Jerusalem. Während die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt wird, sterben an der Grenze Demonstranten. In Nahost stehen die Zeichen auf Eskalation.

Es war ein Tag der Ex­treme. In Jerusalem gab es festliche Reden zur Einweihung der neuen US-Botschaft, die sich bislang in Tel Aviv befunden hatte. Israelische und amerikanische Gäste feierten. Gleichzeitig

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Bei gewaltsamen Protesten von Palästinensern wurden mehr als 50 Menschen von israelischen Sicherheitskräften getötet und rund 2000 verletzt. Die israelische Luftwaffe flog Angriffe auf die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas.

Umwidmung der konsularischen US-Vertretung zur Botschaft

US-Präsident Donald Trump war zwar nicht persönlich gekommen. Aber in der neuen amerikanischen Botschaft sprach er vom Bildschirm, per Videoaufzeichnung aus Washington. „Israel ist eine souveräne Nation und hat wie alle souveränen Nationen das Recht, seine Hauptstadt selbst zu bestimmen.“

Trump hatte den

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sowie die einseitige

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im Dezember bekannt gegeben. Am Montag wurde zunächst die konsularische US-Vertretung in Jerusalem zur Botschaft umgewidmet. Das neue Gebäude ist erst in ein paar Jahren fertig.

Darum ist Jerusalem als Hauptstadt so umstritten

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    Benjamin Netanjahu dankte Trump überschwänglich

    Unter der hochkarätigen Delegation in Jerusalem waren US-Finanzminister Steven Mnuchin, Trumps Tochter Ivanka und deren Ehemann, Jared Kushner, US-Senatoren und Gouverneure sowie Israels wichtigste Amtsträger. Kushner, Berater Trumps und Sonderbeauftragter für Nahost, bekräftigte Amerikas „starke Verpflichtung für einen dauerhaften Frieden“ und den Respekt für den besonderen Status Jerusalems mit den heiligen Stätten der verschiedenen Weltreligionen.

    Israels Premierminister, Benjamin Netanjahu, dankte Trump überschwänglich: „Indem Sie die Geschichte anerkannt haben, haben Sie Geschichte geschrieben!“ Und weiter: „Ein Frieden, der auf Lügen basiert, kann nur an den Felsen der nahöstlichen Realität zerschellen. Und die Wahrheit ist, dass Jerusalem immer die Hauptstadt des jüdischen Volkes bleiben wird.“

    Netanjahu: "Jerusalem wird immer unsere Hauptstadt bleiben"

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      Am Montag demonstrierten rund 40.000 Menschen

      Zum gleichen Zeitpunkt war die Opferzahl bei den Protesten im rund 80 Kilometer entfernten Gazastreifen schon auf über 50 gestiegen. Das berichtete das Gesundheitsministerium in Gaza. Bereits seit sechs Wochen hatten im Küstenstreifen jeden Freitag Tausende beim sogenannten „Großen Marsch der Rückkehr“ demonstriert. Sie protestierten gegen die Vertreibung der Palästinenser 1948 aus Israel und forderten ein Recht auf Rückkehr.

      Am Montag demonstrierten rund 40.000 Menschen an zwölf verschiedenen Stellen im Gazastreifen. Der Rauch brennender Autoreifen und das Tränengas israelischer Kräfte hüllten das Gebiet an den Sperranlagen wie schon in den Vorwochen in dicke, beißende Schwaden.

      Proteste in Gaza: Tote und Verletzte

      Die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem führt zu heftiger Gewalt an der israelischen Grenze. Dutzende Palästinenser sterben im Gazastreifen. Es ist der Tag mit den meisten Toten seit dem Gaza-Krieg 2014, Tausende weitere Menschen wurden verletzt.
      Die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem führt zu heftiger Gewalt an der israelischen Grenze. Dutzende Palästinenser sterben im Gazastreifen. Es ist der Tag mit den meisten Toten seit dem Gaza-Krieg 2014, Tausende weitere Menschen wurden verletzt. © REUTERS | IBRAHEEM ABU MUSTAFA
      Die palästinensischen Demonstranten wollen nicht hinnehmen, dass die USA ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. US-Präsident Donald Trump hatte Jerusalem im Dezember im Alleingang als Hauptstadt Israels anerkannt.
      Die palästinensischen Demonstranten wollen nicht hinnehmen, dass die USA ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. US-Präsident Donald Trump hatte Jerusalem im Dezember im Alleingang als Hauptstadt Israels anerkannt. © REUTERS | MOHAMMED SALEM
      Dichter Rauch steigt über den Demonstranten auf. Sie beanspruchen Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen eigenen – noch zu gründenden – Staat Palästina.
      Dichter Rauch steigt über den Demonstranten auf. Sie beanspruchen Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen eigenen – noch zu gründenden – Staat Palästina. © REUTERS | IBRAHEEM ABU MUSTAFA
      Kaum noch zu erkennen: Ein Demonstrant trägt einen Autoreifen, während andere vor dem Feuer israelischer Soldaten in Deckung gehen.
      Kaum noch zu erkennen: Ein Demonstrant trägt einen Autoreifen, während andere vor dem Feuer israelischer Soldaten in Deckung gehen. © REUTERS | IBRAHEEM ABU MUSTAFA
      Zehntausende Palästinenser beteiligen sich an den Protesten am Grenzzaun.
      Zehntausende Palästinenser beteiligen sich an den Protesten am Grenzzaun. © REUTERS | IBRAHEEM ABU MUSTAFA
      Auch auf den Straßen von Bethlehem verbrennen Jugendliche Reifen.
      Auch auf den Straßen von Bethlehem verbrennen Jugendliche Reifen. © dpa | Majdi Mohammed
      Eine Demonstrantin vor einer Rauchwand an der israelischen Grenze.
      Eine Demonstrantin vor einer Rauchwand an der israelischen Grenze. © REUTERS | MOHAMMED SALEM
      Palästinenser versuchen, ein Feuer zu löschen, das durch israelische Drohnen verursacht worden ist.
      Palästinenser versuchen, ein Feuer zu löschen, das durch israelische Drohnen verursacht worden ist. © dpa | -
      Ein verwundeter palästinensischer Junge wird fortgetragen.
      Ein verwundeter palästinensischer Junge wird fortgetragen. © REUTERS | IBRAHEEM ABU MUSTAFA
      Tränengas für die Demonstranten: Ein israelischer Polizist zielt auf Palästinenser.
      Tränengas für die Demonstranten: Ein israelischer Polizist zielt auf Palästinenser. © REUTERS | MUSSA ISSA QAWASMA
      Auf der anderen Seite nutzt ein Demonstrant eine Schleuder, um Steine auf die israelischen Truppen zu werfen.
      Auf der anderen Seite nutzt ein Demonstrant eine Schleuder, um Steine auf die israelischen Truppen zu werfen. © REUTERS | MOHAMMED SALEM
      Andere Welt in Jerusalem: Bei Trump Tochter Ivanka (Mitte) scheint die Stimmung gelöst zu sein.
      Andere Welt in Jerusalem: Bei Trump Tochter Ivanka (Mitte) scheint die Stimmung gelöst zu sein. © REUTERS | RONEN ZVULUN
      Sie applaudieren dem US-Botschafter in Israel, David Friedman, der bei der Eröffnungszeremonie der neuen Botschaft spricht.
      Sie applaudieren dem US-Botschafter in Israel, David Friedman, der bei der Eröffnungszeremonie der neuen Botschaft spricht. © REUTERS | RONEN ZVULUN
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      Die meisten Todesopfer seit dem Gazakrieg 2014

      Immer wieder hörte man Schüsse, Sirenen, Geschrei. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza wurden 2000 Demonstranten verletzt, davon rund die Hälfte durch Schüsse und 750 durch Tränengas. Es war der Tag mit den meisten Todesopfern seit dem Gazakrieg 2014.

      Das neue US-Siegel an der Wand des Botschaftsgebäudes im Jerusalemer Stadtteil Arnona war für viele Palästinenser einer der Gründe, auf die Barrikaden zu gehen. Andere, im Falle von Gaza, folgten der Aufforderung der radikalislamischen Hamas zum Marsch auf den Grenzzaun.

      Truppen der israelischen Armee wurden aufgestockt

      Die israelischen Sicherheitskreise hatten zuvor befürchtet, dass Terroristen der Hamas und anderer militanter Gruppen die Verzweiflung der Palästinenser und das Chaos ausnutzen könnten, um den Grenzzaun zu überrennen und in eine israelische Gemeinde in der Nähe einzufallen.

      Um das zu verhindern, waren die Truppen der israelischen Armee an der Grenze noch einmal aufgestockt worden. Bereits seit Beginn der Proteste wurde scharfe Munition eingesetzt, nun wurden „die Einsatzregeln noch einmal verschärft“, so ein israelischer Experte.

      Teil des Grenzübergangs Kerem HaShalom wurde niedergebrannt

      Nach den vergangenen Tagen und Wochen waren die Israelis gewarnt. Immer wieder hatten Palästinenser Lenkdrachen mit Brandsätzen über den Zaun geschickt, um israelische Felder anzuzünden.

      Am Freitag hatte ein palästinensischer Mob sogar einen Teil des Grenzübergangs Kerem HaShalom niedergebrannt und damit den mit Abstand wichtigsten Versorgungsweg des unter Blockade stehenden Küstenstreifens abgeschnitten. Darunter zum Beispiel die Treibstoffzufuhr.

      Tote bei Palästinenserprotesten gegen US-Botschaft in Jerusalem

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        Angeblich Anschlag auf Grenzzaun verhindert

        Israelische Militärs erklärten, Hamas-Kräfte hätten danebengestanden und es geschehen lassen, weil es ihrem Protest nützte. Nach dem Motto: Je größer die Verzweiflung der Menschen, desto größer der Druck auf Israel und die Welt. Horrorbilder aus Gaza könnten nicht nur im Interesse der Hamas sein, sondern womöglich auch ganz nach dem Geschmack der Mullahs in Teheran.

        Die israelische Armee bombardierte am späten Nachmittag sieben Hamas-Posten im nördlichen Gazastreifen, angeblich als Reaktion auf Bomben und Brandsätze in Richtung ihrer Truppen. Schon vorher hieß es, man habe einen Anschlag auf den Grenzzaun durch Terroristen verhindert.

        Demonstrationen im Westjordanland und Ost-Jerusalem

        Sicherheitsminister Gilad Erdan sprach am Rande der Feier in Jerusalem über die hohe Zahl der Toten: „Das hat nichts zu bedeuten. Genauso wie die hohe Zahl von toten Nazis im Krieg die Nazis nicht zu etwas gemacht habe, das man erklären oder verstehen kann.“ Erdan sagte, Israel wolle keine Toten und machte stattdessen die Hamas-Führung verantwortlich für ihr „zynisches und bösartiges Ausnutzen des Blutvergießens“.

        Doch es wurde nicht nur in Gaza demonstriert, sondern auch im Westjordanland und Ost-Jerusalem. Dort waren Hunderte Palästinenser dem Aufruf der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Fatah gefolgt und hatten unter anderem in Ramallah, am Checkpoint Qalandia, in Bethlehem, Hebron und Nablus demonstriert. Die israelische Armee hatte auch im Westjordanland bereits im Vorfeld ihre Truppen verstärkt.

        Palästinenser sehen Ost-Jerusalem als legitime Hauptstadt

        Doch der Mittelpunkt der Proteste lag in Gaza. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas berief eine Sitzung der wichtigsten Führungsgremien ein, um die Situation in der Enklave zu diskutieren. Gegenüber US-Präsident Trump gab sich Abbas erneut unnachgiebig.

        Sein Sprecher Nabil Abu Rdeineh erklärte zum Umzug der Botschaft: „Mit diesem Schritt hat die US-Regierung ihre Rolle im Friedensprozess aufgegeben, die Welt, das palästinensische Volk, die arabische und die muslimische Nation beleidigt. Das hat zu Hetze und Instabilität geführt.“ Die Palästinenser sehen Ost-Jerusalem als ihre legitime Hauptstadt bei einer Zwei-Staaten-Lösung, doch diese scheint nun noch weiter in die Ferne zu rücken.

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          Al-Kaida: Trump das „wahre Gesicht der Kreuzzüge“

          International gab es zum Teil heftige Kritik am Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte. Der UN-Hochkommissar Zeid Ra’ad al Hussein verurteilte die „abscheulichen Menschenrechtsverletzungen“ der Israelis. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Türkei bezeichnete das Vorgehen Israels im Gazastreifen als „Massaker“.

          Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini rief Israelis und Palästinenser zu „allergrößter Zurückhaltung“ auf. „Israel muss das Recht auf friedliche Demonstrationen respektieren und bei der Anwendung von Gewalt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren“, sagte sie. Ähnlich äußerte sich das Außenministerium in Berlin.

          Es droht eine Eskalation in dem Konflikt

          Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri rief seine Anhänger angesichts der Botschaftsverlegung der Amerikaner zum Widerstand auf. Es sei nötig, die Feinde vereint mit einem Heiligen Krieg (Dschihad) zu bekämpfen, sagte der Führer des dschihadistischen Terrornetzwerks in einem Video. Trump habe, so Al-Sawahiri, „das wahre Gesicht der Kreuzzüge“ enthüllt.

          Die Zeichen stehen auf Eskalation.