben auf den Asylstreit der Union mit einem scharfen Ordnungsruf reagiert. „Es wird höchste Zeit, dass sich alle Akteure besinnen, was auf dem Spiel steht: Das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie“, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock unserer Redaktion. „Reißt Euch zusammen. Macht Eure Arbeit.“

      Grüne schließen Regierungsbeteiligung nicht aus

      Die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, schließt eine Beteiligung ihrer Partei an einer Bundesregierung im Falle des Ausscheidens der CSU nicht aus. „Dass die Grünen regieren könnten und gestalten wollen – daran gibt es keinen Zweifel“, sagt sie der „taz“. Die Grünen seien aber nicht der Notnagel.

      Malu Dreyer: Erwarte, dass sich Merkel und Seehofer zusammenreißen

      Auch die SPD-Führung appelliert mit zunehmender Schärfe an CSU und CSU, ihren Asylstreit beizulegen. „Ich erwarte von Angela Merkel und von Horst Seehofer, dass sie sich zusammenreißen und die würdelosen Machtspiele unterlassen“, sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer den Zeitungen unserer Redaktion. „Beide müssen ihre Scharfmacher zur Räson bringen. Dieser Unionsmachtkampf schadet unserem Land.“

      Merkel und Seehofer hätten es darauf ankommen lassen, dass der Streit auf offener Bühne eskaliert, kritisierte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin. „Dabei nimmt nicht nur die Würde und die notwendige Autorität einer Kanzlerin Schaden, die Union verspielt das Vertrauen in die Politik, deren Aufgabe es ist, die Probleme zu lösen und Deutschland in eine gute Zukunft zu führen.“ (epd,dpa,fmg)