Brüssel. Die Geduld der EU-Kommission ist am Ende. Deutschland muss sich wegen schlechter Luft vor dem Europäischen Gerichtshof verantworten.

Wegen zu schmutziger Luft in vielen deutschen Städten verklagt die EU-Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Dies teilte die Brüsseler Behörde am Donnerstag mit. Zudem ermahnte sie Deutschland und andere Länder erneut wegen der zu zögerlichen Reaktion auf den Dieselskandal bei Volkswagen.

Bei der Klage geht es um die Missachtung von EU-Grenzwerten für

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, die bereits seit 2010 verbindlich für alle EU-Staaten sind. Auch 2017 wurden sie jedoch in 66 deutschen Städten überschritten, in 20 Kommunen sehr deutlich. Verantwortlich gemacht werden vor allem Dieselautos, deren Zahl jahrelang stark zunahm. Nach dem Dieselskandal wurde deutlich, dass sie im Verkehr auch viel mehr Schadstoffe ausstoßen als in Tests.

Massive Versäumnisse im Abgasskandal

Die Kommission hatte schon 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere Länder eingeleitet und die Regierungen immer wieder ermahnt. Die Bundesregierung steuerte unter anderem mit ihrem „Sofortprogramm für saubere Luft“ nach. Beim Diesel-Gipfel 2017 versprach die Autoindustrie zudem Software-Updates für Dieselautos, die Schadstoff-Emissionen um 25 bis 30 Prozent drücken sollen. Dennoch gelang es nicht, kurzfristig die Grenzwerte einzuhalten.

In einem zweiten, Ende 2016 gestarteten Verfahren wirft die EU-Kommission der Bundesregierung im Abgasskandal massive

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vor. Ein Vorwurf: Sie habe Volkswagen nicht für die Manipulation von Schadstoffwerten bei Dieselautos bestraft.

Zu lax gegenüber Autoindustrie

Zudem habe die Regierung nicht ausreichend überwacht, dass die Autohersteller die Vorschriften einhalten. Die Bundesregierung hatte sich schon bei Einleitung des Verfahrens gegen die Vorwürfe verwahrt. In dem Verfahren startet die Kommission nun die nächste Stufe – nicht nur gegen Deutschland, sondern auch gegen Italien, Luxemburg und Großbritannien.

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    Formal bezieht sich das auf die EU-Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen, die missachtet worden seien. Nach EU-Recht müssten die EU-Staaten „über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionssysteme verfügen, um Autohersteller davon abzuhalten, gegen geltendes Recht zu verstoßen“. Bei den vier Staaten sieht die Kommission das nicht gegeben.

    Nachrüstung von Dieseln oder Fahrverbote

    Klagen vor dem EuGH gegen EU-Staaten sind nicht ungewöhnlich. Helfen Ermahnungen in einem Vertragsverletzungsverfahren nichts, sind sie der übliche nächste Schritt, um den Rechtsstreit zu klären. Unterliegt Deutschland, könnte die EU-Kommission in einem weiteren Verfahren hohe Zwangsgelder durchsetzen.

    Allerdings wächst mit den Verfahren schon jetzt der politische Druck, etwas gegen die zu hohen Schadstoffwerte in deutschen Städten und gegen die zu schmutzigen Diesel zu unternehmen. Verkehrsexperten sehen kurzfristig nur zwei Lösungsmöglichkeiten: die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen oder Fahrverbote. Das Bundesverwaltungsgericht hatte

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    in Städten im Februar grundsätzlich erlaubt, solange sie verhältnismäßig sind.

    Umweltministerin fordert schnelle technische Diesel-Nachrüstungen

    Bundesumweltministerin Svenja Schulze fordert wegen der angekündigten EU-Klage und mit Blick auf Streitigkeiten in der großen Koalition mehr Anstrengungen für bessere Luft. „Wenn wir vor Gericht bestehen wollen, brauchen wir größere und schnellere Fortschritte, um die Luft sauber zu bekommen“, erklärte die SPD-Politikerin am Donnerstag in Berlin. „Ich fordere schon lange technische Nachrüstungen für Diesel-Pkw. Wir brauchen sie jetzt so schnell wie möglich, und zwar auf Kosten der Automobilhersteller. Denn die haben das Problem verursacht.“

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      Umfangreiche technische Nachrüstungen direkt am Motor für ältere Diesel, sogenannte Hardware-Nachrüstungen, sind allerdings in der Koalition umstritten. Die Union ist skeptisch. Die Autohersteller lehnen Hardware-Nachrüstungen als zu aufwendig und teuer ab.

      Schulze sagte mit Blick auf den Koalitionspartner: „Darauf zu hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt – wie manche das offenbar tun – ist spätestens jetzt keine Option mehr. Blockieren und Aussitzen sollte in dieser Frage niemand mehr.“

      Wer sich weiter dem Weg von technischen Diesel-Nachrüstungen versperre, riskiere nicht nur Fahrverbote und weitere Wertverluste bei den Dieselautos, sondern auch eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof. (dpa)