Jerusalem. Am Montag wird die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt. Für die Palästinenser eine erneute Demütigung. Der Protest könnte eskalieren.

Zumindest wird der US-Botschafter die Komplexitäten des Heiligen Lands direkt vor Augen haben, wenn er kommende Woche von Tel Aviv nach Jerusalem zieht. Ein Teil der neuen US-Vertretung liegt im Niemandsland zwischen den beiden Waffenstillstandslinien, die nach Israels Unabhängigkeitskrieg 1949 gezogen wurden. Von hier, am Rande der Stadt und in der äußersten Ecke des jüdischen Stadtteils Arnona, blickt man auf den palästinensischen Vorort Sur Baher und auf israelisches Siedlungsgebiet. Hier ist der Konflikt ganz nah.

Tatsächlich arbeiteten hier schon lange US-Bedienstete, allerdings in einem Konsulatsgebäude, das am Montag zunächst umgewidmet wird. Ein neues Siegel, eine drei Meter hohe Mauer und eine neue Straße als Fluchtweg gehören zu den überschaubaren baulichen Maßnahmen, die zur Umfunktionierung gehören. Die Mitarbeiter werden nach und nach umziehen. Die letzten wohl erst, wenn der neue Botschaftsbau von Architekt Amir Mann in sechs Jahren fertiggestellt sein soll.

Ob Donald Trump dann noch US-Präsident sein wird, ist offen. Trump hat in einem Alleingang Fakten geschaffen – mit seiner Ankündigung im Dezember, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen und eben nun mit dem Umzug der Botschaft, ausgerechnet zum 70. Jahrestag der israelischen Staatsgründung und einen Tag bevor die Palästinenser Al-Nakba, der Katastrophe ihrer Flucht und Vertreibung, gedenken.

Israel hatte den Ostteil Jerusalems 1967 erobert und beansprucht die ganze Stadt als Hauptstadt. Die Palästinenser hingegen fordern Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen künftigen eigenen Staat. Nach Ansicht der internationalen Gemeinschaft muss der Status Jerusalems in Friedensgesprächen beider Parteien festgelegt werden.

Trump wurde für Jerusalem-Entscheidung kritisiert

Trump hatte sich mit der Anerkennung Jerusalems von der Nahostpolitik seiner Vorgänger abgesetzt. Ein erster Schritt, noch bevor er vergangene Woche den Ausstieg der USA aus dem Iran-Deal verkündete. Beide Schritte wurden international scharf kritisiert, in beiden Fällen sind die Konsequenzen schwer absehbar.

„Für Israel ist der Botschaftsumzug in erster Linie ein diplomatischer Sieg“, erklärt Oded Eran, einst Top-Diplomat und heute Experte am Institut für National Security Studies, einem Thinktank in Tel Aviv. Andere Staaten könnten folgen, sagt er. Die US-Entscheidung ist laut Eran bedeutend, auch wenn sie die zukünftigen Grenzen der Stadt nicht festlegt und an den Realitäten in Jerusalem zunächst mal „natürlich nichts ändert“.

Die Stadt war zwar bereits 1980 vom israelischen Parlament zur „unteilbaren“ und „ewigen“ Hauptstadt des jüdischen Staats erklärt worden. Doch die Lebensverhältnisse in Ost- und West-Jerusalem driften immer weiter auseinander.

Auswärtiges Amt rät von Besuchen in der Altstadt ab

Für Montag wird wieder mit Unruhen gerechnet. Aus Protest gegen die Botschaftsverlegung wurde ein palästinensischer Generalstreik ausgerufen. Das Auswärtige Amt warnt vor gewalttätigen Ausschreitungen und rät von Besuchen der Altstadt ab. Micky Rosenfeld, Sprecher der israelischen Polizei, erklärt, dass Hunderte zusätzliche Beamte in der Stadt unterwegs sein werden.

In den arabischen Gegenden rund um die neue Botschaft patrouillieren sie in Koordination mit US-Kräften. Dort waren bereits in der vergangenen Woche Mitarbeiter des israelischen Inlandsgeheimdiensts Shin Bet gemeinsam mit Kollegen des Secret Service auf Posten – und damit beschäftigt, die Sicherheit der rund 800 geladenen Gäste der Umzugsfeier am Montag zu sichern.

Zwar wird der US-Präsident selbst nicht kommen, aber er schickt seinen Finanzminister Steven Mnuchin sowie Tochter Ivanka Trump und Schwiegersohn Jared Kushner. Letzterer sollte für Trump eigentlich den „ultimativen Deal“, ein Friedensabkommen zwischen Palästinensern und Israelis, aushandeln.

Doch nach der Jerusalem-Entscheidung im Dezember haben die Verantwortlichen in Ramallah alle Beziehungen nach Washington gekappt. „Die einseitige Anerkennung war ein politisches Zeichen der Amerikaner zugunsten Israels und nicht konstruktiv“, sagt Bastian Schroeder, Programm-Manager im Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah. So gefährde die US-Regierung die ohnehin schon schwindenden Aussichten auf eine Zwei-Staaten-Lösung. „Es wurde ja nicht West-Jerusalem als Hauptstadt Israels und Ost-Jerusalem als die der Palästinenser anerkannt“, so Schroeder.

Lage der Palästinenster hat sich verschlechtert

Die Regierung von Israels Premier Benjamin Netanjahu kann bei fast allen Themen auf die Unterstützung der Amerikaner zählen. Das liegt auch an persönlichen Banden: Kushners Vater ist ein Freund Netanjahus. US-Botschafter David Friedman ist der Siedlungsbewegung eng verbunden, weshalb ihn Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kürzlich „Sohn eines Hundes“ nannte. Es sind solche Aussagen sowie jüngst eine antisemitische Tirade Abbas’, die es den Israelis leicht machen, ihn als „Partner für Frieden“ auszuschließen.

Die Lage der Palästinenser – das heißt ihre Unterstützung in der Region – hatte sich aber bereits vor der Amtszeit Trumps verschlechtert. Das liegt an vielen anderen Konflikten und Kriegen, die seit dem Arabischen Frühling die Aufmerksamkeit ablenken. Und das liegt an Israels gestiegener strategischer Wichtigkeit als Partner im Kampf der sunnitischen Araber gegen den schiitischen Iran, der sich im Nahen Osten ausbreitet.

Als die israelische Armee vergangene Woche auf Raketenbeschuss mit massiven Luftschlägen gegen iranische Einrichtungen in Syrien antwortete, bekam sie Unterstützung aus dem Golf. Die Israelis hätten das „Recht“ sich zu verteidigen, schrieb der Außenminister Bahrains bei Twitter. Vor einigen Wochen hatte bereits der mächtige saudische Thronfolger Mohamed bin Salman in einem Interview Israels Existenzrecht anerkannt. In einem Gespräch mit jüdischen Führern in den USA soll er außerdem den Palästinensern geraten haben, „den Mund zu halten“ und endlich an den Verhandlungstisch zu kommen.

10.000 Demonstranten werden erwartet

Zack Sabella wurde vor 34 Jahren in Jerusalem geboren. Wie viele junge Palästinenser hat der politische Aktivist kaum hoffnungsvolle Zeiten erlebt. Auch unter US-Präsident Barack Obama nicht, von dem sein Volk so viel mehr erwartet hatte. Obama war eine einzige Enttäuschung, findet er. „Deswegen hatten wir zu Beginn von Trumps Amtszeit eine Art naiven Optimismus. Man klammert sich schließlich an alles“, so Sabella.

Nun ist die Enttäuschung groß – und die Erniedrigung noch schmerzvoller. Die Israelis feiern 70 Jahre Unabhängigkeit, die Amerikaner verlegen ihre Botschaft, die Palästinenser haben immer noch keinen Staat.

Besonders gewaltsam könnten die Proteste zum Gedenktag am Sperrzaun zu Gaza werden. Hier findet bereits seit sechs Wochen ein sogenannter großer Marsch der Rückkehr statt, bei dem Demonstranten immer wieder versuchen, auf israelisches Gebiet zu gelangen und bei dem bereits 48 Palästinenser getötet und über 9500 verwundet wurden. 10.000 Demonstranten werden am Dienstag erwartet. Die israelische Armee wird ihre Truppen aufstocken. Ein Militärexperte ist sich sicher: „Das Vorgehen wird noch einmal verschärft.“