Ankara. Der türkische Staatschef steckt Milliarden in den Stimmenkauf – und riskiert damit den Absturz der ohnehin angeschlagenen Wirtschaft.

Wie die Wahlen in der Türkei am 24. Juni ausgehen werden, weiß niemand. Aber zwölf Millionen türkische Rentner können sich als Gewinner fühlen. Sie bekommen nächsten Monat eine Bonuszahlung von 1000 Lira, umgerechnet 183 Euro. Offizieller Anlass der Gratifikation ist das Ende des Fastenmonats Ramadan am 14. Juni. Tatsächlicher Grund sind die Wahlen im Juni: Mit dem Geldgeschenk will Staatschef

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für gute Stimmung sorgen, damit die Pensionäre ihm und seiner islamischen Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) ihre Stimmen geben.

Für Erdogan geht es bei den Abstimmungen in gut vier Wochen ums Ganze. Er hofft bei der Präsidentenwahl auf eine weitere fünfjährige Amtszeit als Staatsoberhaupt und bei der parallel stattfindenden Parlamentswahl auf eine absolute Mehrheit für seine AKP. Besondere Bedeutung bekommt die Doppelwahl, weil sie den Übergang zum neuen Präsidialsystem besiegelt. Die neue Verfassung gibt dem Staatschef erweiterte Kompetenzen.

Bauern bekommen höhere Erzeugerpreise

Kein Wunder, dass Erdogan und die AKP vor dieser wichtigen Weichenstellung alle Register ziehen. Nicht nur die Rentner bekommen Geschenke. Steuerschulden und Bußgelder werden gestundet oder erlassen. Bauern bekommen höhere Erzeugerpreise, 13 Millionen illegal errichtete Bauten werden legalisiert.

Umstrittener Wahlkampf-Auftritt von Erdogan in Sarajevo

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    Ministerpräsident Binali Yildirim beziffert die Kosten des offiziell als „Konjunkturprogramm“ kaschierten Stimmenkaufs auf 22 bis 24 Milliarden Lira, umgerechnet knapp 4,4 Milliarden Euro – Geld, das die Türkei eigentlich gar nicht hat. Denn die türkische Wirtschaft steuert auf eine schwere Krise zu. Die Lira hat in diesem Jahr gegenüber dem Dollar fast 30 Prozent ihres Wertes eingebüßt.

    Zweite Bonuszahlung nach der Wahl

    Die nationalistische Politikerin Meral Aksener, eine von fünf Konkurrenten Erdogans bei der Präsidentenwahl, vergleicht die Türkei mit einem „Reisebus, der auf einen Abgrund zurast“. Leider sei „unser Busfahrer übermüdet“, sagt Aksener. Erdogan müsse deshalb schleunigst am Steuer abgelöst werden, sagt sie. In der Umfrage von Mitte Mai kommt Aksener auf 21 Prozent.

    Gemeinsam könnte es den anderen Oppositionsbewerbern gelingen, genug Stimmen zu sammeln, um eine absolute Mehrheit Erdogans von mehr als 50 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang zu verhindern. Kein Wunder, dass Erdogan alles tut, um Wähler zu mobilisieren. So verspricht die Regierung jetzt Rentnern und Behinderten eine zweite Bonuszahlung zum islamischen Opferfest, das am 21. August beginnt. Das soll ein zusätzlicher Anreiz sein, bei den Wahlen im Juni Erdogan und die AKP anzukreuzen.